VwGH 82/08/0152

VwGH82/08/015227.10.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Mag. Öhler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde der AF in G, vertreten durch Dr. Erich Allmer, Rechtsanwalt in Graz, Friedrichgasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 6. Juli 1982, Zl. 12-193 Fa 1/11-1982, betreffend Übertretung der §§ 1 Abs. 3 und 3 der Gesundheitsschutzverordnung der Landeshauptstadt Graz, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art15 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
GesundheitsschutzV Graz 1971 §1 Abs1 idF vom 12.6.1975;
GesundheitsschutzV Graz 1971 Präambel idF vom 12.6.1975;
B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art15 Abs2;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
GesundheitsschutzV Graz 1971 §1 Abs1 idF vom 12.6.1975;
GesundheitsschutzV Graz 1971 Präambel idF vom 12.6.1975;

 

Spruch:

Der erste Spruchteil des angefochtenen Bescheides wird, soweit er sich auf den Tatvorwurf erstreckt, die Beschwerdeführerin habe "in der Zeit vom 15. 10. 1981 bis 9. 12. 1981 durch das massive Taubenfüttern im Hof des Hauses Graz, A-

gasse 15, ... eine übermäßige Lärmbelastung für die Umgebung

verursacht", wegen Unzuständigkeit des Landeshauptmannes der Steiermark aufgehoben.

Im übrigen wird der erste Spruchteil des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Hinsichtlich des zweiten Spruchteiles des angefochtenen Bescheides wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Landeshauptmann der Steiermark) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis vom 18. Februar 1982 hat der Magistrat der Landeshauptstadt Graz ausgesprochen, die Beschwerdeführerin habe in der Zeit vom 15. Oktober 1981 bis 9. Dezember 1981 durch das massive Taubenfüttern im Hof des Hauses Graz, A-gasse 15, sanitäre Mißstände sowie eine übermäßige Lärmbelastung für die Umgebung verursacht; dies sei anläßlich einer Erhebung des Gesundheitsamtes am 9. Dezember 1981 festgestellt worden; die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 der "ortspolizeilichen Gesundheitsschutzverordnung vom 22. April 1971" begangen; gemäß § 3 dieser Verordnung wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von sechs Tagen) verhängt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tathandlung auf Grund der Anzeige des Gesundheitsamtes in Verbindung mit den Angaben der Beschuldigten festgestellt und erwiesen sei.

Die Beschwerdeführerin hat Berufung erhoben. Gleichzeitig wurde die Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens bis zur Erledigung des hg. Beschwerdeverfahrens zu Zl. 81/08/0052 beantragt.

1.2. Mit Bescheid vom 6. Juli 1982 hat der Landeshauptmann der Steiermark dieser Berufung keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt. Der Antrag auf Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens bis zur Entscheidung über die genannte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen behaupteter Präjudizialität wurde zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Anschluß an das Zitat der angewendeten Verordnungsbestimmungen, daß im Hinblick auf den gegebenen Tatbestand "demnach" die von der erstinstanzlichen Behörde erfolgte Abstrafung rechtlich begründet und gerechtfertigt sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid "seinem gesamten Umfange und Inhalte nach" wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

In der Begründung dieser Beschwerde heißt es, daß in der Berufung auf die mangelnde Kausalität verwiesen worden sei und die zeugenschaftliche Einvernahme der Elfriede N. sowie der Ludmilla J. sowie ein Ortsaugenschein beantragt worden seien. Die Behörde habe sich stillschweigend über diesen Beweisantrag hinweggesetzt.

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird geltend gemacht, daß entgegen dem Inhalt der anzuwendenden Verordnungsstelle nicht die Kausalität der Handlung der Beschwerdeführerin für eine Lärm-, Staub-, Rauch oder Geruchsentwicklung aufgezeigt worden sei. Den Sprüchen fehle auch die Feststellung, daß das Verhalten der Beschwerdeführerin das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen üblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören geeignet gewesen sei; es finde sich weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Bescheid eine Ausführung dahin gehend, daß das Verhalten der Beschwerdeführerin, nämlich das Füttern von Tauben auf ihrer Liegenschaft, welche vollkommen sauber gehalten werde, kausal für allenfalls auftretende Mißstände auf Nachbarliegenschaften sei. Überdies erfülle die als erwiesen angenommene Tat nicht die Merkmale der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0052).

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß der Präambel der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 22. April 1971, mit der die ortspolizeiliche Gesundheitsschutzverordnung erlassen wird, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 1971, S. 123, in der Fassung der Novelle vom 12. Juni 1975, Amtsblatt 1975, S. 157 (im folgenden: GesundheitsschutzV) "können zur Abwehr oder zur Beseitigung von Mißständen, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören, insbesondere zum Schutze der Gesundheit, Verbote erlassen und dementsprechende Anordnungen getroffen werden (ortspolizeiliche Gesundheitsschutzverordnung)".

Die GesundheitsschutzV wurde auf Grund des § 42 Abs. 1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130, erlassen.

1 Abs. 1 der GesundheitsschutzV lautet:

"(1) Unbeschadet bestehender Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes sowie der bestehenden ortspolizeilichen Anordnungen sind Handlungen und Unterlassungen, die für sich allein oder im Zusammenwirken mit anderen Handlungen und Unterlassungen geeignet sind, durch Lärm-, Staub-, Rauch- oder Geruchsentwicklung das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören und die Umwelt untragbar zu belästigen, insgesondere eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch hygienische Mißstände herbeizuführen, verboten."

Gemäß § 3 Abs. 1 der GesundheitsschutzV bilden Zuwiderhandlungen gegen die Anordnungen und Verbote dieser Verordnung eine Verwaltungsübertretung und werden mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bestraft.

2.2. Im Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0052 = ZfVB 1983/4/1655, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit einem Aspekt der kompetenzrechtlichen Problematik, dessen Lösung aus der Sicht des damaligen Beschwerdefalles geboten war, auseinandergesetzt. Der Spruch des vom damals angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautete, die damalige Beschwerdeführerin habe "durch Füttern der Tauben auf der Liegenschaft in Graz, ....., hygienische Mißstände verursacht, wodurch die Umwelt untragbar belästigt worden ist".

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis zur Widerlegung der von der damaligen Beschwerdeführerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmungen ausgeführt, präjudiziell sei für die dort vorliegende Frage nur § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 dieser Verordnung in der durch die Novelle aus dem Jahr 1975 nicht veränderten Stammfassung; der dort geregelte (gemeint: für den damaligen Beschwerdefall relevante) Verordnungsinhalt entspreche dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde im Sinne des Art. 118 Abs. 2 und Abs. 3 Z. 7 B-VG; ob der sonstige Inhalt der Verordnung gesetzmäßig sei oder nicht, habe der Verwaltungsgerichtshof mangels Präjudizialität nicht zu erwägen.

2.3. Im vorliegenden Beschwerdefall ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings zur Frage gestellt, die kompetenzrechtliche Einordnung neuerdings zu prüfen. Der Beschwerdeführerin wurde nämlich zum Vorwurf gemacht, zum einen "durch das massive Taubenfüttern im Hof des Hauses Graz, A-gasse 15, sanitäre Mißstände verursacht zu haben, sowie zum anderen durch eben dieses Verhalten eine übermäßige Lärmbelastung für die Umgebung verursacht zu haben.

2.3.1. Wie § 1 der GesundheitsschutzV zeigt, sind in den Elementen seiner Tatbilder verschiedene nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung teils in den Bereich der Gesetzgebung und/oder Vollziehung des Bundes, teils in jenen der Länder fallende Materien zusammengefaßt. Es handelt sich bei dieser Zusammenfassung, nämlich bei der Anknüpfung an die unzumutbare übermäßige Störung des örtlichen Gemeinschaftslebens in Verbindung mit einer untragbaren Umweltbelastung, um eine komplexe Materie (wie dies der Verfassungsgerichtshof zum Beispiel auch für die Raumordnung - VfSlg. 2674/1954 - oder die Abfallbeseitigung - VfSlg. 7792/1976 = ZfVB 1976/2/364, ausgesprochen hat), die weder zur Gänze in die Bundes- noch in die Länderkompetenz fällt.

Bevor nun auf die Rechtsfolgen dieser Verquickung eingegangen wird, ist zu analysieren, um welche Materien es sich handelt. Zum einen kommt hier der Kompetenztatbestand des Gesundheitswesens im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG in Betracht, wie dies in der Wendung der Verordnung "insbesondere eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch hygienische Mißstände hervorzuführen" zum Ausdruck kommt. Gerade dieses Wort "insbesondere" zeigt aber, daß der § 1 Abs. 1 der Verordnung auch andere Sachverhalte einer Regelung unterwirft, die Gemeinschaftsstörungen und Umweltbelastungen zum Gegenstand haben, ohne die Gesundheit von Menschen zu tangieren. Hiezu gehört das für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutsame, im § 1 Abs. 1 leg. cit. explicit enthaltene Verbot einer solchen Gemeinschaftsstörung und Umweltbelastung durch Lärmbelästigung. Regelungen zum Schutz vor Lärmimmissionen fallen nun nicht schlechthin - und dies ist entscheidend - in den Kompetenztatbestand des Gesundheitswesens, mag auch letzten Endes jede Lärmbekämpfung im Dienste der Gesundheit von Menschen im weiteren Sinne stehen. Vielmehr ist diese Regelungskompetenz den verschiedenen Sachmaterien, von denen Lärmimmissionen ausgehen, und subsidiär der allgemeinen Sicherheitspolizei zugehörig; es gibt also - pointiert formuliert -

"Bundeslärm" (z. B. Lärmemissionen einer gewerblichen Betriebsanlage) und "Landeslärm" (z. B. den Baulärm - vgl. zum Baulärm im besonderen und zur hier behandelten kompetenzrechtlichen Zuordnung des als sachliche verwaltungspolizeiliche Adhäsionsmaterie aufzufassenden Lärmrechts das Kompetenzfeststellungserkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1970, Slg. Nr. 6262). Da das vorliegende Verbot einer Lärmimmission keiner bestimmten Verwaltungsmaterie (außer dem hier nicht in Betracht kommenden Gesundheitswesen und außer der Sicherheitspolizei) zugeordnet werden kann, handelt es sich nicht um eine Materie der Verwaltungspolizei, sondern um eine Regelung im Dienste der Abwehr allgemeiner Gefahren, also einer solchen auf dem Gebiete der allgemeinen Sicherheitspolizei, und zwar im besonderen der örtlichen Sicherheitspolizei im Sinne des Art. 15 Abs. 2 B-VG.

Es ist somit davon auszugehen, daß die Regelung des § 1 Abs. 1 der GesundheitsschutzV auch im Anlaßfall relevante Tatbestände zusammenfaßt, von denen je nach dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhanges mit den in der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung vorgesehenen Kompetenztatbeständen die einen in die Regelungskompetenz des Bundes, die anderen in jene der Länder, fallen.

Dieser Regelungsinhalt entspricht auch dem in der Präambel Angeordneten - wobei der Verwaltungsgerichtshof nicht anders als bei den Präambeln des Devisengesetzes BGBl. Nr. 162/1946 (VfSlg. 3669/1959, 7338/1974) und des Energiewirtschaftsgesetzes DRGBl. I 1451 (VfSlg. 8203/1977 = ZfVB 1978/2/801) von deren Normativität ausgeht. Auch in der Präambel kommt nun zum Ausdruck, daß nicht alle in der Verordnung vorgesehenen Verbote und Anordnungen dem Schutz der Gesundheit dienen. Dieser ist ein wesentlicher, jedoch nicht der einzige Zweck der Verordnung.

Die Frage der Verquickung oder Trennbarkeit der bundes- und landesrechtlichen Regelungsinhalte kann nun, was die generelle Regelungsbefugnis bei einer auf Art. 118 Abs. 6 B-VG gestützten ortspolizeilichen Verordnung der Gemeinde - anders bei einem Bundes- oder Landesgesetz dieses Inhaltes (zur Unzulässigkeit der Verquickung vgl. z. B. VfSlg. 7792/1976) dahingestellt bleiben, weil im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde beide Kompetenzbereiche zusammenfließen. Für die individuelle Vollziehung der generellen Regelung ist die Lösung der aufgeworfenen Frage allerdings unabdingbar. Dies deshalb, weil eine Regelung, die die Vollzugszuständigkeit (hier: verschiedener zweitinstanzlicher Behörden) und damit den gesetzlichen Richter nicht klar erkennen läßt, gegen Art. 83 Abs. 1 B-VG und Art. 8 Abs. 2 B-VG, welche letztere Bestimmung sich auch an den Gesetzgeber richtet, verstößt (vgl. hiezu u. a. VfSlg. 4788/1964 unter Hinweis auf 4347/1963; 6665/1962; 8349/1978 = JBl. 1980, 197 = ZfVB 1979/1/198). Die erwähnten Verfassungsbestimmungen beauftragen den Gesetzgeber, gerade die Behördenzuständigkeit derart klar und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß es keiner subtilen Auslegungstätigkeit bedarf, um die vom Gesetzgeber gewollte Kompetenz der Behörden - auch der Rechtsmittelinstanzen - zu erkennen.

2.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof ist nun, was den für

den vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden Bereich der

ortspolizeilichen GesundheitsschutzV anlangt, der Auffassung, daß

eine Trennung der Regelungsbereiche im Auslegungsweg in noch

zureichendem Maße erkennbar ist. Es ist nämlich zum einen ein

Tatbestand erkennbar, der Handlungen oder Unterlassungen betrifft,

die ...... geeignet sind, durch Lärmentwicklung das örtliche

Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen

ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören und die

Umwelt untragbar zu belästigen. Zum anderen sind Handlungen und

Unterlassungen erfaßt, die ...... geeignet sind, durch Staub,

Rauch oder Geruchsentwicklung das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören und die Umwelt untragbar zu belästigen, insbesondere eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch hygienische Mißstände herbeizuführen. Während der erstgenannte Tatbestand innerhalb des eigenenen Wirkungsbereiches jedenfalls dem Landesvollzugsbereich zuzuordnen ist (Art. 15 Abs. 2 B-VG), entspricht aus dem übrigen Tatbestandskomplex jedenfalls der für den hier relevanten Fall vorgesehene Verordnungsinhalt, der der Abwehr eines hygienischen Mißstandes dient, dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde im Bundesvollzugsbereich (Art. 118 Abs. 3 Z. 7 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG). Die entsprechenden (nicht im eigenenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden) Strafbefugnisse sind daher im ersteren Fall in zweiter Instanz von der Landesregierung, im letzteren Fall vom Landeshauptmann in mittelbarer Bundesverwaltung auszuüben.

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der belangte Landeshauptmann der Steiermark hinsichtlich des im Spruch des (vom angefochtenen Bescheid bestätigten) erstinstanzlichen Bescheides umschriebenen Tatvorwurfes, die Beschwerdeführerin habe durch das massive Taubenfüttern eine übermäßige Lärmbelästigung für die Umgebung verursacht, unzuständigerweise eingeschritten ist.

Der erste Spruchteil des angefochtenen Bescheides war somit in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 aufzuheben.

2.5. Im übrigen wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe durch das massive Taubenfüttern im Hof des Hauses Graz, A-gasse 15, sanitäre Mißstände verursacht.

Auf dem Boden dessen, was der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0052 = ZfVB 1983/4/1655, hiezu ausgeführt hat, weist auch im vorliegenden Fall die im erstinstanzlichen Straferkenntnis als erwiesen angenommene Tat nicht die verordnungsmäßigen Merkmale des § 1 Abs. 1 GesundheitsschutzV auf. Es wird in der Tatumschreibung nämlich einerseits nicht ausgeführt, daß die Handlung der Beschwerdeführerin (das Füttern von Tauben) geeignet gewesen sei, anders als durch Lärmentwicklung, nämlich durch Staub-, Rauch- oder Geruchsentwicklung die Umwelt untragbar zu belästigen. Andererseits fehlt in den Sprüchen auch die Feststellung, daß das Verhalten der Beschwerdeführerin das örtliche Gemeinschaftsleben in einem im Verhältnis zu den jeweiligen ortsüblichen Gegebenheiten unzumutbaren Ausmaß zu stören geeignet war.

Die als erwiesen angenommene Tat (§ 44a lit. a VStG) erfüllt nicht die Merkmale der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a lit. b VStG 1950); dies begründet eine inhaltliche, von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtswidrigkeit (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1982 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im Umfang dieses Tatvorwurfes war somit der erste Spruchteil des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

2.6. Die Zurückweisung der beantragten Unterbrechung des zweitinstanzlichen Strafverfahrens erfolgte im zweiten Spruchteil des angefochtenen Bescheides zu Recht, da die Bestimmungen über das Verwaltungsstrafverfahren ein solches Rechtsinstitut - anders als zum Beispiel die Abgabenverfahrensgesetze - nicht kennen, geschweige denn einen diesbezüglichen Rechtsanspruch der Partei einräumen.

2.7. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Ersatz der Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, da dieser bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist. Als Ersatz der Stempelgebühr für die Beschwerdebeilage (eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides von einem Bogen) waren S 25,-- zuzusprechen. Das Mehrbegehren war abzuweisen.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 27. Oktober 1983

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