VwGH 82/07/0116

VwGH82/07/011629.6.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerden der JW und der MA, beide in S, beide vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 21. April 1982, Zl. LAS-222/4-81, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Zusammenlegungsgemeinschaft X, vertreten durch den Obmann BW in B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8 impl;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs4;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §125;
WRG 1959 §126 Abs3;
WRG 1959 §135;
WRG 1959 §22 Abs2;
AVG §8 impl;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs4;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §125;
WRG 1959 §126 Abs3;
WRG 1959 §135;
WRG 1959 §22 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerden in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

In dem im Jahr 1980 eingeleiteten Verfahren zur Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke im Gebiet "X" sieht der von der Agrarbehörde erster Instanz erlassene Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen gemäß § 17 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) unter anderem die Entwässerung eines Teiles des Zusammenlegungsgebietes vor, der als so vernäßt bezeichnet wird, daß ohne die vorgesehene Entwässerung eine maschinelle Bearbeitung der landwirtschaftlichen Flächen als sehr erschwert und teilweise unmöglich gilt. Mit Bescheid vom 16. November 1981 erteilte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, gestützt auf die Zuständigkeitsbestimmung des § 72 Abs. 4 TFLG 1978, der Zusammenlegungsgemeinschaft auf deren Antrag unter anderem auch die wasserrechtliche Bewilligung für eine dem angegebenen Zweck dienende Entwässerungsanlage und wies die von der Erstbeschwerdeführerin gegen das Projekt erhobenen Einwendungen gemäß den §§ 22 Abs. 2 und 102 Abs. 2 WRG 1959 mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Über die von der Erstbeschwerdeführerin erhobene Berufung sowie die von der Zweitbeschwerdeführerin als behauptetermaßen übergangener Partei gegen das Projekt gerichteten Einwendungen entschied der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom 21. April 1982 dahin gehend, daß die Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und die Einwendungen der Zweitbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen wurden. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und des Parteienvorbringens die Frage der Zuständigkeit der Agrarbehörden zur wasserrechtlichen Bewilligung näher behandelt, wobei die Rechtsmittelbehörde zu dem Ergebnis gelangte, diese mit der Begründung zu bejahen, daß die Entwässerung zur Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müsse. Zur Berufung der Erstbeschwerdeführerin vertrat der Landesagrarsenat - soweit im Zusammenhang noch von Interesse - die Ansicht, diese leite ihre Parteistellung betreffend ein Wasserbenutzungsrecht aus dem Wasserbuchbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Juni 1970 ab, wonach ihrer Mutter als ehemaliger Inhaberin der Liegenschaft EZ. n1 KG M ein derartiges Recht zum Betrieb einer Fischzuchtanlage am sogenannten F-Weiher an dem teilweise durch das Zusammenlegungsgebiet fließenden X-bachl, am R-bachl und am Kbach in der Form der Nutzwasserversorgung zustehe. Die Liegenschaft, mit welcher das Wasserbenutzungsrecht verbunden sei, habe die Erstbeschwerdeführerin mit Übergabsvertrag vom 29. November 1977 von ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, erworben. Sie hätte daher gemäß § 22 Abs. 2 WRG 1959 und § 21 Abs. 2 der Wasserbuchverordnung die Übertragung der Liegenschaft der Wasserbuchbehörde zur Eintragung in das Wasserbuch anzuzeigen gehabt. Da sie diese Anzeige unterlassen habe, sei ihr die Geltendmachung des Wasserbenutzungsrechtes verwehrt und komme ihr gemäß § 102 Abs. 2 WRG 1959 - in der Kundmachung zur Wasserrechtsverhandlung sei auf die Erfordernisse nach dieser Gesetzesstelle hingewiesen worden - in diesem Wasserrechtsverfahren Parteistellung nicht zu. Die Zweitbeschwerdeführerin stütze ihre Einwendungen gleichfalls auf den Wasserbuchbescheid vom 29. Juni 1970. Gemäß § 22 Abs. 1 WRG 1959 sei Wasserberechtigter der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft, mit der die Rechte verbunden seien. Der Zweitbeschwerdeführerin gehöre aber die bezeichnete Liegenschaft nicht mehr, sie sei somit auch nicht mehr Wasserberechtigte, so daß ihr zur Erhebung von Einwendungen die Parteistellung fehle. Auf die weiteren, eine behauptete Fischereiberechtigung der Beschwerdeführerinnen betreffenden Ausführungen in der Begründung des Berufungsbescheides braucht für das Beschwerdeverfahren nicht eingegangen zu werden.

Das Erkenntnis des Landesagrarsenates wird mit den vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerinnen in dem Recht auf (stattgebende) Sachentscheidung in bezug auf das von ihnen geltend gemachte Wasserbenutzungsrecht verletzt erachten. Die Erstbeschwerdeführerin führt aus, es treffe zu, daß die Namensänderung der Wasserbuchbehörde nicht angezeigt worden sei. Diese Unterlassung habe aber auch die Agrarbehörde erster Instanz bis zum Ergehen ihres Bescheides nicht wahrgenommen, die Erstbeschwerdeführerin vielmehr zur Verhandlung geladen. Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergebe sich, daß die Behörde auch vom Erwerb und von der Verbücherung (im Jahr 1978) gewußt habe. Die Agrarbehörden legten § 102 Abs. 2 WRG 1959 unrichtig aus; die Systematik des Gesetzes werde verkannt. Der Widerspruch zwischen der Eintragung im Grundbuch und im Wasserbuch hätte gemäß § 126 Abs. 1 WRG 1959 zur Folge haben müssen, daß die belangte Behörde die Rechtssache gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 an die Agrarbehörde erster Instanz zurückverweise. Da die Beweiskraft des Grundbuches stärker sei als jene des Wasserbuches, komme der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren Parteistellung zu. Es sei im übrigen nicht Sinn und Zweck des § 102 Abs. 2 WRG 1959, durch Formalbestimmungen Parteienrechte zu beschneiden; es sollten hierdurch lediglich umfangreiche und schwierige Streitigkeiten über den Bestand eines Wasserbenutzungsrechtes vermieden werden; wenn die Behörde aber die tatsächlichen Rechtsverhältnisse schon kenne, dürfe dem Berechtigten nicht auf dem Umweg des § 102 Abs. 2 WRG 1959 die Parteistellung und damit sein Mitwirkungsrecht in existentiellen Belangen abgesprochen werden. Selbst wenn man die Beweiskraft der Wasserbucheintragung nicht für ausreichend ansehe, wäre die Wasserbuchbehörde im Beschwerdefall die Agrarbehörde, die das Wasserrechtsgesetz zur Gänze anzuwenden habe - gemäß § 126 Abs. 3 WRG wegen Nichtübereinstimmung der Eintragung mit der wirklichen Rechtslage auch von Amts wegen zur Berichtigung verpflichtet gewesen; die Unterlassung der näheren Klarstellung, soweit es dieser überhaupt bedurft hätte, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Gehe man in der Sache von der entgegengesetzten Voraussetzung aus, erkenne man also der Wasserbucheintragung konstitutiven Charakter zu, dann hätte die belangte Behörde den Einwendungen der in ihrer Berechtigung ausgewiesenen Zweitbeschwerdeführerin Folge geben und die Sache gleichfalls gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 an die Agrarbehörde erster Instanz zurückverweisen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und über sie erwogen:

Die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Verhandlung und Entscheidung in einer Angelegenheit des Wasserrechts und in diesen Rahmen über die Parteistellung der Beschwerdeführerinnen wurde auf § 72 Abs. 4 TFLG 1978 (vgl. § 34 Abs. 3 FGG) gestützt. Danach erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung unter anderen eines Zusammenlegungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs. 7 nicht anderes ergibt - dies ist in bezug auf das geltend gemachte Wasserbenutzungsrecht nicht der Fall -, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Die Zuständigkeit der Agrarbehörden ist somit nur dann gegeben, wenn die Einbeziehung zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung unerläßlich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 1975, Slg. Nr. 8836/A). Die belangte Behörde hat diese Frage im angefochtenen Bescheid sachverhaltsbezogen näher behandelt. In der Beschwerde wird die Zuständigkeit der Agrarbehörden nicht bestritten. Der Verwaltungsgerichtshof, der eine Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 von Amts wegen wahrzunehmen hat, findet im Beschwerdefall keinen Grund zur Annahme, daß die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Agrarbehörden gemäß § 72 Abs. 4 TFLG 1978 nicht gegeben wäre.

Die Erstbeschwerdeführerin hat im Wasserrechtsverfahren die Stellung als Partei aufgrund eines Wasserbenutzungsrechtes beansprucht. Wer dies unternimmt, hat gemäß § 102 Abs. 2 WRG 1959 bei sonstigen Verlust dieses Anspruches die Eintragung seines Wasserbenutzungsrechtes im Wasserbuch darzutun oder den Nachweis zu erbringen, daß ein entsprechender Antrag an die Wasserbuchbehörde gestellt wurde. Die Erstbeschwerdeführerin hat im Wasserrechtsverfahren diese Eintragung nicht dargetan und auch keinen Nachweis im eben angegebenen Sinn erbracht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat (siehe die bei Grabmayr-Rossmann, Wasserrecht2, S. 466 f. angeführte Judikatur), kann die Rechtsstellung einer Partei nur in Anspruch nehmen, wer sein Wasserrecht und die Übertragung dieses Rechtes an ihn aufgrund einer Eintragung im Wasserbuch nachgewiesen hat; dies gilt durchaus auch für Fälle, in denen Liegenschaften, mit denen Wasserbenutzungsrechte verbunden sind, den Eigentümer gewechselt haben, so daß auch die Wasserberechtigung auf den neuen Eigentümer übergegangen ist, die Übertragung gemäß § 22 Abs. 2 WRG 1959 aber vom neuen Wasserberechtigten der Wasserbuchbehörde zur Eintragung in das Wasserbuch nicht angezeigt wurde (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1980, Zl. 2690, 2691/79, wobei an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 erinnert sei). Da die Agrarbehörde in den Fällen, in denen ihre Zuständigkeit zur Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung gegeben ist, nicht Wasserbuchbehörde gemäß § 125 WRG 1959 wird, die Berichtigung gemäß § 126 Abs. 3 WRG 1959 aber die Wasserbuchbehörde zu verfügen hat, ist der Vorwurf der Erstbeschwerdeführerin, die Agrarbehörden wären zu einer Maßnahme nach der zuletzt angegebenen Gesetzesstelle verpflichtet gewesen, schon aus diesem Grund unzutreffend (im übrigen siehe das eben angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes). Die Zurückweisung der Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin und damit die Abweisung der gegen jene gerichteten Berufung vermag daher bei der klaren Rechtslage, die es nicht gestattet, nach einem Sinn des Gesetzes zu forschen, der sich mit dessen Wortlaut nicht vereinbaren läßt, nicht als rechtswidrig erkannt zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist nicht Eigentümerin der Liegenschaft, mit welcher das geltend gemachte Wasserbenutzungsrecht verbunden ist; gemäß § 22 Abs. 1 WRG 1959 ist Wasserberechtigter in einem solchen Fall nur der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft. Da der Zweitbeschwerdeführerin somit die Parteistellung gemäß § 102 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 2 WRG 1959 in bezug auf das bezeichnete Wasserbenutzungsrecht fehlte, und die damals noch aufrechte Eintragung im Wasserbuch zu ihren Gunsten - die schon gemäß § 126 Abs. 1 WRG 1959 als mit dem Grundbuch in Widerspruch stehend die Vermutung der Richtigkeit nicht für sich hatte - den fehlenden Anspruch nicht zu ersetzen vermochte, konnte die Zweitbeschwerdeführerin auch nicht gemäß § 107 Abs. 2 WRG 1959 Einwendungen in der Eigenschaft einer übergangenen "Partei" erheben. Die Zurückweisung der Einwendungen der Zweitbeschwerdeführerin erweist sich daher gleichfalls als nicht rechtswidrig.

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Mit der Entscheidung in der Hauptsache ist den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Grundlage entzogen.

Wien, am 29. Juni 1982

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