VwGH 82/02/0237

VwGH82/02/023714.1.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Varga, über die Beschwerde der GG in W, vertreten durch Dr. Johannes Schriefl, Rechtsanwalt in Wien III, Esteplatz 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. August 1982, Zl. MA 70-XI/G 43/82/Str., betreffend Verweigerung der Akteneinsicht in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17 Abs1;
AVG §8 impl;
AVG §8;
VStG §17 Abs1;
VStG §24;
AVG §17 Abs1;
AVG §8 impl;
AVG §8;
VStG §17 Abs1;
VStG §24;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Am 2. Jänner 1982 erstattete der Gatte der Beschwerdeführerin im Wachzimmer der Bundespolizeidirektion Wien 17. Bezirk, Neuwaldeggerstraße, die Anzeige, dass der Pkw der Beschwerdeführerin zwischen dem 31. Dezember 1981, 17,00 Uhr, und dem 2. Jänner 1982, 10,30 Uhr, von einem unbekannten Fahrzeug beschädigt worden sei, und übergab bei dieser Gelegenheit die am Unfallsort aufgefundenen, vom gegnerischen Fahrzeug stammenden blauen Lacksplitter zur kriminaltechnischen Auswertung und Erstellung eines diesbezüglichen Gutachtens.

In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin Einsicht in den Verwaltungsstrafakt, worauf mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hernals, vom 28. Juni 1982 entschieden wurde, dass der Antrag der Beschwerdeführerin "vom 25. 5. 1982 auf Gewährung der Akteneinsicht gemäß § 17 (1) AVG in Verbindung mit § 24 VStG abgewiesen wird", da ihr "keine Parteienstellung nach § 57 VStG mangels Vorliegens eines privatrechtlichen Anspruches zusteht".

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, sie habe einen Anspruch auf Gewährung der Akteneinsicht, weil sie der Behörde in ihrem Eigentum stehendes Beweismaterial zur Erstellung eines Gutachtens zur Verfügung gestellt habe, weshalb sie einen Anspruch darauf habe, dieses Beweismaterial zurückgestellt zu erhalten sowie über die Ergebnisse einer auf Grund desselben erstellten Untersuchung und gutächtlichen Äußerung in Kenntnis gesetzt zu werden.

Diesem Rechtsmittel gab die Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 4. August 1982 keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den erwähnten erstinstanzlichen Bescheid.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, dass eine Parteistellung der Beschwerdeführerin in dem Verwaltungsstrafverfahren gegen den von ihr Angezeigten mangels einer ausdrücklichen Regelung in der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschrift, diesfalls der Straßenverkehrsordnung 1960, nicht gegeben sei. Hiezu sei noch zu bemerken, dass gemäß § 8 AVG 1950 Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde beziehe, Beteiligte, und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien, Parteien seien. Dabei sei unter Rechtsanspruch der Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten der Behörde in materieller Hinsicht und unter rechtlichem Interesse der Anspruch auf ein bestimmtes verfahrensrechtliches Verhalten der Behörde zu verstehen. Keiner dieser Ansprüche sei aber auf Seiten der Beschwerdeführerin als Aufforderin und Anzeigelegerin gegeben, denn diese habe weder einen Anspruch darauf, dass, noch wie ein Verfahren gegen die von ihr zur Anzeige gebrachte Person durchgeführt werde, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermöge, dass der Beschwerdeführerin als Anzeigelegerin ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des von ihr initiierten Verfahrens als Vorfrage für allfällige zivilrechtliche Ansprüche nicht von vornherein abgesprochen werden könne. Aber auch mit dem Hinweis auf die erfolgte Zurverfügungstellung von Beweismaterial habe die Beschwerdeführerin eine Parteistellung nicht zu begründen vermocht, zumal sich daraus nur der Anspruch auf Rückerstattung des Beweismaterials, nicht aber auf Kenntnisnahme der Ergebnisse der damit angestellten Untersuchungen und daraus gezogenen gutächtlichen Schlüsse ableiten lasse. Diesbezüglich komme dem Anzeigeleger (Aufforderer) keine andere verfahrensrechtliche Stellung als einem Zeugen zu, der gleichfalls keinen Anspruch auf Kenntnisnahme der auf Grund seiner Aussage getroffenen Schlussfolgerungen bzw. auf Akteneinsicht habe. Mangels einer in den Verfahrensvorschriften bzw. in der in Betracht kommenden besonderen Verwaltungsvorschrift begründeten Parteistellung der Beschwerdeführerin sei deren Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht abzulehnen gewesen, weshalb der Berufung kein Erfolg habe beschieden sein können und der angefochtene Bescheid zu bestätigen gewesen sei.

 

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß dem zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 17 Abs. 1 AVG 1950 hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist.

Da ein Recht auf Akteneinsicht nur den an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligten Parteien zusteht (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1949, Slg. N. F. Nr. 760/A), ist zu untersuchen, ob der Beschwerdeführerin in dem gegen den Beschädiger ihres Fahrzeuges eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 Parteistellung zukommt.

Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens sind kraft ausdrücklicher Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 der Beschuldigte (vgl. § 32 Abs. 1), der Privatankläger (vgl. § 56 Abs. 1) sowie der Privatbeteiligte (vgl. § 57 Abs. 1). Außerdem ergibt sich aus § 17 leg. cit. eine Parteistellung des vom Beschuldigten verschiedenen Eigentümers eines vom Verfall bedrohten Gegenstandes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. September 1949, Slg. N. F. Nr. 989/A).

Wie schon ausgeführt worden ist, hat die Beschwerdeführerin durch ihren Ehegatten bei der Behörde die Anzeige über die Beschädigung ihres Kraftfahrzeuges durch einen unbekannten Pkw erstattet und bei dieser Gelegenheit Lacksplitter von diesem unbekannten Fahrzeug ausgefolgt. Sie ist daher in dem auf Grund dieser Anzeige eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nicht Beschuldigte, weil wegen dieses Vorfalles nicht sie, sondern der Lenker des unbekannten Fahrzeuges im Verdacht einer Verwaltungsübertretung steht. Die Beschwerdeführerin ist aber auch weder Privatankläger im Sinne des § 56 Abs. 1 VStG 1950, weil kein Fall eines Privatanklagedeliktes vorliegt, noch Privatbeteiligte im Sinne des § 57 Abs. 1 leg. cit., weil die dort genannten Voraussetzungen ebenfalls nicht gegeben sind. Gemäß § 57 Abs. 1 VStG 1950 kommt nämlich eine Parteistellung im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 nur einem Anspruchsberechtigten zu, soweit die Behörde nach einzelnen Verwaltungsvorschriften im Straferkenntnis auch über die aus einer Verwaltungsübertretung abgeleiteten privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden hat. Als derartige Verwaltungsvorschrift kommt im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung 1960 nur der § 100 Abs. 6 in Betracht, woraus für den Standpunkt der Beschwerdeführerin aber nichts zu gewinnen ist, weil darin vorgesehen ist, dass die Behörde im Straferkenntnis im Sinne des § 57 VStG 1950 auch über die aus einer Übertretung nach § 99 abgeleiteten privatrechtlichen Ansprüche des Straßenerhalters gegen den Beschuldigten zu entscheiden hat. Ein solcher Anwendungsfall liegt nicht vor. Schließlich kann die Beschwerdeführerin auch aus § 17 Abs. 1 VStG 1950 schon deshalb keine Parteistellung in dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ableiten, weil in der die Grundlage des in Rede stehenden Verwaltungsstrafverfahrens bildenden Straßenverkehrsordnung 1960 keine Bestimmungen über Verwaltungsübertretungen enthalten sind, die mit dem Verfall von Gegenständen bedroht sind.

An diesem Beurteilungsergebnis vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 34 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) nichts zu ändern, weil gegen die Beschwerdeführerin in dem zu Grunde liegenden, nicht gegen sie als Beschuldigte gerichteten Strafverfahren keine Ordnungsstrafe verhängt worden ist.

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang meint, dass sich im Rahmen der Geltendmachung ihres "Anspruchs auf Rückstellung des Beweismaterials die Tätigkeit der Behörde auf sie bezieht, und dass dieses Verfahren ......... ein dem § 34 AVG ähnliches Inzidental-Verfahren darstellt", so muss ihr entgegengehalten werden, dass zufolge § 8 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) Personen, auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte sind, weshalb mit dieser Erwägung der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt selbst dann nichts zu gewinnen wäre, wenn man davon ausginge, dass sich die Tätigkeit der Behörde im Rahmen des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens auch auf die Beschwerdeführerin bezieht, weil entsprechend der vorstehend dargestellten Rechtslage nur den Parteien eines Verwaltungsstrafverfahrens ein Recht auf Akteneinsicht zusteht. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführerin in diesem Verwaltungsstrafverfahren keine Parteistellung zukommt, wurde bereits ausgeführt.

Schließlich meint die Beschwerdeführerin, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz enthalte keine ausdrückliche Vorschrift darüber, inwieweit im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens unbeteiligte Dritte verpflichtet seien, Augenscheinsgegenstände, bezüglich derer sie verfügungsberechtigt seien, der Behörde vorzulegen, wenn man von der Bestimmung des § 19 Abs. 2 und 3 AVG absehe. Nach der Bestimmung des § 19 Abs. 2 AVG könne die Behörde Personen, die nicht Parteien des Hauptverfahrens seien, laden und ihnen auftragen, Behelfe und Beweismittel mitzubringen. Es sei daher hinsichtlich der Vorlage von Augenscheinsgegenständen anzunehmen, dass die Behörde über § 19 Abs. 2 und 3 AVG eine Verpflichtung begründen und nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes zwangsweise durchsetzen könne. In einem solchen Zwischenverfahren beziehe sich die Tätigkeit der Behörde auf diejenige Person, die über den Augenscheinsgegenstand verfügungsberechtigt sei, sie sei daher in diesem Zwischenverfahren Partei im Sinne des § 8 AVG. Sofern daher ein Dritter im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens ihm eigentümliche Augenscheinsgegenstände der Behörde zur Verfügung stelle, habe er sowohl einen Anspruch auf Rückstellung dieser Augenscheinsgegenstände als auch auf Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses über dieselben.

Im Hinblick auf das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Begehren der Beschwerdeführerin, ihr in den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt Einsicht zu gewähren, kann es dahingestellt bleiben, ob sie einen Anspruch auf Rückstellung des anlässlich der Anzeigeerstattung der Behörde übergebenen Beweismaterials hat. Aus den von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang herangezogenen Bestimmungen des § 19 AVG 1950 kann aber nicht abgeleitet werden, dass einer Person schon deshalb Parteistellung in einem Verwaltungsstrafverfahren, und damit das Recht auf Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakt zukommt, weil sie der Behörde ein Beweismittel zur Verfügung gestellt bzw. eine Verwaltungsübertretung angezeigt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1956, Slg. N. F. Nr. 4231/A).

Die Beschwerdeführerin hat im übrigen in der Beschwerde ausdrücklich hervorgehoben, der belangten Behörde sei zuzugeben, dass die Beschwerdeführerin in dem Verwaltungsstrafverfahren gegen den von ihr Angezeigten keine Parteistellung besitze, da sie in diesem Verfahren weder einen Rechtsanspruch noch ein rechtliches Interesse hinsichtlich dieses Verfahrens habe.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 1983

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