VwGH 2015/03/0004

VwGH2015/03/000416.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der N GmbH in I, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Dr. Erik Kroker, Dr. Simon Tonini, Dr. Fabian Höss und Mag. Harald Lajlar, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12/IV, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenats vom 13. Dezember 2012, Zl 611.191/0005- BKS/2012, betreffend Feststellung der Anzeigepflicht nach § 9 Abs 1 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (weitere Partei: Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien), zu Recht erkannt:

Normen

12010E056 AEUV Art56;
12010E057 AEUV Art57;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 lita Zi;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 litb;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1;
62014CJ0347 New Media Online VORAB;
AMD-G 2001 §2 Z3;
AMD-G 2001 §2 Z4;
AMD-G 2001 §9 Abs1;
EURallg;
VwRallg;
12010E056 AEUV Art56;
12010E057 AEUV Art57;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 lita Zi;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1 Abs1 litb;
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art1;
62014CJ0347 New Media Online VORAB;
AMD-G 2001 §2 Z3;
AMD-G 2001 §2 Z4;
AMD-G 2001 §9 Abs1;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt und Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin betreibt unter der Internetadresse http://www..com die "Tzeitung Online". Die Textbeiträge (unter anderem Nachrichten, Berichte über Sport und Freizeit, etc) dieser elektronischen Ausgabe einer Zeitung werden auf der Webseite vereinzelt durch Videos, die oberhalb des Textes dargestellt werden, ergänzt.

Auf der bei Aufruf von http://www..com erscheinenden Webseite findet sich auch ein Link mit der Bezeichnung "Video", der auf die Subdomain http://video..com verweist. Die dadurch aufrufbare Webseite entspricht im Design dem übrigen Webauftritt und weist dieselben allgemeinen Navigationselemente (insbesondere Kopf-, Fußzeile und Hauptmenü) auf. Auf ihr können - auch unter Zuhilfenahme eines Suchkatalogs - insgesamt mehr als 300 Videos abgerufen werden. Bei den bereitgestellten Videos handelt es sich um redaktionell gestaltete Berichte verschiedener Länge (etwa 30 Sekunden bis mehrere Minuten), zB über lokale Ereignisse und Veranstaltungen, Sportberichte, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, oder um redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Es sind dies einerseits die auch bei den Textbeiträgen in anderen Bereichen der Website der Beschwerdeführerin präsentierten Videos, aber auch solche, die keinen unmittelbaren Bezug zu Textbeiträgen haben.

2. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 stellte die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) fest, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Webauftritts http://www..com mit der Subdomain http://video..com/ ("Video") einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf im Sinne des § 2 Z 4 iVm Z 3 AMD-G veranstalte, welcher der Anzeigepflicht gemäß § 9 Abs 1 AMD-G unterliege.

Hingegen würde mit dem übrigen Internetauftritt unter http://www..com kein audiovisueller Mediendienst gemäß § 2 Z 3 und 4 AMD-G veranstaltet und bestehe daher insofern keine Verpflichtung zur Anzeige nach § 9 Abs 1 AMD-G.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, ein audiovisueller Mediendienst müsse eine Dienstleistung im Sinne der Art 56 und 57 AEUV sein, die von einem Mediendiensteanbieter unter dessen redaktioneller Verantwortung mit dem Hauptzweck der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze erbracht werde. Diese Voraussetzungen seien im gegenständlichen Fall erfüllt. Es sei - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - nicht ersichtlich, warum die im Rahmen eines Katalogs angebotenen, in sich geschlossenen Beiträge mit bewegten Bildern und Ton keine "Sendungen" sein sollten. Die Inhalte würden der Information, Unterhaltung oder Bildung dienen und seien in Form und Inhalt dem, was auch im Fernsehen angeboten werde, ähnlich. Nicht nur, dass sie auch auf das gleiche Publikum wie Fernsehsendungen ausgerichtet seien, seien Sportberichte in Art 1 Abs 1 lit b der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) ausdrücklich genannt. Da auch die anderen genannten Inhalte mit denen in der - demonstrativen - Aufzählung von Sendungen in Art 1 Abs 1 lit b AMD-RL vergleichbar seien, stehe fest, dass es sich bei den genannten audiovisuellen Inhalten um "Sendungen" handle. Zum Hauptzweck der Bereitstellung von Sendungen führte die KommAustria aus, es komme nicht auf das gesamte Leistungsspektrum eines Dienstanbieters an. Entscheidend sei, ob das audiovisuelle Angebot eine eigenständige Funktion erfülle und nicht nur eine Begleitung oder Ergänzung zu einem Textangebot darstelle. Dies sei insoweit, als auf der Webseite http://www..com außerhalb des Bereichs "Video" einzelne Textbeiträge gelegentlich durch audiovisuelle Inhalte ergänzt würden, zu verneinen. Soweit jedoch im Bereich "Video" ein Katalog von Sendungen im Sinne des § 2 Z 30 AMD-G zum Abruf bereitgestellt werde, handle es sich um ein eigenständiges Angebot, dessen Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung sei, der unabhängig vom Rest des Webauftritts nutzbar sei und der auch ohne die Einbettung in den Gesamtwebauftritt http://www..com in dieser Form angeboten werden könnte.

3. Gegen die mit dem Bescheid der KommAustria erfolgte Qualifikation ihrer Subdomain http://video..com/ als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Bundeskommunikationssenat, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 2 Z 3 und 4 sowie § 9 Abs 1 und 7 AMD-G abgewiesen wurde.

In der Begründung der Entscheidung schloss sich der Bundeskommunikationssenat der rechtlichen Beurteilung der KommAustria an. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum den einzelnen über die Webseite der Beschwerdeführerin abrufbaren Videos die fernsehähnliche Gestaltung abzusprechen wäre. Vielmehr sei bei den Videos in Inhalt und Gestaltung überhaupt kein Unterschied zu herkömmlichen - auch in linearen Fernsehsendern ausgestrahlten - Chronik-, Kultur-, Politik-, Wirtschaft-, Freizeit-, Film- oder Sportsendungen zu erkennen. Die gesetzlichen Regelungen würden auch keine zeitliche Mindestgrenze für die Dauer einer Sendung festlegen, sodass auch in diesem Hinblick kein Argument für den Standpunkt der Beschwerdeführerin gewonnen werden könne. Ferner liege auch das Kriterium des Hauptzwecks vor, zumal die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt habe, dass es sich bei der betreffenden Subdomain gerade nicht um eine bloße "audiovisuelle Nebenerscheinung" handle. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin diese als redaktionell gestaltete Berichte unterschiedlicher Länge zu unterschiedlichsten Bereichen bezeichnet. Die Beiträge seien Bestandteil einer ausschließlich audiovisuellen Inhalten vorbehaltenen eigenständigen Subdomain, die ein auch ohne jeglichen Textbeitrag konsumierbares Angebot darstelle. Die Aufmachung und der Inhalt der auf der betreffenden Subdomain abrufbaren Beiträge würden die von der KommAustria vorgenommene Wertung, dass diese keine bloß dienende oder untergeordnete Funktion im Sinne einer Veranschaulichung eines bestimmten Textes ausüben würden, bestätigen. Der im Bereich "Video" bereitgestellte Katalog von Sendungen stelle ein vom übrigen Angebot im Rahmen des Webauftritts http://www..com getrenntes und daher auch getrennt zu beurteilendes eigenständiges Angebot dar, das als audiovisueller Mediendienst auf Abruf einer Regulierung unterliege.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Darin bestreitet die Beschwerdeführerin erneut, dass die unter der Subdomain http://www..com angebotenen Leistungen als audiovisueller Mediendienst auf Abruf einzustufen seien.

Im Einzelnen bringt sie vor, der Hauptzweck der angebotenen Dienstleistung sei nicht die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung. Die unter der Rubrik "Video" abrufbaren audiovisuellen Inhalte (Kurzvideos) seien lediglich eine untergeordnete Ergänzung des nicht auf die Veranstaltung eines audiovisuellen Mediendienstes ausgerichteten Internetauftrittes der Beschwerdeführerin. Ihnen komme - unter Bedachtnahme auf das Gesamtangebot der Online-Tageszeitung - keine eigenständige Bedeutung zu. Im Übrigen setze die Qualifikation des Angebots als audiovisueller Mediendienst auf Abruf voraus, dass es in Form und Inhalten mit Fernsehsendungen vergleichbar sei. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn das Angebot in seiner Wirkung massenattraktiven Sendungen zumindest nahekäme oder diese substituieren könne. Die von der Beschwerdeführerin bereitgestellten Kurzvideos würden diese Voraussetzung nicht erfüllen und könnten daher nicht als fernsehähnlich eingestuft werden.

5. Mit Beschluss vom 26. Juni 2014, 2013/03/0012, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung der AVMD-Richtlinie zur Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV vor, über die das Urteil des EuGH vom 21. Oktober 2015, C-347/14 , erging (vgl dazu im Folgenden Punkt III.3.).

II. Rechtslage:

1. Die §§ 2 und 9 des Audiovisuellen Mediendienste-Gesetzes, BGBl I Nr 84/2011 (AMD-G), lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes ist:

  1. 1. (bis) 2. (...)
  2. 3. audiovisueller Mediendienst: eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters, deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze (§ 3 Z 11 TKG 2003) ist. Darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf;

    4. audiovisueller Mediendienst auf Abruf: ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (Abrufdienst);

    (...)

    30. Sendung: ein einzelner, in sich geschlossener Teil eine(s) Fernsehprogramms oder eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf, der aus einer Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton besteht und Bestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist;

    (...)

    Anzeigepflichtige Dienste

§ 9. (1) Fernsehveranstalter, soweit sie nicht einer Zulassungspflicht nach § 3 Abs. 1 unterliegen, sowie Anbieter von Mediendiensten auf Abruf, haben ihre Tätigkeit spätestens zwei Wochen vor Aufnahme der Regulierungsbehörde anzuzeigen."

2. Im Beschwerdefall ist die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl L 95 vom 15. April 2010, Seite 1 (im Folgenden: AVMD-Richtlinie) maßgebend. Von Bedeutung ist - neben den Erwägungsgründen 11, 12, 21, 22, 24, 28 und 69 - der Art 1 AVMD-Richtlinie.

Diese Bestimmungen haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"(11) Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die Rechtssicherheit zu verbessern, zur Vollendung des Binnenmarkts beizutragen und die Entstehung eines einheitlichen Informationsraums zu erleichtern, ist es notwendig, auf alle audiovisuellen Mediendienste - sowohl Fernsehprogramme (d. h. lineare audiovisuelle Mediendienste) als auch audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (d. h. nichtlineare audiovisuelle Mediendienste) - zumindest bestimmte gemeinsame Grundvorschriften anzuwenden.

(12) Die Kommission hat am 15. Dezember 2003 eine Mitteilung über die Zukunft der europäischen Regulierungspolitik im audiovisuellen Bereich angenommen, in der sie betont, dass die Regulierungspolitik in diesem Sektor jetzt und auch in Zukunft bestimmte Interessen der Allgemeinheit wie kulturelle Vielfalt, Recht auf Information, Medienpluralismus, Jugendschutz und Verbraucherschutz wahren sowie Bewusstseinsbildung und Medienkompetenz der Allgemeinheit fördern muss.

(...)

(21) Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff der audiovisuellen Mediendienste lediglich die entweder als Fernsehprogramm oder auf Abruf bereitgestellten audiovisuellen Mediendienste erfassen, bei denen es sich um Massenmedien handelt, das heißt, die für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser eine deutliche Wirkung entfalten könnten. Er sollte nur Dienstleistungen im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfassen, also alle Arten wirtschaftlicher Tätigkeiten, auch die öffentlichrechtlicher Unternehmen, sich jedoch nicht auf vorwiegend nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erstrecken, die nicht mit Fernsehsendungen im Wettbewerb stehen, wie z.B. private Internetseiten und Dienste zur Bereitstellung oder Verbreitung audiovisueller Inhalte, die von privaten Nutzern für Zwecke der gemeinsamen Nutzung und des Austauschs innerhalb von Interessengemeinschaften erstellt werden.

(22) Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff der audiovisuellen Mediendienste die Massenmedien in ihrer informierenden, unterhaltenden und die breite Öffentlichkeit bildenden Funktion erfassen, einschließlich der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation, aber alle Formen privater Korrespondenz, z.B. an eine begrenzte Anzahl von Empfängern versandte elektronische Post, ausschließen. Die Begriffsbestimmung sollte alle Dienste ausschließen, deren Hauptzweck nicht die Bereitstellung von Programmen ist, d. h. bei denen audiovisuelle Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck der Dienste sind. Dazu zählen beispielsweise Internetseiten, die lediglich zu Ergänzungszwecken audiovisuelle Elemente enthalten, z.B. animierte grafische Elemente, kurze Werbespots oder Informationen über ein Produkt oder nichtaudiovisuelle Dienste. Aus diesen Gründen sollten ferner folgende Dienste von dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein: Glücksspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz, einschließlich Lotterien, Wetten und andere Gewinnspiele, sowie Online-Spiele und Suchmaschinen, jedoch nicht Sendungen mit Gewinnspielen oder Glücksspielen.

(...)

(24) Ein typisches Merkmal der Abrufdienste ist, dass sie 'fernsehähnlich' sind, d.h. dass sie auf das gleiche Publikum wie Fernsehsendungen ausgerichtet sind und der Nutzer aufgrund der Art und Weise des Zugangs zu diesen Diensten vernünftigerweise einen Regelungsschutz im Rahmen dieser Richtlinie erwarten kann. Angesichts dieser Tatsache sollte zur Vermeidung von Diskrepanzen bei der Dienstleistungsfreiheit und beim Wettbewerb der Begriff 'Sendung' unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf dem Gebiet der Fernsehsendungen dynamisch ausgelegt werden.

(...)

(28) Elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

(...)

(69) Audiovisuelle Mediendienste auf Abruf besitzen das Potenzial, Fernsehprogramme teilweise zu ersetzen. Sie sollten daher im Rahmen des praktisch Durchführbaren die Produktion und Verbreitung europäischer Werke vorantreiben und damit einen aktiven Beitrag zur Förderung der kulturellen Vielfalt leisten. (...)

KAPITEL I

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Artikel 1

(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

  1. a) 'audiovisueller Mediendienst'
  2. i) eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes,

    ii) die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation;

    b) 'Sendung' eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind. Beispiele für Sendungen sind unter anderem Spielfilme, Sportberichte, Fernsehkomödien, Dokumentarfilme, Kindersendungen und Originalfernsehspiele;

  1. c) (bis) f) (...)
  2. g) 'audiovisueller Mediendienst auf Abruf' (d. h. ein nichtlinearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird; (...)"

    III. Erwägungen:

    1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

    2. Im vorliegenden Verfahren hat die KommAustria, bestätigt durch den angefochtenen Bescheid des Bundeskommunikationssenates, die Anzeigepflicht der Beschwerdeführerin nach § 9 Abs 1 AMD-G für eine von ihr unter der Subdomain http://video..com/ betriebenen Sammlung von Kurzvideos festgestellt. Gemäß § 9 Abs 1 AMD-G haben (ua) Anbieter von Mediendiensten auf Abruf ihre Tätigkeit spätestens zwei Wochen vor Aufnahme der Regulierungsbehörde anzuzeigen. Die Anzeigepflicht setzt somit voraus, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um die Anbieterin eines Mediendienstes auf Abruf handelt, was von ihr bestritten wird.

    Das AMD-G definiert den audiovisuellen Mediendienst auf Abruf als einen solchen, der von einem audiovisuellen Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (§ 2 Z 4 AMD-G). Als audiovisueller Mediendienst gilt eine Dienstleistung im Sinne des Art 56 und 57 AEUV unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters, deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze ist. Darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (§ 2 Z 3 AMD-G).

    Bei diesen Begriffsdefinitionen orientierte sich der Gesetzgeber - wie er in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausdrücklich betonte - "strikt an den Vorgaben der Mediendiensterichtlinie" (611 BlgNR 24. GP , 8), sodass für das Begriffsverständnis auf die einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts, insbesondere auf Art 1 AVMD-Richtlinie Bedacht genommen werden muss.

    3. Dementsprechend legte der Verwaltungsgerichtshof dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, in denen es im Wesentlichen um die Auslegung jener Begriffe in Art 1 der AVMD-Richtlinie ging, die für die Beurteilung des vorliegenden Angebots als audiovisueller Mediendienst auf Abruf entscheidend sind.

    Mit Urteil vom 21. Oktober 2015, C-347/14 , New Media Online GmbH, EU:C:2015:709, erkannte der EuGH in dem im vorliegenden Verfahren angestrengten Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung des einschlägigen Unionsrechts wie folgt:

    Der Begriff "Sendung" im Sinne von Art 1 Abs 1 lit b der AVMD-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst.

    Art 1 Abs 1 lit a Z i der AVMD-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der betreffenden Website eigenständig und nicht nur eine - insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen - unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung sei Sache des vorlegenden Gerichts.

    Im Einzelnen führte der EuGH aus, die Einordnung von einzelnen Videos als "Sendung" im Sinne von Art 1 Abs 1 lit b AVMD-Richtlinie erfordere nicht, dass die komplette Kurzvideosammlung mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog vergleichbar sei, sondern es sei nur eine Vergleichbarkeit von Videosequenzen wie den in Rede stehenden mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen notwendig (RNr 19). Es schade auch nicht, dass sie von kurzer Dauer seien, weil das Fernsehprogrammangebot neben Programmen von langer und mittlerer Dauer auch Programme kurzer Dauer enthalte (RNr 20). Die im vorliegenden Verfahren fraglichen Videos würden sich wie ein Fernsehprogramm an ein Massenpublikum richten und könnten bei diesem im Sinne des 21. Erwägungsgrundes der AVMD-Richtlinie eine deutliche Wirkung entfalten (RNr 21). Ein Teil davon werde von einem regionalen Fernsehsender produziert und trete in Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten. Dies gelte auch für die kurzen Videos, die sich nicht auf das lokale Tagesgeschehen, sondern auf Kultur- oder Sportveranstaltungen oder auf Unterhaltungsreportagen bezögen und mit Musikkanälen, Sportkanälen sowie Unterhaltungssendungen im Wettbewerb stünden (RNr 23). Die AVMD-Richtlinie ziele nach ihren Erwägungsgründen 11, 21 und 24 darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richteten, die gleichen Regeln gälten und verhindert werde, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf, wie die im vorliegenden Verfahren fragliche Videosammlung, dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben könnten (RNr 22). Demensprechend sei auch die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung vom Begriff der "Sendung" iSd Art 1 Abs 1 lit b AVMD-Richtlinie umfasst (RNr 24).

    Im Übrigen dürfe der 28. Erwägungsgrund der AVMD-Richtlinie nicht so verstanden werden, dass ein audiovisueller Dienst immer und schon dann vom Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie ausgeschlossen sei, wenn der Betreiber einer Webseite, zu der dieser Dienst gehöre, eine Online-Zeitung verlege. Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Webseite die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfülle, verliere diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Webseite einer Zeitung aus zugänglich sei oder in deren Rahmen angeboten werde (RNr 28). Entscheidend sei ein materieller Ansatz, der entsprechend dem Wortlaut des Art 1 Abs 1 lit a Z i der AVMD-Richtlinie darin bestehe, zu prüfen, ob der betreffende Dienst als solcher und unabhängig von dem Rahmen, in dem er angeboten werde, den Hauptzweck habe, eine Sendung zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit bereitzustellen (RNr 33).

    Im vorliegenden Verfahren sei es Sache des Verwaltungsgerichtshofes, zu prüfen, ob der in der Subdomain Video angebotene Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber den Presseartikeln des Verlegers der Online-Zeitung eigenständig sei. Wenn dies der Fall sei, falle der Dienst in den Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie. Wenn der Dienst dagegen insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen untrennbar mit der journalistischen Tätigkeit dieses Verlegers verknüpft sei, falle er nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie (RNr 34). Bei dieser Prüfung könne nicht maßgebend sein, ob das fragliche audiovisuelle Angebot im Hauptbereich der betreffenden Webseite oder in einer ihrer Subdomains präsentiert werde (RNr 35).

    Abschließend hielt der EuGH fest, dass nach den Ausführungen im Vorabentscheidungsersuchen und nach den übermittelten Akten fallbezogen offenbar nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt seien. Die Mehrheit dieser Videos sei unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprächen dafür, dass der im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin eigenständig und damit ein Dienst sei, der sich von den übrigen von ihr angebotenen Diensten unterscheide. Diese Beurteilung sei aber letztlich Sache des Verwaltungsgerichtshofes (RNr 36).

    4. Ausgehend von diesen Erwägungen zum einschlägigen Unionsrecht erweist sich die Einschätzung der Regulierungsbehörden, das gegenständliche Angebot der Beschwerdeführerin unter der von ihr betriebenen Subdomain http://video..com/ sei ein anzeigepflichtiger Mediendienst auf Abruf, als zutreffend. Anders als die Beschwerdeführerin vermeint, ist der in dieser Subdomain angebotene Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber den Presseartikeln des Verlegers der Online-Zeitung eigenständig und ist mit der journalistischen Tätigkeit nicht (mehr) verknüpft. Wie der EuGH in seinen abschließenden Bemerkungen bereits zutreffend andeutete, gibt es nach den - unstrittigen - Sachverhaltsfeststellungen der Behörden keinen Hinweis dafür, dass die angebotenen Videos mit den Presseartikeln, denen sie ursprünglich (allerdings nur teilweise) zugeordnet waren, verlinkt wären. Die Mehrheit der Videos ist vielmehr unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Ein untrennbarer Zusammenhang der Videos zur journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung, wie ihn der EuGH im zitierten Urteil für die Ausnahme vom Anwendungsbereich der AVMD-Richtlinie verlangt, besteht somit im vorliegenden Fall nicht. Der in Rede stehende Dienst ist daher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin eigenständig. Er entspricht auch sonst allen Kriterien, die im Urteil des EuGH zur Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf angeführt wurden. Insbesondere kann er entgegen der Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin als in Form und Inhalt mit Fernsehsendungen vergleichbar angesehen werden, weil derartige Sequenzen auch in Fernsehprogrammen enthalten sind und sich wie ein Fernsehprogramm an ein Massenpublikum richten und bei diesem im Sinne des 21. Erwägungsgrundes der AVMD-Richtlinie eine deutliche Wirkung entfalten können (vgl dazu nochmals die Ausführungen des EuGH in den RNr 19 bis 24 seines Urteils).

    5. Der Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

    Wien, am 16. Dezember 2015

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