VwGH 2014/12/0006

VwGH2014/12/000618.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Beschwerde der MMag. B S in W, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 15. Juli 2013, Zl. BMJ-V573.30/0001-III 2/2013, betreffend Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung nach Verbesserung des Vorrückungsstichtages, zu Recht erkannt:

Normen

32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf;
62008CJ0088 Hütter VORAB;
62013CJ0530 Schmitzer VORAB;
EURallg;
GehG 1956 §175 Abs79 Z2 idF 2015/I/032;
GehG 1956 §175 Abs79 Z3 idF 2015/I/032;
GehG 1956 §7a idF 2012/I/120;
GehG 1956 §8 idF 2010/I/082;
RStDG §190 Abs3 idF 2010/I/082;
SchOG 1962 §37 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf;
62008CJ0088 Hütter VORAB;
62013CJ0530 Schmitzer VORAB;
EURallg;
GehG 1956 §175 Abs79 Z2 idF 2015/I/032;
GehG 1956 §175 Abs79 Z3 idF 2015/I/032;
GehG 1956 §7a idF 2012/I/120;
GehG 1956 §8 idF 2010/I/082;
RStDG §190 Abs3 idF 2010/I/082;
SchOG 1962 §37 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf den in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 13. November 2013, Zl. 2013/12/0163, verwiesen, mit dem das die Beschwerdeführerin betreffende Verfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss vom 16. September 2013, Zl. EU 2013/0005 (vormals Zl. 2013/12/0076), vorgelegten Fragen ausgesetzt wurde.

In seinem Urteil vom 11. November 2014, C 530/13 - Schmitzer, beantwortete der Gerichtshof die mit Beschluss vom 16. September 2013 vorgelegte erste, zweite und dritte Frage wie folgt:

"1. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach zur Beendigung einer Diskriminierung wegen des Alters Schulzeiten und Zeiten der Berufserfahrung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, berücksichtigt werden, aber für die von dieser Diskriminierung betroffenen Beamten zugleich eine Verlängerung des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe erforderlichen Zeitraums um drei Jahre eingeführt wird.

2. Die Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass ein Beamter, der durch die Art der Festsetzung seines Vorrückungsstichtags eine Diskriminierung wegen des Alters erlitten hat, die Möglichkeit haben muss, unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 die diskriminierenden Wirkungen der Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten, auch wenn dieser Stichtag auf seinen Antrag hin neu festgesetzt wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 79 Abs. 11 Z. 3 zweiter Satz VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängige Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf dieses Tages geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass durch die mit Bescheid vom 23. Jänner 2013 verfügte Verbesserung des Vorrückungsstichtages in der besoldungsrechtlichen Stellung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 GehG iVm § 190 Abs. 3 RStDG keine Änderung eintrete. Es gebühre ihr daher unverändert seit 1. Juli 2010 das Gehalt der Gehaltsgruppe St 1, Gehaltsstufe 2, mit nächster Vorrückung am 1. Juli 2014.

Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde § 8 GehG und § 190 Abs. 3 RStDG "idgF" anwendete.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides standen diese Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 - soweit im Beschwerdefall von Relevanz - mit folgendem Wortlaut in Geltung:

"Vorrückung

§ 8. (1) Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag maßgebend. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, beträgt der für die Vorrückung in die zweite in jeder Verwendungsgruppe in Betracht kommende Gehaltsstufe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre.

(2) Die Vorrückung findet an dem auf die Vollendung des zwei- oder fünfjährigen Zeitraumes folgenden 1. Jänner oder 1. Juli statt (Vorrückungstermin), sofern sie nicht an diesem Tag aufgeschoben oder gehemmt ist. ..."

"Gehalt des Staatsanwaltes

§ 190. (1) Das Gehalt des Staatsanwaltes wird durch die Gehaltsgruppe und in ihr durch die Gehaltsstufe bestimmt.

...

(3) Die Gehaltsstufe und der Vorrückungstermin bestimmen sich nach der für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebenden Dienstzeit; die Gehaltsstufe 2 fällt nach einer gemäß § 8 Abs. 2 GehG gerundeten Dienstzeit von elf Jahren an. Für die weiteren Vorrückungen ist § 8 Abs. 1 und 2 GehG mit der Maßgabe anzuwenden, dass anstelle eines zweijährigen Zeitraumes ein vierjähriger Zeitraum erforderlich ist.

..."

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 sollten - so die ErläutRV zu dieser Novelle, 781 BlgNR XXIV. GP 1in ihrem Vorblatt - die Bestimmungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten an die durch das Urteil des EuGH vom 18. Juni 2009, C-88/08 - Hütter, konkretisierten Anforderungen des Gemeinschaftsrechts angepasst werden. Um zu gewährleisten, dass die für die einzelnen Bediensteten maßgebliche besoldungsrechtliche Stellung nicht verändert wird, würden - so die zitierten ErläutRV in ihrem Allgemeinen Teil, aaO 2 - die für die einzelnen Verwendungsgruppen maßgeblichen Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert, indem die Dauer des für die Vorrückung von der jeweils ersten und jeweils zweiten Gehaltsstufe erforderlichen Zeitraumes von zwei auf fünf Jahre angehoben wird.

Mit § 7a des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, eingefügt durch die Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 120, bekräftigte der Gesetzgeber, dass u.a. durch § 8 dieses Bundesgesetzes die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 für den Bereich der Vorrückung im Bundesdienstverhältnis in österreichisches Recht umgesetzt werde.

Die dort wiedergegebene Rechtslage war die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 15. Juli 2013 maßgebliche. Sie bildet - jedenfalls insoweit der Verwaltungsgerichtshof von seiner Befugnis in der Sache selbst zu entscheiden nicht Gebrauch macht - den Prüfungsmaßstab für die nachprüfende Kontrolle eines bei ihm angefochtenen Bescheides. Wenn der Gesetzgeber zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof das Gesetz rückwirkend ändert, hat dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtlich zu bleiben (vgl. etwa das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2014/12/0004, mwN).

Vor diesem Hintergrund spielen die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015, herausgegeben am 11. Februar 2015, getroffenen Neuregelungen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Bescheides im Rahmen der hier durchzuführenden nachprüfenden Kontrolle keine Rolle. An diesem Ergebnis ändert auch die Übergangsbestimmung des § 175 Abs. 79 Z. 2 und 3 GehG in der Fassung des zuletzt zitierten Bundesgesetzes - unbeschadet der Frage ihrer sonstigen Auslegung - schon deshalb nichts, weil das hier zu beurteilende "Verfahren" im Zeitpunkt der Herausgabe dieses Bundesgesetzes rechtskräftig abgeschlossen war und daher weder ein "laufendes" noch ein "künftiges" Verfahren im Verständnis dieser Übergangsbestimmung darstellt.

Unter Zugrundelegung der vom EuGH im zitierten Urteil vom 11. November 2014, C 530/13 - Schmitzer, erzielten Auslegung steht die durch die Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 bewirkte Verlängerung des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die zweite Gehaltsstufe (hier: der Gehaltsgruppe St 1) erforderlichen Zeitraumes um drei Jahre im Widerspruch zur genannten Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 und hat daher im Beschwerdefall bei der Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung der Beschwerdeführerin unangewendet zu bleiben, soweit sie diskriminierende Auswirkungen entfaltet.

In diesem Zusammenhang brachte die Beschwerdeführerin vor, sie erachte sich u.a. gegenüber einer "Vergleichsbeamtin" diskriminiert, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres keine "produktiven Zeiten" aufzuweisen gehabt, jedoch nach diesem Zeitpunkt ein Aufbaugymnasium gemäß § 37 Abs. 3 SchOG absolviert habe. Dem hielt die belangte Behörde lediglich entgegen, dass eine solche Beamtin auch entsprechend später (also bei gleichzeitiger Ernennung mit der Beschwerdeführerin in höherem Alter bei sonst gleicher Ausbildung und Berufserfahrung) ernannt würde. Diese Begründung ist freilich - wie schon das Urteil Hütter zeigt - nicht geeignet ein höheres Gehalt der Vergleichsbeamtin zu rechtfertigen und damit die Annahme einer Diskriminierung zu entkräften.

Da die belangte Behörde dem entgegen die besoldungsrechtliche Stellung der Beschwerdeführerin in Anwendung des § 190 Abs. 3 RStDG idF der Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 festsetzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung in Verbindung mit § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, angefügt durch die Änderung dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Februar 2015

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