VwGH 2013/22/0033

VwGH2013/22/003317.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. Jänner 2013, Zl. 163.204/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z9;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013220033.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, ihm einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu erteilen, gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 23. Jänner 2008 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Diesem Antrag sei in erster Instanz vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 19. Juni 2008 und - nach dagegen erfolgter Beschwerdeerhebung - letztlich vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. September 2010 keine Folge gegeben worden. Der Verfassungsgerichtshof habe die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 abgelehnt. Im Zuge des Asylverfahrens sei bereits (gemeint offenkundig: im Rahmen der Ausweisungsentscheidung) eine umfassende Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung als zulässig angesehen worden.

Den verfahrensgegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am 23. April 2012 eingebracht. Dieser Antrag sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer seit mehr als vier Jahren im Bundesgebiet aufhältig wäre. Er würde eine "harmonische Liebesbeziehung mit einer slowakisch - stämmigen Freundin" führen. Seiner Arbeitswilligkeit wäre dadurch Ausdruck verliehen, dass er das "Straßenmagazin M" verkaufen würde. Zu seinen Deutschkenntnissen habe der Beschwerdeführer ausgeführt, sich zum Besuch eines Deutschkurses angemeldet zu haben und die Deutschprüfung der Niveaustufe A2 absolvieren zu wollen.

Bereits die Behörde erster Instanz habe die Notwendigkeit erkannt, den Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK einer umfassenden inhaltlichen Prüfung unterziehen zu müssen. Eine solche Neubeurteilung bedeute aber nicht, dass ein Aufenthaltstitel zwangsläufig zu erteilen wäre. Vielmehr sei nach "neuerlicher negativer Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK" mit einer Abweisung des Antrages vorzugehen.

Im Rahmen der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung stellte sie zunächst auf den seit dem Jahr 2008 dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ab. Jedoch - so die belangte Behörde in ihrer Beurteilung weiter - habe sich sein Aufenthalt vorerst lediglich auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen gestützt. Dass dieses Aufenthaltsrecht nicht von Dauer habe sein können, habe dem Beschwerdeführer bewusst sein müssen. Weiters liege seit 1. September 2010 eine rechtskräftige Ausweisung vor. Ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebenspartnerin bestehe nicht. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2012 zwar ausgeführt, auf der Suche nach einer gemeinsamen Wohnung zu sein und es wäre in weiterer Folge die Eheschließung geplant. Dazu sei allerdings festzuhalten, dass die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers in der Zeit zwischen Erstattung dieser Stellungnahme und dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits "zweimal verzogen" sei. Ein gemeinsamer Wohnsitz sei dennoch nicht begründet worden. Es könne somit eine schützenswerte Lebenspartnerschaft nicht erkannt werden. Sämtliche Familienangehörigen des Beschwerdeführers befänden sich in Nigeria. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht.

Nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet sei zum Ergebnis zu gelangen, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwöge. Es bestünden weder familiäre noch intensive berufliche Bindungen im österreichischen Bundesgebiet. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers sei lediglich vorübergehend nach asylrechtlichen Bestimmungen rechtmäßig gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (22. Jänner 2013) nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 50/2012 richtet.

§ 11 Abs. 3 und § 43 Abs. 3 NAG (jeweils samt Überschrift) lauten:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. …

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

    9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

    'Niederlassungsbewilligung'

§ 43. …

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

(4) ..."

Zu der Voraussetzung des § 43 Abs. 3 Z 2 iVm § 11 Abs. 3 NAG verweist der Beschwerdeführer - den Ausführungen im angefochtenen Bescheid zufolge: wie bereits im Verwaltungsverfahren - auf seinen seit Jänner 2008 durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet, seine "intensive Nahebeziehung" zu seiner Lebensgefährtin, seine Selbsterhaltungsfähigkeit, die er als Verkäufer der Zeitung "M" unter Beweis gestellt habe, sowie auf Kenntnisse der deutschen Sprache.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist aber nicht zu erkennen, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet wäre.

Es ist - worauf der Sache nach auch die belangte Behörde abgestellt hat - festzuhalten, dass der Beschwerdeführer einen unberechtigten Asylantrag gestellt und durch seinen Verbleib in Österreich trotz Abweisung seines Asylbegehrens und trotz Erlassung einer Ausweisung den geltenden Einwanderungsbestimmungen zuwidergehandelt hat. Sein Verhalten stellt somit eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. statt vieler etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 2012, Zl. 2012/22/0117).

Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse hatte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles gegen die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers abzuwägen. Die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände wurden von der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung ausreichend berücksichtigt. Dies gilt insbesondere auch für das Vorbringen zum Bestehen einer Lebensgemeinschaft. Die belangte Behörde durfte in ihre Beurteilung einbeziehen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebenspartnerin bis zuletzt ein gemeinsamer Haushalt nicht begründet wurde, was auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird. Selbst unter Berücksichtigung des Vorhandenseins von Kenntnissen der deutschen Sprache "auf dem Niveau A1.2." sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände aber insgesamt nicht von einem solchen Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.

Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, durfte die belangte Behörde im Sinn des § 11 Abs. 3 Z 8 NAG auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Dies gilt umso mehr für die Zeit ab Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Ausweisung. Dass die Dauer des Asylverfahrens dem Beschwerdeführer nicht habe angelastet werden können, ändert an dieser Beurteilung nichts. Im Übrigen ist nicht zu sehen, dass das Asylverfahren von überlanger Dauer iSd § 11 Abs. 3 Z 9 NAG geprägt gewesen wäre.

Zusammenfassend ist es somit insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, es sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht geboten, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. April 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte