VwGH 2013/16/0011

VwGH2013/16/001128.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über den Antrag der G AG in W, vertreten durch die Klemm Rechtsanwalts-GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 3, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Beschluss vom 7. November 2012, Zl. 2012/16/0198-2, gesetzten Frist zur Verbesserung der Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung vom 7. November 2012 hatte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, ihre vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 20. September 2012, B 729/12, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene, zur Zl. 2012/16/0198 protokollierte Beschwerde zur Behebung näher bezeichneter Mängel zu ergänzen. Darnach war der ergänzende Schriftsatz binnen Frist in dreifacher Ausfertigung vorzulegen; die Versäumung dieser Frist galt der Verfügung vom 7. November 2012 zufolge als Zurückziehung der Beschwerde.

Der als "Ergänzung der VfGH-Beschwerde vom 18.6.2012 (Mängelbehebung)" bezeichnete Schriftsatz vom 23. November 2012 wurde - binnen Frist - nur zweifach eingebracht und weist in seinem Rubrum rechts unten den Vermerk

"zweifach

Kopie des Bescheids

Original Zahlschein"

auf.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG ein, weil die Beschwerdeführerin der an sie ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung durch Vorlage des Schriftsatzes zur Verbesserung in nur zweifacher Ausfertigung nicht voll umfänglich nachgekommen sei.

In ihrem - innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses vom 13. Dezember 2012 eingebrachten - Schriftsatz begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Verfügung vom 7. November 2012 gesetzten Frist zur Mängelbehebung mit folgender Begründung:

"2. Die Beschwerdeführerin hat den Verbesserungsschriftsatz vom 23.11.2012 aufgrund eines Versehens der Sekretärin ihres Rechtsvertreters, …, in nur zweifacher Ausfertigung beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Im Einzelnen wird hierzu erläuternd dargelegt wie folgt:

2.1. Der Verbesserungsschriftsatz wurde von der Konzipientin des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin verfasst und dem Rechtsvertreter im Anschluss daran zur inhaltlichen Kontrolle vorgelegt.

2.2. Nach Durchsicht unterfertigte der Beschwerdevertreter den Schriftsatz, wobei ihm die Anmerkung im Rubrum 'zweifach' (noch) nicht aufgefallen war. Er übergab diesen seiner Sekretärin mit dem Auftrag, den Zahlschein für die Überweisung der Eingabegebühr vorzubereiten sowie die erforderliche Anzahl an Ausfertigungen zu erstellen.

2.3. Nach der Überweisung der Eingabegebühren durch den Beschwerdevertreter am 26.11.2012 übergab dieser der Sekretärin den Original Zahlschein mit dem Auftrag,

2.4. Auftragsgemäß hat die Sekretärin den Verbesserungsschriftsatz fertiggestellt und diesen dem Beschwerdevertreter in einer Dokumentenmappe samt dem dazugehörigen Akt zur abschließenden Kontrolle auf Vollständigkeit und zur Unterfertigung der Ausfertigung vorgelegt. Im Rahmen dieser Vollständigkeitsprüfung bzw. bei Unterfertigung der zweiten Ausfertigung bemerkte der Beschwerdevertreter, dass der Verbesserungsschriftsatz vom 23.11.2012 - entgegen dem hg Auftrag -

im Rubrum den Vermerk 'zweifach' enthielt und ihm die Sekretärin entsprechend nur eine weitere Ausfertigung zur Unterfertigung vorgelegt hatte.

2.5. Der Rechtsvertreter gab den Verbesserungsschriftsatz daher an die Sekretärin mit dem Auftrag zurück, den Vermerk im Rubrum dem hg Auftrag entsprechend auf 'dreifach' richtigzustellen, den Schriftsatz noch einmal in dreifacher Ausfertigung auszudrucken und ihm die korrigierte Version samt Beilagen noch einmal zur Kontrolle und Unterfertigung vorzulegen.

2.6. In der Folge legte die Sekretärin dem Beschwerdevertreter wiederum in der Dokumentenmappe einen korrigierten Schriftsatz mit dem Vermerk 'dreifach' im Rubrum und entsprechender Anzahl an Ausfertigungen und Beilagen vor, wobei der Original-Zahlschein in einer eigenen Ablageseite der Dokumentenmappe abgelegt war. Der 'alte' Schriftsatz in zweifacher Ausfertigung befand sich noch auf einer der folgenden Ablageseiten der Dokumentenmappe, wo auch der dazugehörige Akt eingeordnet war.

Der Beschwerdevertreter hat den verbesserten Schriftsatz sowie die drei Ausfertigungen sogleich unterfertigt, die Anzahl der (nunmehr drei) Ausfertigungen und die Beilagen kontrolliert und die Sekretärin mit der Kuvertierung und dem Absenden des Schriftsatzes beauftragt. Die Sekretärin nahm den korrigierten unterfertigten Verbesserungsschriftsatz in der Unterschriftenmappe wieder mit und deponierte die Mappe zur späteren Kuvertierung des Schriftsatzes auf ihrem Arbeitsplatz.

2.7. Wegen des bevorstehenden Jahresendes musste die Sekretärin seit ca. 20. November 2012 - aufgrund des (auch) bei den Mandanten anstehenden Jahresabschlusses - neben den sonst laufend anfallenden Agenden, sämtliche Kanzleiakten abrechnen, und auf offene Posten hin kontrollieren sowie Kurrentienlisten, mit kurzer Erläuterung des Standes der jeweiligen (Exekutions)Verfahren erstellen. Dementsprechend außergewöhnlich hoch war ihr Arbeitsaufwand sowie die Anzahl an Akten und Dokumentenmappen, die sich auf ihrem Schreibtisch befanden.

2.8. Aufgrund dieser überdurchschnittlich hohen Arbeitsbelastung sowie der unübersichtlich großen Anzahl an Akten und Dokumentenmappen auf ihrem Schreibtisch hat die Sekretärin beim späteren Kuvertieren des Verbesserungsschriftsatzes offenbar versehentlich anstelle des Verbesserungsschriftsatzes in dreifacher Ausfertigung, den 'alten' Schriftsatz, mit bloß zwei Ausfertigungen entnommen und diesen samt dem Original-Zahlschein in das Kuvert gesteckt und bei der Post aufgegeben. Den korrigierten Schriftsatz mit den angeschlossenen drei Ausfertigungen hat die Sekretärin in der Meinung, es wäre der zweifache Schriftsatz, weggeworfen.

Bescheinigungsmittel: Eidesstättige Erklärung von … (Beilage ./1)

Einvernahme von …, p. A. der Beschwerdevertreterin

3. Für die Beschwerdeführerin wie auch deren Beschwerdevertreter war dies jedenfalls ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG, welches der Beschwerdeführerin nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden zurechenbar ist. Bei der Sekretärin handelt es sich um eine sehr zuverlässige, genau arbeitende und erfahrende Sekretärin mit einer Berufspraxis von mehr als 30 Jahren, die die Postabfertigung immer gewissenhaft und fehlerfrei erledigt hat. Die Verwechslung der Schriftsätze beim Kuvertieren war ganz offenbar auf die außerordentlichen Arbeitsbelastung durch die Vorbereitung der Jahresabschlüsse und der dadurch bedingten unübersichtlich großen Anzahl an Akten und Dokumentenmappen auf ihrem Schreibtisch zurückzuführen.

4. Der Beschwerdevertreter selbst ist der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seiner Kanzleikraft vollständig nachgekommen, indem er sich ausnahmslos sämtliche Schriftsätze, wie auch den verfahrensgegenständlichen Verbesserungsschriftsatz, vor dessen Postaufgabe durch die Sekretärin noch einmal zur Überprüfung auf Vollständigkeit hinsichtlich Ausfertigungen und Beilagen hat vorlegen lassen. Der Beschwerdevertreter konnte nach Übergabe des kontrollierten und unterfertigten verbesserten Schriftsatzes an die Sekretärin ohne weitere Kontrolle auf das richtige Kuvertieren und die ordnungsgemäße Postaufgabe vertrauen."

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist u.a. eine "Eidesstättige Erklärung" der Sekretärin des Beschwerdevertreters angeschlossen, in der sie im Wesentlichen das Vorbringen des Antrages bestätigt.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Ein Parteienvertreter entspricht seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze - einschließlich der Vermerke in den Rubriken - unterfertigt, die eine unrichtige oder unvollständige Anweisung an die Kanzlei zum Ausdruck bringen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass seine Kanzleikraft in Befolgung der im Vermerk zum Ausdruck gebrachten Anweisung diesen Schriftsatz einbringt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 5. April 2011, Zl. 2011/16/0044, mwN).

Unterfertigt ein Parteienvertreter einen Schriftsatz zur aufgetragenen Verbesserung einer Beschwerde, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Schriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind. Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerks auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines unrichtigen schriftlichen Vermerks reicht auch aus dem Grund der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. den hg. Beschluss vom 28. Mai 2009, Zl. 2009/16/0043).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in dem Beilagenvermerk angeführt sind (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Februar 2010, Zl. 2010/16/0022, mwN).

Unter Zugrundelegung dessen ist dem Beschwerdevertreter vorerst anzulasten, dass er, nachdem er behaupteter Maßen bemerkt hatte, dass der Verbesserungsschriftsatz entgegen der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 2012 lediglich zweifach ausgefertigt und von ihm unterfertigt worden war, seiner Sekretärin die zwei von ihm unterfertigten Ausfertigungen des Verbesserungsschriftsatzes mit dem Vermerk "zweifach" mit dem - offenbar nur mündlich erteilten - Auftrag zurückgab, den Schriftsatz mit einem korrigierten Vermerk über die Zahl der Ausfertigungen in dreifacher Ausfertigung auszudrucken und ihm nochmals vorzulegen, ohne durch geeignete Maßnahme - etwa durch Durchstreichen zumindest der ersten Seite der Schriftsätze, Unkenntlichmachung seiner Unterschriften oder teilweise oder gänzliche Vernichtung der unterfertigten Schriftsätze - die weitere Verwendung der nur zweifach ausgefertigten und von ihm unterfertigten Schriftsätze mit hinlänglicher Sicherheit auszuschließen.

Schließlich ist dem Beschwerdevertreter auch anzulasten, dass, mag er auch nach Unterfertigung des dreifach ausgefertigten Verbesserungsschriftsatzes übersehen haben, dass in der Dokumentenmappe u.a. auch der von ihm unterfertigte, lediglich zweifach ausgefertigte Schriftsatz noch vorhanden war, der behaupteter Maßen mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitsbelastung sowie einer unübersichtlich großen Anzahl an Akten und Dokumentenmappe konfrontierten Sekretärin die Abfertigung des Verbesserungsschriftsatzes "ohne weitere Kontrolle" überließ, d.h. im vorliegenden wie auch in anderen Fällen auf die richtige Abfertigung durch die Sekretärin vertraute, ohne eine Grundlage für ein Vertrauen zumindest durch stichprobenartige Kontrollen der Abfertigungspraxis der Sekretärin zu haben.

Da das Versehen des Beschwerdevertreters den minderen Grad übersteigt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2013

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