Normen
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
EStG §9 Abs1;
EStG §9 Abs3;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
EStG §9 Abs1;
EStG §9 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Beschwerdeführerin wurde für die Jahre 2002 bis 2004 eine Außenprüfung vorgenommen. Die Außenprüfung stellte unter anderem fest, dass über Vermittlung u.a. der Beschwerdeführerin im Jahr 2002 Grundstücke von ca. 130 ha veräußert worden seien. Der zwischen der Veräußerin und der Erwerberin geschlossene Kaufvertrag habe folgende aufschiebende Bedingung beinhaltet:
"Gegenständlicher Kaufvertrag ist aufschiebend bedingt bis zum Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung; sollte diese nicht bis zum 31.12.2004 für sämtliche vertragsgegenständlichen Grundstücke erteilt sein, ist der gegenständliche Vertrag ex tunc aufgehoben."
2 Die Vermittlungsprovision für den Verkauf der Liegenschaften sei von der Beschwerdeführerin im Jahr 2002 in Rechnung gestellt und vereinnahmt worden. Im Zuge der Bilanzerstellung für das Jahr 2002 sei von der Beschwerdeführerin eine Rückstellung in Höhe von ca. 50% des in Rechnung gestellten Honorars gewinnmindernd geltend gemacht worden, weil durch die im Kaufvertrag enthaltene (vorhin angeführte) aufschiebende Bedingung eine Rückabwicklung des Rechtsgeschäftes drohe. Die aufschiebende Bedingung sei nach Ansicht der Außenprüfung jedoch mit der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu dem im Dezember 2002 zwischen der Veräußerin und der Erwerberin geschlossenen Kaufvertrages mit Februar 2004 weggefallen. Die für das Jahr 2002 gebildete Rückstellung sei daher - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach die Rückstellung frühestens im Jahr 2006 aufzulösen sei, - im Jahr 2004 gewinnerhöhend aufzulösen gewesen.
3 Das Finanzamt folgte dem Ergebnis der Außenprüfung und setzte dementsprechend die Körperschaftsteuer 2004 - nach Aufhebung des ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheids gemäß § 299 BAO - neu fest.
4 Die Beschwerdeführerin brachte gegen diesen Körperschaftsteuerbescheid Berufung ein. Dabei machte sie unter anderem geltend, dass zusätzlich zum Kaufvertrag zur Absicherung des Käufers vom Verkäufer an den Käufer am 6. Dezember 2002 ein Angebot auf Rücktritt vom Kaufvertrag bis zum 30. Juni 2007 gemacht worden sei, wenn von den kaufgegenständlichen Grundstücken von insgesamt 130 Hektar bis zum 31. Dezember 2006 nicht eine Mindestfläche von 20 Hektar rechtskräftig in Bauland umgewidmet worden sei. Wenn das Finanzamt daher lediglich auf den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides der grundverkehrsbehördlichen Bewilligung verweise, habe es verkannt, dass auch dieses Rücktrittsrecht zu berücksichtigen sei und das Grundgeschäft daher noch nicht abschließend zustande gekommen sei bzw. nach wie vor eine mögliche Rückzahlungsverpflichtung der Vermittlungsprovision bestehe. Endgültige Sicherheit über das Zustandekommen des Grundgeschäftes und in der Folge auch über den Anspruch auf eine Vermittlungsprovision bestehe daher erst am 31. Dezember 2006, falls zu diesem Zeitpunkt eine Mindestfläche von 20 Hektar umgewidmet worden sei. Falls diese Umwidmung nicht erfolgt sei, bestehe sie erst, wenn der Käufer nicht bis spätestens 30. Juni 2007 von seinem vertraglich eingeräumten Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag Gebrauch mache. Sofern der Käufer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch mache, sei das die Vermittlungsprovision auslösende Grundgeschäft nicht zustande gekommen und die Vermittlungsprovision daher zurückzuführen.
5 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend stützte sie sich auf nähere Ausführungen zum Entstehen des Provisionsanspruchs und zum Vorliegen der notwendigen Genehmigung durch die Grundverkehrskommission. Mit Eintritt der Rechtskraft des Bescheides der Grundverkehrsbezirkskommission sei der Kaufvertrag über insgesamt ca. 130 ha endgültig wirksam, wodurch eine Rückforderung der Provisionszahlungen für den Verkauf der Liegenschaften "endgültig ausgeschlossen" gewesen sei. Zum Vorbringen hinsichtlich des Rücktrittsrechts hielt die belangte Behörde lediglich fest, dass "die weitere vom Parteienvertreter angeführte Bedingung - Umwidmung von 20 ha - ... bereits im Jahr 2003 erfüllt (wurde), wie dem als Beweis aufgenommenen Schreiben (...) vom 27. Oktober 2003 zu entnehmen ist, welches der Berufungswerberin übermittelt wurde".
6 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird geltend gemacht, dass das vertraglich eingeräumte Rücktrittsrecht zu Gunsten der Käuferin von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei. Solange dieses bestanden habe, habe aber auch das Risiko bestanden, die Provision tatsächlich zurückzahlen zu müssen. Die Beschwerdeführerin habe ernsthaft damit rechnen müssen, dass die Käuferin das vertraglich eingeräumte Rücktrittsrecht auch ausübe - bis April 2007 seien lediglich 2 ha rechtskräftig in Bauland umgewidmet worden - und somit der Fall der Rückzahlungsverpflichtung eintrete. Die belangte Behörde habe dazu im angefochtenen Bescheid die notwendigen Feststellungen unterlassen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Auch ist auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sachverhaltsbezogen im Einzelnen einzugehen (vgl. beispielsweise VwGH vom 26. November 2015, 2013/15/0176, vom 22. Juli 2015, 2012/13/0044 und vom 3. August 2004, 2000/13/0039). Dabei muss sich die Abgabenbehörde mit dem im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung maßgeblichen, allenfalls geänderten (ergänzten oder eingeschränkten) Berufungsvorbringen auseinandersetzen und die für die Entscheidung notwendigen Feststellungen treffen.
9 Der angefochtene Bescheid entspricht diesen Anforderungen nicht.
10 Im gegenständlichen Fall wäre zunächst auf der Grundlage von fundierten Sachverhaltsfeststellungen über das Vermittlungsgeschäft und das vermittelte Geschäft zu klären gewesen, mit welchem Zeitpunkt (Wirtschaftsjahr) die Gewinnrealisierung aus der Vermittlung eingetreten ist (vgl dazu etwa Schmidt, EStG35, § 5 Tz 608).
11 Die Verbindlichkeitsrückstellung ist ein Gewinnkorrektiv, mit dem ein ernsthaft drohender, wirtschaftlich die Zeit vor dem Bilanzstichtag betreffender Aufwand berücksichtigt wird. Eine Verbindlichkeitsrückstellung hat gemäß § 9 Abs 3 EStG 1988 zur Voraussetzung, dass eine konkrete Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Risikofalles gegeben ist, die Verbindlichkeit also ernsthaft droht (vgl etwa VwGH vom 25. Jänner 1994, 90/14/0073). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen die mit einer Rückstellung zu berücksichtigenden Umstände zwar am Bilanzstichtag bereits vorliegen, es ist aber dabei im Sinne der "subjektiven Richtigkeit der Bilanz" stets auf den Kenntnisstand abzustellen, den der Unternehmer bei Bilanzerstellung hatte oder hätte haben müssen (vgl Hofstätter/Reichel, EStG, § 9 Tz 23, 46).
12 Erst auf der Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen kann beurteilt werden, ob bzw. in welchem Wirtschaftsjahr eine Gewinnrealisierung eingetreten ist, ob diese nach den vorstehenden Grundsätzen eines Korrektivs im Wege der Rückstellungsbildung bedurft hat und ob in einer nachfolgenden Periode (unter Beachtung des Grundsatzes der subjektiven Richtigkeit der Bilanz) die Voraussetzungen für eine gewinnerhöhende Auflösung der Rückstellung gegeben sind. Insbesondere sind auch Feststellungen darüber zu treffen, ob eine Vereinbarung getroffen worden ist, nach der ein allfälliger Vertragsrücktritt der Erwerberin eine Auswirkung auf den Provisionsanspruch der Beschwerdeführerin hat.
13 Soweit die belangte Behörde sich erstmals in der Gegenschrift inhaltlich näher mit dem Rücktrittsrecht auseinandersetzt und dabei unter anderem auch ausführt, dass auch bei Bestehen eines solchen Rücktrittsrechts nach Ergehen des Genehmigungsbescheides der Grundverkehrskommission im Jahr 2004 und angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verwirklichung der Projekte nicht mehr ernsthaft mit einer Rückabwicklung des Kaufvertrages zu rechnen gewesen sei, so ist sie darauf zu verweisen, dass die Begründung eines Bescheides aus diesem selbst hervorgehen muss und nicht durch Ausführungen in der Gegenschrift nachgeholt werden kann (vgl. beispielsweise VwGH vom 29. August 2015, 2013/17/0300 und vom 30. Jänner 2014, 2010/05/0231, mwN).
14 Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.
15 Von der Durchführung der in der Beschwerdeergänzung beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
17 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 25. Mai 2016
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