VwGH 2013/15/0202

VwGH2013/15/020221.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der L GmbH in L, vertreten durch die TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 10. Mai 2013, Zl. RV/4024- W/10, betreffend Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005 bis 2008, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §25 Abs1 Z1 litb;
EStG §47 Abs2;
EStG §25 Abs1 Z1 litb;
EStG §47 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Den Gegenstand des Beschwerdefalles bildet die Vorschreibung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag aus Vergütungen, die der nicht an der beschwerdeführenden GmbH beteiligten Geschäftsführerin in den Streitjahren 2005 bis 2008 gewährt wurden.

2 In ihrer Berufung gegen die Bescheide des Finanzamtes, mit denen nach einer Außenprüfung entsprechende Abgaben festgesetzt worden waren, brachte die beschwerdeführende GmbH u.a. vor, dass sich die Tätigkeit der betreffenden Geschäftsführerin auf die Bereiche Rechnungswesen, Finanzierung und Controlling beschränke. Dabei handle es sich exakt um jenes Aufgabengebiet, das sich mit ihrer sonstigen Tätigkeit als freiberufliche Steuerberaterin decke. Der Tätigkeit liege ein Werkvertrag zu Grunde, in dem festgehalten werde, dass "die Auftragnehmerin" die Geschäftsführungsagenden im Rahmen ihrer Berufsbefugnis als Steuerberaterin durchführe. Es liege keine Eingliederung in die Organisation der beschwerdeführenden GmbH vor. Im Pkt. II des Werkvertrages sei vereinbart, dass es der Geschäftsführerin frei stehe, die von ihr übernommenen Arbeiten in ihrem eigenen Büro oder an einem anderen Ort auszuführen, keine arbeitsbezogene Weisungsbefugnis bestehe und die "Auftragnehmerin" ihre Leistungen eigenverantwortlich und frei von persönlicher Abhängigkeit erbringe. Neben diesen werkvertraglichen Regelungen gebe es weitere - in der Berufung geschilderte - Umstände (Beteiligungsstruktur, innere Organisation), welche indizierten, dass tatsächlich keine Weisungsbindung der Geschäftsführerin vorliege.

3 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie legte in rechtlicher Hinsicht zunächst dar, die Bezeichnung der mit der Geschäftsführerin abgeschlossenen Vereinbarung als "Werkvertrag" sei ohne Entscheidungsrelevanz. Vielmehr sei zu untersuchen, ob die von der Geschäftsführerin ausgeübte Tätigkeit dem "Tatbild" des § 47 Abs. 2 EStG 1988 entspreche. Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag lasse nach Ansicht der belangten Behörde nur den Schluss zu, dass die beschwerdeführende GmbH mit der Geschäftsführerin ein - für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses typisches - Dauerschuldverhältnis eingegangen sei. An der Eingliederung der Geschäftsführerin in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin könne kein Zweifel bestehen, weil sie nach den Feststellungen des Finanzamtes im Unternehmen immer präsent und in die geschäftlichen Abläufe integriert gewesen sei.

4 Zum zweiten wesentlichen Kriterium für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, der Weisungsgebundenheit, verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1979, 2179 und 2321/76. Darin habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die sich ausschließlich aus dem Gesellschaftsrecht ergebende Weisungsgebundenheit des nicht beteiligten Geschäftsführers "dem Wesen der Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH entspricht, und der Beurteilung einer solchen Tätigkeit als Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit keineswegs entgegensteht". Im Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0081, sei der Verwaltungsgerichtshof dieser Auffassung gefolgt. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Auch im Beschwerdefall sei die Geschäftsführerin gesellschaftsrechtlich (gegenüber der Generalversammlung) weisungsgebunden, sodass die Weisungsgebundenheit iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 zu bejahen sei.

5 Selbst eine Beurteilung der Weisungsgebundenheit an Hand des schuldrechtlichen Anstellungsvertrages - wie vom Verwaltungsgerichtshof in dem zur Kommunalsteuer ergangenem Erkenntnis vom 25. Juni 2008, 2008/15/0090, vertreten - würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die Gesellschafter hätten jederzeit die Möglichkeit, die der Geschäftsführerin schuldrechtlich eingeräumte (auch persönliche) Weisungsfreiheit wieder zu entziehen. Es komme nicht darauf an, ob tatsächlich Weisungen erteilt würden (was in der Berufung verneint worden sei), sondern ausschließlich darauf, ob die Möglichkeit zur Weisungserteilung bestünde.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Beurteilung der Frage, ob eine Tätigkeit sämtliche Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweise, das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen. Eine Beurteilung der Tätigkeit des Geschäftsführers ausschließlich an Hand des schuldrechtlichen Anstellungsvertrages werde dem Erfordernis der Betrachtung des Gesamtbildes nicht gerecht. In die Gesamtbeurteilung sei auch die gesellschaftsrechtliche Bestellung einzubeziehen, was der Verwaltungsgerichtshof in dem zur Kommunalsteuer ergangenen Erkenntnis vom 25. Juni 2008 übersehen habe.

7 Überdies habe die Geschäftsführerin auch kein relevantes Unternehmerrisiko getragen. Die Geschäftsführerin sei grundsätzlich zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Eine allfällige Vertretung hätte sie der Beschwerdeführerin gegenüber namhaft machen müssen, weshalb das der Geschäftsführerin vertraglich eingeräumte Vertretungsrecht im Beschwerdefall nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses spräche. Dass eine weitere Geschäftsführerin vorhanden sei und sich die streitgegenständliche Geschäftsführerin ihre Arbeitszeit frei einteilen könne, sei für leitende Führungskräfte üblich. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

8 Die beschwerdeführende GmbH bestreitet die - für die Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag

u. a. maßgebliche - Erfüllung der in § 47 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 normierten Voraussetzungen, wonach ein Dienstverhältnis im Sinne dieser Bestimmung dann vorliege, "wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist". Die belangte Behörde habe verkannt, dass die vertragliche Ermächtigung der Geschäftsführerin zur freien Ausübung der Tätigkeit eine Weisungsgebundenheit geradezu ausschließe.

9 Die belangte Behörde hat der vereinbarten Weisungsfreiheit mit zwei Begründungsansätzen keine Relevanz beigemessen. Zum einen stünde es den Gesellschaftern jederzeit frei, der Geschäftsführerin diese Weisungsfreistellung wieder zu entziehen. Zum anderen läge jedenfalls eine gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung vor. In beiden Begründungsansätzen kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden.

10 Dass - wie die belangte Behörde meint - die Gesellschafter die vertraglich eingeräumte Weisungsfreiheit der Geschäftsführerin jederzeit wieder entziehen könnten, vermag eine in den Streitjahren bestehende Weisungsgebundenheit nicht zu begründen. Zunächst ist schon nicht zu erkennen, dass die schuldrechtliche Vereinbarung den Gesellschaftern ein einseitiges Recht auf Vertragsänderung einräumen würde. Zudem geht die belangte Behörde selbst nicht davon aus, dass in den Streitjahren ein Entzug der (persönlichen) Weisungsfreiheit erfolgt wäre. Mit der "stillen Autorität" eines Weisungsberechtigten, der keine Weisungen erteilt, ist ein vertraglicher Verzicht auf das Weisungsrecht nicht vergleichbar (vgl. VwGH vom 21. Oktober 2015, 2012/13/0088).

11 Mit der Frage der Relevanz eines ausschließlich gesellschaftsrechtlichen Weisungsrechtes hat sich der Verwaltungsgerichtshof - für den hier zu entscheidenden Fall einer an der Gesellschaft nicht beteiligten Geschäftsführerin - im Erkenntnis vom 25. Juni 2008, 2008/15/0090, auf das sich die beschwerdeführende GmbH zu Recht beruft, auseinander gesetzt. Demnach hat die steuerrechtliche Beurteilung "allein auf Grund des das Anstellungsverhältnis regelnden Anstellungsvertrages" zu erfolgen (vgl. auch VwGH vom 3. August 2004, 2000/13/0046, und vom 19. Jänner 2005, 2000/13/0162, 0165).

12 In dem Erkenntnis vom 15. Juli 1998, 97/13/0169, legte der Verwaltungsgerichtshof dar, dass die Bindung des Geschäftsführers an den Gesellschaftsvertrag und die Gesellschafterbeschlüsse eine sachliche Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers herstellt, die sich lediglich auf den Erfolg der Geschäftsführung bezieht. Maßgeblich für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber die davon zu unterscheidende persönliche Weisungsgebundenheit (vgl. VwGH vom 28. Oktober 2010, 2007/15/0177, mit weiteren Nachweisen), wenn auch das gesellschaftsrechtlich bedingte gänzliche Fehlen einer Weisungsgebundenheit grundsätzlich einem Dienstverhältnis des GmbH-Geschäftsführers - unbeschadet der Regelung des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 - entgegensteht (vgl. verstärkter Senat vom 9. Dezember 1980, 1666, 2223, 2224/79, Slg. 5535/F). Gegenteiliges ergibt sich im Anwendungsbereich des EStG 1988 auch nicht - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 2015, 2012/13/0088, dargelegt hat - aus dem von der belangten Behörde für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0081.

13 Der angefochtene Bescheid beruht somit auf einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

15 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 21. April 2016

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