Normen
61998CJ0454 Schmeink Cofreth VORAB;
UStG 1994 §11 Abs12;
UStG 1994 §11 Abs14;
UStG 1994 §16 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3;
61998CJ0454 Schmeink Cofreth VORAB;
UStG 1994 §11 Abs12;
UStG 1994 §11 Abs14;
UStG 1994 §16 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Sachverhalt und Verfahren:
1 Mit 13. Dezember 2007 reichte die Beschwerdeführerin (erstmals) eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2002 ein. Die späte Einreichung wurde damit begründet, dass aufgrund des laufenden Liquidationsverfahrens eine frühere Fertigstellung nicht möglich gewesen sei. Es wurde um rasche Veranlagung gebeten, damit die Liquidation der Gesellschaft abgeschlossen werden könne.
2 Die Veranlagung erfolgte mit Umsatzsteuerbescheid vom 20. März 2008 zunächst erklärungsgemäß, wobei ein Betrag von 1,372.300 EUR unter der Kennzahl 090 als Umsatzsteuerberichtigung ohne nähere Prüfung anerkannt wurde.
3 Mit Bescheiden vom 19. August 2008 wurde - nach einer abgabenbehördlichen Prüfung - das Umsatzsteuerverfahren 2002 wiederaufgenommen und ein geänderter Umsatzsteuerbescheid erlassen, wobei eine von der Beschwerdeführerin zu ihren Gunsten vorgenommene Umsatzsteuerberichtigung nicht anerkannt wurde. Begründend wurde auf den Prüfungsbericht, die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung und die darüber aufgenommene Niederschrift verwiesen. Demnach sei die Beschwerdeführerin auf dem Gebiet der Telekommunikation tätig und habe in verschiedenen Ländern Glasfaserleitungen errichtet. In den Jahren 1999 bis 2002 habe sie auch Glasfaserleitungen in Österreich errichtet. Die Beschwerdeführerin und die XY GmbH hätten ein terrestrisches Glasfaserkabelnetz für ganz Europa entworfen und seien im Begriff gewesen, dieses zu errichten bzw. dessen Errichtung zu veranlassen. Dabei sei ein paneuropäisches Glasfasernetz errichtet worden, welches im Wesentlichen aus in der Erde verlegten Rohren samt Nebenanlagen bestanden habe, die bei Bedarf mit Glasfaserkabeln hätten bestückt werden können. Die Glasfaserkabel seien anschließend von den Kunden für die Erbringung von Telekommunikationsleistungen verwendet worden. Die XY Gruppe sei dabei so organisiert, dass die in einem Hoheitsgebiet gelegenen Teile des Netzes jeweils von einer eigenen Gesellschaft gehalten würden.
4 Am 26. April 2001 seien mit der Beschwerdeführerin Verträge über die wechselseitige Überlassung von Rohrleitungen abgeschlossen worden. Die Beschwerdeführerin sei eine nach irischem Recht organisierte Gesellschaft, die ebenfalls in mehreren europäischen Staaten über Rohrleitungen verfügt habe. Sie sei allerdings so organisiert gewesen, dass das gesamte paneuropäische Leitungsnetz direkt von der zentralen Gesellschaft in Irland gehalten worden sei. Die mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Verträge hätten einerseits eine Rohrleitung zwischen Wien und Salzburg betroffen (diese sei von der Beschwerdeführerin der XY GmbH zur Verfügung gestellt worden), andererseits eine Rohrleitung zwischen London und Amsterdam (diese sei von XY Gesellschaften in England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden). Vertragstechnisch sei dies so dargestellt worden, dass einerseits die XY GmbH einen entsprechenden Vertrag mit der Beschwerdeführerin abgeschlossen habe, andererseits die Beschwerdeführerin einen Vertrag mit korrespondierenden Bedingungen mit den am London-Amsterdam-Rohr beteiligten XY Gesellschaften. Beide Vereinbarungen seien am 26. April 2001 unterzeichnet worden und hätten wechselseitig aufeinander verwiesen. Die wesentlichen Vertragsbedingungen seien dabei die Überlassung des jeweiligen Rohres für eine Dauer von 25 Jahren (damalige Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) für ein Gesamtentgelt von 9,000.000 EUR (Wien-Salzburg) bzw. 8,922.650 EUR (London-Amsterdam) zahlbar in 25 gleichen Jahresraten (jährlich ca. 360.000 EUR). Weiters seien wechselseitig Kaufoptionen vereinbart worden, wobei bei Ausübung der Kaufoption der Preis den im Zeitpunkt der Optionsausübung noch offenen Raten habe entsprechen sollen. Es sei vereinbart gewesen, dass der Kaufpreis im Fall der Optionsausübung nicht auf einmal, sondern in jährlichen Teilbeträgen von ca. 360.000 EUR zu leisten sei.
5 Zur in der Umsatzsteuererklärung 2002 vorgenommenen Umsatzsteuerberichtigung von 1.372.300 EUR führte die Beschwerdeführerin im Prüfverfahren aus, die Glasfaserleitungen seien ursprünglich an XY verleast worden. Der Leasingvertrag sei vorzeitig beendet und die Glasfaserleitungen an XY veräußert worden. Die Beschwerdeführerin habe diesbezüglich an die XY GmbH am 19. August 2002 eine Rechnung in Höhe von 677.000 EUR ausgestellt. 50 % dieses Entgeltes beziehe sich auf die Glasfaserleitungen, der Rest entfalle auf andere Gegenstände. Somit ergebe sich eine neue Bemessungsgrundlage für die Überlassung von Glasfaserleitungen. Der unter der Kennziffer 090 erklärte Betrag stelle eine Berichtigung der Umsatzsteuer dar.
6 Die Betriebsprüfung hielt dazu fest, auch wenn formal die Vereinbarungen betreffend die Wien-Salzburg Leitung und die London-Amsterdam Leitung in getrennten Verträgen niedergelegt worden seien, dürfe der enge wirtschaftliche Konnex und die de facto gegebene Gleichwertigkeit der jeweiligen Leitungen nicht außer Acht gelassen werden. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung werde nämlich evident, dass die Beschwerdeführerin das Wien-Salzburg Rohr an die XY GmbH geliefert habe und als Gegenleistung hierfür das annähernd gleichwertige London-Amsterdam Rohr erhalten habe (Tauschgeschäft). Aufgrund dieser Tatsache sei der Vorsteuerabzug bei der XY zu Recht vorgenommen worden, und sei eine Berichtigung gemäß § 16 UStG 1994 nicht erforderlich. Zusätzlich werde festgehalten, dass die Zahlungsflüsse auf Konzernebene sich gegeneinander beinahe vollständig aufrechneten.
7 Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, wobei sie sich sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 als auch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer wandte.
8 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - nach einer Berufungsvorentscheidung des Finanzamts und dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die im Zuge des Prüfungsverfahrens neu hervorgekommenen Tatsachen und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinsichtlich der Umsatzsteuer bzw. der Berichtigung der Bemessungsgrundlage seien geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid nach sich zu ziehen. Erst durch die umfangreichen Ermittlungen im Prüfungsverfahren sei der entscheidungswesentliche Sachverhalt dem Finanzamt bekannt geworden und habe der Abgabenbescheid dieser Sachlage Rechnung tragen können. In der für 2002 eingereichten Umsatzsteuererklärung seien zur Kennzahl 090 (sonstige Berichtigungen) keine näheren, den Sachverhalt offen legende Angaben gemacht worden. Dem Finanzamt sei es somit nicht möglich gewesen, die Sachlage entsprechend (der erst im Prüfungsverfahren hervorgekommenen Tatsachen) zu würdigen.
9 In der Sache sei im gegenständlichen Verfahren strittig, ob der Beschwerdeführerin ein Umsatzsteuerguthaben aufgrund einer Umsatzsteuerberichtigung von 1.372.300 EUR für das Jahr 2002 zukomme. Die Beschwerdeführerin vermeine, dieser Betrag stünde ihr zu, weil sie tatsächlich einen entsprechend geringeren Kaufpreis für die Datenleitungen Wien-Salzburg erhalten, in Rechnung gestellt und der Umsatzsteuer unterworfen habe. Das Finanzamt verneine den Berichtigungsanspruch dagegen, weil es im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag zu einem Tausch von Datenleitungen gekommen sei und keine Änderung der Bemessungsgrundlage vorliege. Selbst wenn es zu keinem Tauschgeschäft gekommen sei, liege eine Rücklieferung im Zusammenhang mit der Nichtausübung der Kaufoption vor, welche ebenso zu keiner Änderung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage berechtige.
10 Nach den Sachverhaltsfeststellungen sei es im Folgejahr nach dem Abschluss des Leasingvertrages vom 26. April 2001 zur Insolvenz der Beschwerdeführerin gekommen, die als Leasinggeberin an die XY GmbH als Leasingnehmerin die Datenleitungen Wien-Salzburg vermietet habe. Aufgrund der umfassenden Verfügungsberechtigungen der Leasingnehmerin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages davon ausgegangen worden, dass die Verfügungsmacht bereits auf die Leasingnehmerin übergegangen sei, und diese als wirtschaftliche Eigentümerin der Datenleitungen gewertet worden, während das zivilrechtliche Eigentum bei der Beschwerdeführerin verblieben sei. Mit Abschluss des Leasingvertrags sei eine funktionstüchtige Leitung vorgelegen, welche im umsatzsteuerlichen Sinne an die XY GmbH geliefert worden sei.
11 Dass es tatsächlich zu einem (zivilrechtlichen) Tausch der Leitungen Wien-Salzburg gegen London-Amsterdam gekommen sei, sei strittig. Hierzu lägen widersprüchliche Erklärungen der beiden Vertragspartner vor. Die XY GmbH habe ihrem Finanzamt gegenüber im Jahr 2002 die Tauschversion bekräftigt und letztlich auch glaubhaft gemacht; eine Vorsteuerkorrektur sei unterblieben. Die Beschwerdeführerin habe im Dezember 2007 für das Jahr 2002 eine Änderung der Bemessungsgrundlage beantragt und den erfolgten Tausch bestritten, ohne aber den Bezug habenden Vertrag London-Amsterdam vorlegen zu können.
12 Trotzdem folge die belangte Behörde dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Argument, dass bei einem tatsächlich erfolgten (zivilrechtlichen) Tausch die Beschwerdeführerin die Datenleitungen Wien-Salzburg nicht (noch einmal) zivilrechtlich gültig an die XY GmbH verkaufen hätte können, wenn diese schon zivilrechtliche Eigentümerin gewesen wäre. Zudem habe die XY GmbH nach den vorliegenden Unterlagen dem für sie zuständigen Finanzamt gegenüber nicht ausdrücklich behauptet, die (vertraglich möglichen) Kaufoption(en) sei(en) auch tatsächlich ausgeübt worden. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beschwerdeführerin sei es zu keinem (zivilrechtlichen) Tausch der Datenleitung Wien-Salzburg gegen die Datenleitung London-Amsterdam gekommen, sondern sei dieser lediglich aufgrund der Bestimmungen im Leasingvertrag für die Zukunft optional geplant bzw. möglich (durch Ausübung des vereinbarten Kaufoptionsrechtes) gewesen.
13 In tatsächlicher Hinsicht sei es jedoch zu einer Auflösung des Leasingvertrags (betreffend Datenleitung Wien-Salzburg) im Zuge der Insolvenz der Beschwerdeführerin seitens der Leasingnehmerin gekommen. Es sei somit von einer Rückgängigmachung des ursprünglichen Geschäftes (der Lieferung der Datenleitung Wien-Salzburg im umsatzsteuerlichen Sinne im Jahr 2001 von der Beschwerdeführerin an die XY GmbH) auszugehen, welche im Jahr der Vertragsauflösung (2002) erfolgt sei.
14 Wie die Beschwerdeführerin selbst vorbringe, hätte die XY GmbH die Datenleitungen nicht an die Beschwerdeführerin im Jahr 2002 verkaufen (und nochmals liefern), können wenn nicht der Leasingvertrag vorher beendet worden wäre. Auch wenn de facto ein nahezu nahtloser Übergang vom wirtschaftlichen Eigentum zum zivilrechtlichen Eigentum erfolgt sei, müsse doch in tatsächlicher (rechtlicher) Hinsicht die Verfügungsmacht der XY GmbH aufgrund des Leasingvertrages beendet worden sein, um der Beschwerdeführerin den Verkauf im Zuge der Insolvenzverwertung zu ermöglichen. Die XY GmbH sei nur wirtschaftliche Eigentümerin der Datenleitungen aufgrund der Vertragsgestaltung im Leasingvertrag gewesen. Zivilrechtliche Eigentümerin sei immer die Beschwerdeführerin geblieben. Das Optionsrecht zum zivilrechtlichen Eigentumserwerb des Mietgegenstandes resultierend aus dem Leasingvertrag sei nicht ausgeübt worden.
15 Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass der Leasingvertrag seitens der XY GmbH aus wichtigem Grund gekündigt worden sei. Durch die Ausübung des Rücktrittsrechtes sei es zu einer nicht steuerbaren Rückgängigmachung der erfolgten ursprünglichen Lieferung gekommen. Damit sei die Beschwerdeführerin wiederum Verfügungsberechtigte über die Datenleitungen geworden. Der Leasingvertrag sei de facto rückgängig gemacht worden, um einen (neuen) Kaufvertrag (Rahmenkaufvertrag vom 22. Juli 2002) abschließen zu können. Dies sei ein völlig neuer Vertrag, der in keiner Weise auf den alten Leasingvertrag Bezug genommen oder diesen etwa nur abgeändert habe. Der alte Leasingvertrag habe zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr existiert, er sei beendet gewesen. Wäre der Leasingvertrag aufrecht geblieben, hätte die Beschwerdeführerin die Datenleitungen nicht einem unbestimmten Bieterkreis anbieten können (was laut Vorhaltsbeantwortung vom 1. Juni 2012 geschehen sei).
16 Von der Rückgängigmachung sei die Rücklieferung zu unterscheiden. Hier werde der Gegenstand der ursprünglichen Lieferung in einem zweiten Vorgang mit selbständigem wirtschaftlichen Gehalt dem Lieferanten rückübertragen. Ob Rückgängigmachung oder Rücklieferung vorliege, sei in erster Linie danach zu entscheiden, ob der ursprüngliche Leistungsempfänger eine selbständige Leistung erbringen wolle. Eine einseitige (ausschließliche) Beurteilung aus der Sicht des ursprünglichen Abnehmers sei nicht gerechtfertigt. Maßgebende Beurteilungskriterien seien ferner vertragliche Vereinbarungen, der Wille der beiden Beteiligten (ob sie ein neues Umsatzgeschäft eingehen wollten), die Rechtsposition des Belieferten sowie die zwischen Lieferung und Rückgabe verstrichene Zeit.
17 Da im gegenständlichen Fall die XY GmbH vom Leasingvertrag (Mietvertrag) nach relativ kurzer Laufzeit (nach etwa einem Jahr bei einer Gesamtlaufzeit des Vertrages von rund 25 Jahren) zurückgetreten sei, um im Anschluss daran das zivilrechtliche Eigentum durch einen Kauf zu erwerben, müsse von einer Rückgängigmachung der Lieferung des Jahres 2001 in umsatzsteuerlicher Sicht ausgegangen werden (Hinweis auf Kolacny/Caganek, UStG3 § 3 Anm 21c: Werde der Leasinggegenstand vor Ablauf der Grundmietzeit wegen Nichterfüllung des Vertrages dem Leasinggeber retourniert, liege eine Rückgängigmachung der Lieferung vor. Weiters Kolacny/Caganek, UStG3 § 4 Anm 12b: Bei Rückgabe des Leasinggegenstandes vor Ablauf der Grundmietzeit aus im Vertrag vorgesehenen wichtigen Gründen werde regelmäßig von einem Wegfall der ursprünglichen Lieferung auszugehen sein). Dass es zu einer Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung gekommen sei, ergebe sich auch aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Vorhaltsbeantwortung vom 1. Juni 2012, wonach aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen (Platzen der New-Economy-Blase) und dem Überangebot an Leitungsnetzen die XY GmbH keineswegs auf das Leitungsnetz der Beschwerdeführerin angewiesen gewesen sei. Die Insolvenz der Beschwerdeführerin sei der XY GmbH insofern wohl sehr gelegen gekommen, als sie aus dem Leasingvertrag (aufgrund der Rücktrittsklausel in Punkt 4.5. lit. c) habe aussteigen können, um nunmehr die gleichen Datenleitungen um einen Bruchteil der ursprünglichen Summe (weniger als eine von noch 24 ausständigen Jahresraten) erwerben zu können.
18 Bei Rückgängigmachung einer Lieferung liege keine Lieferung vor; die Verfügungsmacht werde rückübertragen. Diese Rückgängigmachung führe gemäß § 16 Abs. 3 Z 3 iVm § 16 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 zur sinngemäßen Anwendung des § 16 Abs. 1 UStG 1994, nämlich zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage. Die Berichtigung sei in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem sich herausgestellt habe, dass die Leistung unterbleiben werde (also im Jahr des Rücktritts vom Vertrag).
19 Nach Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, zu § 3 Abs. 1 UStG, Rz 24, sei die Geltendmachung eines Eigentumsvorbehaltes durch den Verkäufer zivilrechtlich als Rücktritt vom Vertrag (mit Wirkung ex tunc) zu beurteilen. Umsatzsteuerlich liege eine Rückgängigmachung der Lieferung (mit Wirkung ex nunc) vor, die wie eine Änderung der Bemessungsgrundlage zu behandeln sei (vgl. § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994). Die Berichtigung sei für jenen Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der Eigentumsvorbehalt geltend gemacht worden sei. Der Verkäufer müsse die Umsatzsteuer, der Käufer die Vorsteuer berichtigen. Um die Entstehung einer Steuerschuld aufgrund der Rechnung nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 zu vermeiden, müsse auch die Rechnung berichtigt werden. Sinngemäß müsse dies auch für die beschwerdegegenständliche Rückgängigmachung durch den Leasingnehmer und seine Kündigung aus wichtigem, vertraglich zugesichertem Grund gelten.
20 Damit werde die Umsatzsteuer, die anlässlich der Lieferung (mit Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums) in Rechnung gestellt worden sei, zu einer nicht mehr aufgrund der Lieferung (die ja weggefallen sei, weil rückgängig gemacht worden) geschuldeten, sondern zu einer Umsatzsteuerschuld aufgrund der Rechnung nach § 11 Abs. 14 UStG 1994.
21 Um zu vermeiden, dass eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung bestehen bleibe, habe der Verkäufer die Rechnung zu berichtigen (Hinweis Ruppe/Achatz, UStG4 § 3 Tz 42 unter Hinweis auf die UStR Rz 430). Es sei zwar richtig, dass § 16 Abs. 1 UStG 1994 selbst keine Verpflichtung zur Belegerteilung enthalte. Eine solche könne sich aber in jenen Fällen ergeben, in denen sie das Gesetz ausdrücklich verlange. Eine Rechnungskorrektur und eine sich daraus ergebende neuerliche Belegerteilung könnten in jenen Fällen notwendig sein, in denen die Änderung der Bemessungsgrundlage zu einer Steuerschuld kraft Rechnungslegung im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG 1994 führe. Entstehe eine Steuerschuld aufgrund einer unrichtigen Rechnungslegung iSd § 11 Abs. 12 UStG 1994, bleibe diese Steuerschuld bestehen, wenn der Unternehmer die Rechnung nicht berichtige.
22 Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG 1994 gelte im Falle der Berichtigung § 16 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß. Somit führten auch diese Fälle, in denen eine Steuerschuld nicht aufgrund einer Leistung entstanden sei, zu einer nachträglichen Änderung der Steuer, sofern die maßgebliche Rechnung berichtigt und damit der unberechtigte Steuerausweis beseitigt werde. Die Änderung trete erst für den Voranmeldungszeitraum ein, in dem die Rechnung berichtigt werde (Hinweis auf Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, zu § 16 Abs. 1 UStG, Rz 18 ff). Umso mehr müsse dies (bzw. könne nichts anderes) auch für den Fall der Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 gelten.
23 Die Rechnung müsse grundsätzlich im Voranmeldungszeitraum der Berichtigung der Bemessungsgrundlage berichtigt werden, was aber im gegenständlichen Fall unbestritten nicht geschehen sei (die Beschwerdeführerin habe auf die ausdrückliche Anfrage der belangten Behörde ausgeführt, dass es zu keiner Rechnungsberichtigung gekommen sei). Damit träten die Folgen des § 11 Abs. 14 UStG 1994 ein.
24 Zu beachten sei auch das Urteil des EuGH vom 19. September 2000, C-454/98 , Schmeink & Cofreth und Strobel, wonach eine Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung grundsätzlich ermöglicht werden müsse, dies verlange der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Als Voraussetzung für die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer habe der Aussteller der Rechnung jedoch die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig zu beseitigen. Im gegenständlichen Fall sei es auf Seiten der Rechnungsempfängerin, der XY GmbH als Leistungsempfängerin der ursprünglichen Lieferung, welche rückgängig gemacht worden sei, aktenkundig zu keiner Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzuges von 1,800.000 EUR gekommen. Damit sei evident, dass die Gefährdung des Steueraufkommens von der Beschwerdeführerin gerade nicht beseitigt worden sei. Solange die Gefährdung des Steueraufkommens nicht vollständig beseitigt sei, weil die Rechnungsempfängerin den vorgenommenen Vorsteuerabzug nicht berichtige, könne auch eine Berichtigung der Rechnung nicht erfolgen. Wie bereits ausgeführt, sehe § 16 UStG 1994 grundsätzlich eine Verpflichtung zur Mitteilung der Korrektur an den Geschäftspartner oder zum Belegaustausch zwar nicht vor (abgesehen vom Fall des Abs. 5), bei Rückgängigmachung einer steuerpflichtigen Lieferung gelte § 16 Abs. 1 nach dessen Abs. 3 Z 3 UStG 1994 aber sinngemäß. Eine Rechnungsberichtigungspflicht, die sich aufgrund der Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG 1994 ergebe, werde daher durch die sinngemäße Anwendung des § 16 Abs. 1 UStG 1994 nicht beseitigt. Bei einem Verkauf unter Eigentumsvorbehalt wie im gegenständlichen Fall und erfolgter Übergabe der Leitungen, erhalte der Vorbehaltskäufer (Leasingnehmer) bereits die Verfügungsmacht (und das wirtschaftliche Eigentum), es liege daher eine Lieferung vor. Mache der Vorbehaltsverkäufer vom Rücktrittsrecht Gebrauch, so werde die Lieferung rückgängig gemacht. Nichts anderes könne gelten, wenn der Vorbehaltskäufer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch mache. Zur Vermeidung der Folgen des § 11 Abs. 14 UStG 1994 sei auch die Rechnung zu berichtigen (Hinweis Ruppe/Achatz, UStG4 § 3 Tz 42).
25 Durch eine Rechnungsberichtigung gegenüber der XY GmbH hätte die Beschwerdeführerin dieser die Grundlagen für den vorzunehmenden Vorsteuerabzug zur Kenntnis bringen können und müssen, um die eigene Umsatzsteuerberichtigung durchführen zu können und die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu beseitigen. Stattdessen habe sie der XY GmbH mit 19. August 2002 lediglich eine neue Rechnung über "Sale of Assets per Agreement" in der Gesamthöhe von 677.000 EUR im Zuge der Insolvenz im Jahr 2002 ausgestellt, ohne einen Konnex zur ursprünglichen Rechnung ersichtlich zu machen oder die Datenleitungen von Wien nach Salzburg in der Rechnung auch nur zu erwähnen bzw. seitens der Beschwerdeführerin den geschätzten Wertansatz hierfür darzustellen. Wie die XY GmbH ohne entsprechende Grundlagen im Jahr 2002 den korrespondierenden Vorsteuerkorrekturbetrag überhaupt errechnen hätte können, sei nicht nachvollziehbar. Durch das Unterbleiben einer Berichtigung der ursprünglichen Rechnung sei es für die XY GmbH auch einfach gewesen, ihrem Finanzamt gegenüber mit der nicht nötigen Vorsteuerberichtigung zu argumentieren und diese plausibel zu machen.
26 Zudem habe die Beschwerdeführerin selbst erst im Dezember 2007 den Berichtigungsbetrag errechnet bzw. dem zuständigen Finanzamt mit der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2002 zur Kenntnis gebracht, zu einem Zeitpunkt, als die Umsatzsteuerveranlagung für 2002 bei der XY GmbH schon längst rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Der von der Beschwerdeführerin vertretene Sachverhalt dazu sei überhaupt erst durch die im Jahr 2008 aufgenommenen Ermittlungen anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung offen gelegt worden. Für eine korrespondierende Vorsteuerberichtigung bei der XY GmbH wäre aufgrund der Verjährungsbestimmungen nur ein sehr kurzer Zeitraum zur Verfügung gestanden.
27 Zudem ergebe sich aus den Akten, dass die XY GmbH insgesamt die Sachlage ganz offensichtlich anders beurteilt habe und es nicht auszuschließen sei, dass diese über Unterlagen verfügt habe, die ihre Sichtweise zu untermauern vermocht hätten. Dass im Zuge der Verkaufsgespräche im Jahr 2002 hinsichtlich der nach § 27 Abs. 4 UStG 1994 entrichteten Umsatzsteuer im Jahr 2001 durch die XY GmbH zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden seien, welche eine beiderseitige Berichtigung ausschlössen, sei überdies möglich bzw. denkbar, zumal nicht die Beschwerdeführerin, sondern die XY GmbH bzw. deren Konzern diese Umsatzsteuer entrichtet habe.
28 Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
29 Im angefochtenen Bescheid stützt die belangte Behörde - ausgehend von ihrer Annahme, dass die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Rückgängigmachung der Lieferung iSd § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 gegeben seien - die in Streit stehende Umsatzsteuerschuld auf § 11 Abs. 12 bzw. Abs. 14 UStG 1994. Den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist aber nicht zu entnehmen, welche konkrete Rechnung der Beschwerdeführerin diese Steuerschuld auslösen soll, wann diese Rechnung erstellt worden ist und ob sie den Erfordernissen des § 11 UStG 1994 entspricht. Darüber hinaus ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, was in tatsächlicher Hinsicht der Durchführung einer Rechnungsberichtigung entgegensteht.
30 Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
31 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
32 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 10. März 2016
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