VwGH 2013/10/0006

VwGH2013/10/000620.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Gallneukirchen, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Spittelwiese 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Mai 2012, Zl. BGD- 140567/398-2012-Mtm, betreffend Gastbeitrag nach dem Oö. Kinderbetreuungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt Linz in 4041 Linz, Hauptstraße 1-5), zu Recht erkannt:

Normen

ElternbeitragsV OÖ 2011;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs2;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ElternbeitragsV OÖ 2011;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs2;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. Mai 2012 hat die Oberösterreichische Landesregierung entschieden, dass die beschwerdeführende Stadtgemeinde Gallneukirchen für den Besuch der Krabbelstube V von Anfang Oktober 2010 bis 30. April 2011 durch die am 21. April 2008 geborene Y einen angemessenen Gastbeitrag, ab 1. Jänner 2011 zumindest in der Höhe von EUR 240,-- pro Monat, und für den Besuch des "Betriebskindergartens" V von 1. Mai 2011 bis 31. August 2011 durch dieses Kind einen angemessenen Gastbeitrag, ab 1. Jänner 2011 zumindest in der Höhe von EUR 100,--

pro Monat, an die mitbeteiligte Landeshauptstadt Linz zu entrichten habe.

Als Rechtsgrundlagen wurden § 28 Abs. 2 zweiter Satz Oö. Kinderbetreuungsgesetz, LGBl. Nr. 39/2007 idF LGBl. Nr. 59/2010, sowie § 13 Oö. Elternbeitragsverordnung 2011, LGBl. Nr. 102/2010, angeführt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentlich - aus, dass keine Einigung über die Leistung eines Gastbeitrages der Stadtgemeinde Gallneukirchen für den Besuch der Kinderbetreuungseinrichtungen in der Landeshauptstadt Linz durch das Kind Y habe erzielt werden können.

Die Mitbeteiligte habe vorgebracht, dass es sich bei der von Y besuchten Einrichtung im gegenständlichen Zeitraum nicht um eine betriebliche Kinderbetreuungseinrichtung gehandelt habe. Der Zugang sei allen Kindern unabhängig von einer Betriebszugehörigkeit der Eltern offen gestanden. Erst seit 1. September 2011 würde die Einrichtung als betriebliche Kinderbetreuungseinrichtung geführt. Ab diesem Zeitpunkt würden keine Gastbeiträge durch die Mitbeteiligte vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden, zum Antrag der Mitbeteiligten Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2011 habe sie ausgeführt, dass in Gallneukirchen ausreichend Kindergartenplätze zur Verfügung gestanden wären. Auch zu Beginn des hier gegenständlichen Arbeitsjahres habe es drei freie Plätze gegeben. Die Krabbelstube in Gallneukirchen sei zwar derzeit zur Gänze ausgelastet, weil sie auch von vielen Kindern der umliegenden Gemeinden besucht werde. Da die Kinder aus der Gemeinde Gallneukirchen aber bevorzugt aufgenommen werden müssten, wäre bei rechtzeitiger Anmeldung für Y ein Platz zur Verfügung gestanden.

Die Eltern von Y hätten in ihrer Stellungnahme vom 4. April 2012 vorgebracht, ihr Kind bereits vor der Geburt in der Kinderbetreuungseinrichtung V vorangemeldet zu haben. Am 6. Oktober 2008 hätten sie Y dann fix für den 1. Oktober 2010 in der Krabbelstube V bzw. ab dem dritten Geburtstag im Kindergarten V angemeldet und auch die Anmeldegebühr bezahlt. Der Besuch der Kinderbetreuungseinrichtung V sei "sehr praktisch", weil die Einrichtung direkt neben der Arbeitsstelle der Mutter liege und in den Schulferien geöffnet sei. Weiters hätten die Eltern Bestätigungen über ihre Arbeitszeiten vorgelegt.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei der gegenständlichen Kinderbetreuungseinrichtung entsprechend der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei nicht um eine betriebliche Einrichtung handle und daher die Vorschreibung eines Gastbeitrages zulässig sei. In Gallneukirchen bestünden Kinderbetreuungseinrichtungen, deren - im Internet recherchierte - Öffnungszeiten mit den sich aus der vorgelegten Bestätigung ergebenden Arbeitszeiten der Kindesmutter vereinbar seien. Der Umstand, dass der Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen in Linz für die Eltern "sehr praktisch" sei, biete für sich keine Grundlage für die Entrichtung von Gastbeiträgen.

Die Beschwerdeführerin habe jedoch selbst angegeben, dass die Krabbelstube in Gallneukirchen derzeit zur Gänze ausgenutzt sei. Dies decke sich mit den Angaben des Rechtsträgers dieser Krabbelstube vom 29. November 2010 im Antrag auf Landesbeitrag für das Arbeitsjahr 2010/11. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass Kinder aus der Gemeinde bevorzugt aufgenommen würden und bei rechtzeitiger Anmeldung ein Platz für Y zur Verfügung gestanden wäre, sei auszuführen, dass eine entsprechende Planbarkeit sowohl für die Gemeinde als auch für die Eltern notwendig sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch nicht ausgeführt, was unter dem Begriff "rechtzeitige Anmeldung" zu verstehen sei. Aufgrund dieser Umstände habe die beschwerdeführende Gemeinde einen Gastbeitrag zu entrichten.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen:

§ 28 Oö. Kinderbetreuungsgesetz - Oö. KBG, LGBl. Nr. 39/2007 idF LGBl. Nr. 59/2010, lautet:

"§ 28 Gastbeiträge

(1) Besucht ein Kind eine Kinderbetreuungseinrichtung in einer anderen Gemeinde als der Hauptwohnsitzgemeinde, ist - ausgenommen beim Besuch einer betrieblichen oder freien Kinderbetreuungseinrichtung - von der Hauptwohnsitzgemeinde ein angemessener Gastbeitrag zu entrichten, sofern in der Hauptwohnsitzgemeinde kein entsprechendes bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht oder die familiäre Situation des betreffenden Kindes oder das Kindeswohl den Besuch einer gemeindefremden Kinderbetreuungseinrichtung erfordern.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung die Mindesthöhe des Gastbeitrags festzusetzen. Im Fall der Nichteinigung über die Leistung des Gastbeitrags entscheidet auf Antrag einer Gemeinde die Landesregierung mit Bescheid."

Die Verordnung der Oö Landesregierung über die tarifmäßige Festsetzung des Elternbeitrages in Kinderbetreuungseinrichtungen (Oö. Elternbeitragsverordnung 2011), LGBl. Nr. 102/2010, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 5 Höchstbeitrag

Der monatliche Höchstbeitrag, der maximal kostendeckend sein darf, ist vom Rechtsträger nach Maßgabe der §§ 8 und 9 festzulegen und beträgt:

  1. 1. für Kinder unter drei Jahren (§ 8) mindestens 160 Euro und
  2. 2. für Kinder über drei Jahren (§ 9) mindestens 100 Euro.

    § 13 Gastbeiträge

(1) Von der Hauptwohnsitzgemeinde ist ein angemessener, nachvollziehbarer Gastbeitrag zu entrichten, sofern in der Hauptwohnsitzgemeinde kein entsprechendes bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht oder die familiäre Situation des betreffenden Kindes oder das Kindeswohl den Besuch einer gemeindefremden Kinderbetreuungseinrichtung erfordern.

(2) Der Gastbeitrag hat

1. für ein Kind unter drei Jahren mindestens 150 % des Höchstbeitrags gemäß § 5 Z. 1,

2. für ein Kind über drei Jahren bis zum Schuleintritt mindestens 100 % des Höchstbeitrags gemäß § 5 Z. 2 und

zu betragen.

…"

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin die Hauptwohnsitzgemeinde von Y ist und ein "Fall der Nichteinigung" im Sinn von § 28 Abs. 2 Oö. KBG zwischen den beteiligten Gemeinden über die Leistung des Gastbeitrages vorliegt.

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, sondern nur das Parteienvorbringen wiedergegeben habe. Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung könnten entsprechende Feststellungen nicht ersetzen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen:

Die belangte Behörde hat unter der Überschrift "Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:" Das Vorbringen der Parteien und der Eltern von Y wiedergegeben. Unter der Überschrift "Hierüber hat die Behörde erwogen:" hat sie einige Passagen daraus wiederholt und ihre rechtliche Beurteilung darauf aufgebaut. Aus diesem Aufbau ist zweifellos erkennbar, dass die belangte Behörde die im wiedergegeben Vorbringen der Parteien und der Eltern enthaltenen Tatsachen - die im Übrigen nicht miteinander im Widerspruch stehen - festgestellt hat. Diese Feststellungen werden von der Beschwerdeführerin nicht konkret bestritten.

Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Gastbeitrag sei deshalb gerechtfertigt, weil in der Gemeinde des Hauptwohnsitzes kein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung gestanden sei. Dazu bringt sie vor, dass ihr im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, wonach für Y "bei rechtzeitiger Anmeldung" im Arbeitsjahr 2010/11 ein Platz zur Verfügung gestanden wäre, aus dem Kontext klar sei. Tatsächlich sei Y von ihren Eltern bereits vor der Geburt in der Krabbelstube bzw. im Betriebskindergarten V vorangemeldet und im Oktober 2008 angemeldet worden. Wäre das Kind so frühzeitig in den Kinderbetreuungseinrichtungen der Beschwerdeführerin angemeldet worden, so wäre dies jedenfalls rechtzeitig gewesen. Hätte die belangte Behörde Zweifel daran gehabt, so wäre sie verpflichtet gewesen entsprechend nachzufragen. Eine rechtliche Grundlage für die Festsetzung des Beginnes des Zeitraumes, für den Gastbeiträge zu entrichten seien, mit 1. Jänner 2011 bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für den Kindergarten, der erst ab 1. Mai 2011 besucht worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, dass die beschwerdeführende Gemeinde, in der die minderjährige Y ihren Hauptwohnsitz hat, gemäß § 28 Abs. 1 Oö. KBG Gastbeiträge zu entrichten habe, weil dort "kein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht". Dazu stützte sie sich in Bezug auf die Krabbelstube auf den Umstand, dass die Krabbelstube in Gallneukirchen im Arbeitsjahr 2010/11 selbst nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin voll ausgelastet war. In Bezug auf den Kindergarten - wo es nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in Gallneukirchen zu Beginn des gegenständlichen Arbeitsjahres drei freie Plätze gegeben hat - hat die belangte Behörde diese Ansicht nicht begründet.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach Kinder aus der eigenen Gemeinde bevorzugt aufgenommen würden und bei rechtzeitiger Anmeldung ein Platz für Y in der Krabbelstube zur Verfügung gestanden wäre, führte sie aus, dass keine Angaben gemacht worden seien, was unter einer "rechtzeitigen Anmeldung" zu verstehen sei. Solche Angaben wären aber für "eine entsprechende Planbarkeit … sowohl für die Gemeinde als auch für die Kindeseltern notwendig" gewesen.

Dazu ist auszuführen, dass es zur Lösung der Frage, ob in der Hauptwohnsitzgemeinde ein entsprechendes bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht, nicht darauf ankommt, ob die betreffende Kinderbetreuungseinrichtung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zur Gänze ausgelastet war, sondern ob das Kind, wäre es nicht in einer Einrichtung einer anderen Gemeinde, sondern in einer Kinderbetreuungseinrichtung der Hauptwohnsitzgemeinde angemeldet worden, aufgenommen hätte werden können. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

Im vorliegenden Fall wurde Y bereits vor der Geburt vorangemeldet und am 6. Oktober 2008 fix in der Krabbelstube V in Linz angemeldet. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu erheben haben, ob Y bei einer nach Lage das Falles möglichen Anmeldung in die Krabbelstube in Gallneukirchen ab Oktober 2010 (bzw. ab dem dritten Lebensjahr in einen Kindergarten in dieser Gemeinde) hätte aufgenommen werden können.

Es kann der - im Verwaltungsverfahren nicht anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführerin nicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht angelastet werden, dass sie über die Aufforderung, zum (gesamten) Antragsvorbringen der Mitbeteiligten Stellung zu nehmen, lediglich auf die Aufnahmemöglichkeit in der Krabbelstube bei "rechtzeitiger" Anmeldung hingewiesen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2013/10/0007, ausgeführt hat, hat die Landesregierung im Fall der Nichteinigung der beteiligten Gemeinden gemäß § 28 Abs. 2 letzter Satz Oö. KBG auf Antrag einer Gemeinde nicht nur dem Grunde nach über die Leistung eines Gastbeitrages zu entscheiden, sondern auch die Höhe des zu leistenden Beitrages festzusetzen. Dies gilt auch für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten der Oö. Elternbeitragsverordnung 2011, mit der ein Mindestsatz für den Gastbeitrag festgesetzt wurde, am 1. Jänner 2011.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin lediglich verpflichtet, für den Besuch der Krabbelstube durch Y von Oktober 2010 bis April 2011 und den Besuch des Kindergartens von Mai 2011 bis August 2011 jeweils einen "angemessenen Gastbeitrag" zu leisten. Die Höhe dieses Beitrages wurde jedoch nicht festgesetzt.

Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das die Eingabegebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin als Gebietskörperschaft gemäß der Z. 3 dieser Bestimmung von der Entrichtung der Gebühr befreit ist.

Wien, am 20. November 2013

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