VwGH 2013/07/0276

VwGH2013/07/027623.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der L R GmbH in G, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Spruchpunkt II des Bescheides des Umweltsenates vom 15. Oktober 2013, Zl. US 1B/2013/6-20, betreffend Feststellung der UVP-Pflicht (mitbeteiligte Partei: Naturschutzanwältin für Vorarlberg, Jahngasse 9, 6850 Dornbirn), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002;
B-VG Art11 Abs7;
MRK Art6 Abs1;
USG 2000;
UVPG 1993;
UVPG 2000 Anh1 Z2 litc;
UVPG 2000;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt verschiedene Anlagen zur Sammlung, Lagerung, Sortierung, Aufbereitung und sonstigen Behandlung von Abfällen. Teil dieser Anlagen ist ein Shredder, der dem Zerkleinern und Sortieren von Mischschrott, unter anderem auch von Alt-Kraftfahrzeugen, dient.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 16. Februar 2011 und (nach einem Ruhen des Verfahrens neuerlich) vom 26. März 2012 die Erteilung der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch die Installation einer Filteranlage zum Zweck der Reduktion von Kohlenwasserstoffemissionen in der Shredderabluft zum einen und für eine Kapazitätserhöhung der Shredderanlage zum anderen. Der Jahresdurchsatz des Shredders sollte von 80.000 t auf 115.000 t jährlich erhöht werden.

Zur Funktionsweise der Shredderanlage heißt es in den Projektsunterlagen:

"Das am Shreddervorplatz entladene Material wird je nach Größe mit einem Bagger oder von Beschäftigten vorsortiert. Auf Grund ihrer Größe oder ihrer Materialeigenschaften nicht shredderfähige Teile werden aussortiert. Das shredderfähige Material gelangt über ein Fließband in den Shredder, in dem es in faustgroße Stücke zerkleinert wird. Der eigentliche Shredder ist ein mit Hämmern versehener Rotor, der sich mit einer Geschwindigkeit von 600 U/min dreht. Das Shreddern (Zerkleinern) dient dem Öffnen bzw. Aufschließen des Materialverbundes, damit eine effiziente sortenreine mechanische Sortierung möglich ist.

Folgende anschließende Trennschritte finden statt:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

1. Nach § 3 Abs. 1 erster Satz UVP-G 2000 sind Vorhaben, die in Anhang 1 des UVP-G 2000 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen des UVP-G 2000 einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

§ 3a UVP-G 2000 enthält nähere Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Änderungen von Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.

Dass das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei die im § 3a normierten Voraussetzungen für eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt, wurde von der belangten Behörde festgestellt und wird von der beschwerdeführenden Partei auch nicht bestritten. Diese meint aber, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei deswegen nicht durchzuführen, weil das Vorhaben unter den Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 falle.

Anhang 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 lautet:

"c) sonstige Anlagen zur Behandlung (thermisch, chemisch, physikalisch, biologisch, mechanisch-biologisch) von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Kapazität von mindestens 35 000 t/a oder 100 t/d, ausgenommen sind Anlagen zur ausschließlich stofflichen Verwertung oder mechanischen Sortierung;"

2. Zur sprachlichen Interpretation des Ausnahmetatbestandes der Spalte 1 Z 2 lit c, nämlich zur Frage, ob sich das Wort "ausschließlich" auch auf die "Anlagen zur mechanischen Sortierung" bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - keinen Zweifel daran ließ, dass der Ausnahmetatbestand zum einen Anlagen zur "ausschließlich stofflichen Verwertung", zum anderen Anlagen zur "mechanischen Sortierung" umfasste. Gegen ein solches Verständnis der Norm ist nichts einzuwenden.

3. Aus der Projektsbeschreibung zur Funktionsweise der Shredderanlage ergibt sich, dass als erster Schritt eine Zerkleinerung des shredderfähigen Materials in faustgroße Stücke erfolgt. Diesem Schritt folgen verschiedene Trennschritte (mittels Trockenzyklons, Windsichter, Wirbelstromanlage, Schwingsieb, etc.). Unstrittig stellen diese letztgenannten Trennschritte Sortiervorgänge dar. Insofern ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, wenn sie die Ansicht vertritt, dass Trennen mit Sortieren gleichzusetzen sei.

Auch wenn die Beschwerdeführerin den ersten Schritt der Zerkleinerung im Shredder als "Sortierstufe 1" oder "Aufschluss" bzw. "Aufbruch" bezeichnet, so ändert dies nichts daran, dass es sich dabei um eine Zerkleinerung des eingebrachten Materials handelt, die die Grundlage für die nachfolgende Trennung darstellt. Die Beschwerdeführerin sprach im Verwaltungsverfahren selbst davon, dass erst die Zerkleinerung die Sortierung ermögliche; auch in der Beschwerde heißt es, dass es sich bei der Zerkleinerung im Shredder um der Sortierung vorangehende Aufschluss- und Aufbruchschritte handelt. Es ist also zwischen der Sortierung (des geshredderten Materials) und der dieser vorhergehenden Zerkleinerung im Shredder zu unterscheiden.

4. Weder im UVP-G 2000 noch im AWG 2002 findet sich eine Definition des Begriffs "mechanische Sortierung". Der Ansicht der belangten Behörde, wonach diesfalls das "autonome" Begriffsverständnis des UVP-G 2000 zu ermitteln sei und sich dieses u.a. aus der Entstehungsgeschichte und der unterschiedlichen Wortwahl im Vergleich zum UVP-G 1993 ergeben könne, ist nicht zu beanstanden.

Unbestritten wurde mit dem UVP-G 2000 ein neues System im Bereich der UVP-Pflichtigkeit durch die Schaffung von UVP-Verfahren zum einen und vereinfachten UVP-Verfahren zum anderen eingeführt. Das UVP-Verfahren sollte vor allem für komplexe, mit erheblichen Landschaftseingriffen verbundene Infrastrukturprojekte und für kontroversiell diskutierte Anlagen (zB Abfallwirtschaft) zum Einsatz kommen. Dem vereinfachten UVP-Verfahren sollten hingegen Vorhaben mit weniger komplexen oder eindimensionalen Umweltauswirkungen unterzogen werden. Ergänzend zum geltenden Gesetz und in Abstimmung mit dem AWG sollten in Z 2 lit c der UVPpflichtigen Vorhaben nun Aufbereitungsanlagen erfasst sein, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden. Anlagen zur Sortierung seien von der UVP-Pflicht ausgenommen (vgl. IA 168/A, 21. GP).

Auch aus den Materialien selbst ist angesichts dieser lediglich allgemeinen Ausführungen für das Verständnis des Ausnahmetatbestandes nichts zu gewinnen.

Der Begriff der "mechanischen Sortierung" stellt daher für sich genommen einen unscharfen und nicht klar umschriebenen Begriff dar; neben dem klaren Kern des Begriffes stellt sich die Frage seiner Abgrenzung in Bezug auf vor- und gegebenenfalls auch nachgeschaltete technische Abläufe. Allerdings hat der Gesetzgeber diesen Begriff dazu verwendet, eine Ausnahme eines die UVP-Pflicht klar definierenden Tatbestands (des Anhangs 1 Z 2 lit. c UVP-G 2000) zu umschreiben.

Nun sind nach ständiger Rechtsprechung Ausnahmetatbestände grundsätzlich eng auszulegen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 2013, 2012/12/0090, mwN, vom 16. Mai 2012, 2012/21/0053, vom 16. November 2011, 2011/17/0234, vom 31. Mai 2011, 2009/15/0135, vom 10. Dezember 2009, 2009/09/0080, vom 29. Mai 2008, 2006/07/0083, uvm).

Dieses enge Verständnis des Ausnahmetatbestandes gebietet aber eine Reduktion auf den "Kernbegriff" der Sortierung mit mechanischen Mitteln. Unter Sortierung ist demnach das Ordnen nach Arten und Wertgruppen, eine Gemengetrennung nach rein physikalischen Stoffeigenschaften, ohne dass es zu einer Änderung der Stoffe selbst kommt, zu verstehen. Anlagen, in denen eine Trennung in die Bestandteile des Abfalls erfolgt, wobei die Bestandteile (Stoffe) sowie die jeweiligen Stoffarten unverändert bleiben (zB die Trennung von Bestandteilen des Abfalls mittels Elektromagneten, Windsichtung, händische Sortierung) sind daher Anlagen zur mechanischen Sortierung.

Die der Sortierung vorgelagerten Schritte, wie eben der Vorgang der Zerkleinerung durch den Shredder, sind vom Kernbegriff der Sortierung hingegen nicht umfasst. Auch dem hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, 2005/07/0144, lag bereits ein solches enges Verständnis des hier in Rede stehenden Ausnahmetatbestandes zugrunde; demnach enthält das Gesetz nur für Anlagen für die mechanische Sortierung, nicht aber für damit im Zusammenhang stehende untergeordnete Verfahrensschritte (wie dort zB die Trocknung) eine Ausnahme. Eine Trocknung des Abfalls sei keine "mechanische Sortierung."

Eine Zerkleinerung von Abfällen ist nicht als Trennung von Bestandteilen anzusehen. Wenn die Abfälle zuvor zerkleinert und danach erst (mechanisch) sortiert werden, so handelt es sich bei der Anlage um eine Anlage zur "Zerkleinerung und (anschließenden) mechanischen Sortierung." Von einer solchen Anlage spricht der Ausnahmetatbestand aber nicht.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes beinhaltet der Begriff der "mechanischen Sortierung" daher die der Sortierung vorhergehenden Zerkleinerungsschritte nicht.

5. Wenn die Beschwerdeführerin meint, diese (im Ergebnis auch von der belangten Behörde vertretene) Ansicht führe den Sortierprozess ad absurdum, so übersieht sie, dass damit lediglich der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt ist; eine solche Anlage ist UVP-pflichtig. Dem Gesetzgeber hätte für den Fall einer von ihm gewünschten weitergehenden Interpretation des Begriffs "mechanische Sortierung" entweder bereits bei Gesetzwerdung des UVP-G 2000 oder danach durch eine andere Formulierung des Ausnahmetatbestandes oder auch durch eine klarstellende Definition eine andere Gestaltung der UVP-Pflicht vornehmen können.

6. Die Beschwerdeführerin erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass die belangte Behörde das von der Erstinstanz eingeholte Sachverständigengutachten ignoriert habe. Damit übersieht sie aber, dass die vom Sachverständigen geschilderten Abläufe in der Anlage, insbesondere die Zerkleinerung im Shredder als notwendige Vorbereitung für die Sortierung auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen wurden. Es kommt auch nicht darauf an, wie die Anlage vom Sachverständigen bezeichnet wird (hier: "integrierte Shredderanlage zur mechanischen Sortierung"). Aufbauend auf den Feststellungen des Sachverständigen erster Instanz traf die belangte Behörde eine andere rechtliche Beurteilung als die Behörde erster Instanz. Ein Verfahrensmangel liegt darin nicht.

7. Wenn die Beschwerdeführerin schließlich weiters geltend macht, aus Anhang II der UVP-Richtlinie 2011/92/EU ergebe sich eine ausschließliche Erfassung von Abfallbeseitigungsanlagen und Anlagen zur Vorbehandlung, Behandlung und Verwertung würden nicht angeführt, weshalb der nationale Gesetzgeber durch Erfassung von "sonstigen Anlagen zur Behandlung" in der Z 2 der lit. c des Anhangs 1 des UVP-G 2000 deutlich über europarechtliche Vorgaben hinausgeschossen sei und keine weite Auslegung des Ausnahmetatbestandes greifen könne, so ist daraus nichts zu gewinnen, weil nach Erwägungsgrund Punkt 3 der genannten Richtlinie die Mitgliedstaaten(auch) in Bezug auf die Art der zu prüfenden Projekte strengere Umweltrechtsvorschriften festlegen können.

8. Der angefochtene Bescheid verletzte keine Rechte der Beschwerdeführerin. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil der Verwaltungsgerichtshof nach Stattfinden eines Verfahrens vor dem Umweltsenat, einem Tribunal im Sinn der EMRK, angerufen wurde und die Beschwerdeführerin vor dem Umweltsenat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zuerst (mit Schriftsatz vom 11. April 2013) verlangt, diesen Antrag dann aber unter Hinweis auf Rechtsprechung des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes mit Schriftsatz vom 7. Mai 2013 zurückgezogen hat (vgl. zu Fällen fehlender Antragstellung die hg. Erkenntnisse vom 24. März 2011, 2009/07/0160, und vom 21. März 2001, 98/10/0401).

10. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-AufwErsV, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 455.

Wien, am 23. April 2014

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