VwGH 2005/07/0144

VwGH2005/07/014426.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der H-GmbH & Co KG in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Mag. Johannes Blum und MMag. Dr. Markus Hagen, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 13. September 2005, Zl. US 1B/2005/11-7, betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000, zu Recht erkannt:

Normen

UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a;
UVPG 2000 Anh1 Spalte1 Z2 litc;
UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a;
UVPG 2000 Anh1 Spalte1 Z2 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 16. August 2002 beantragte die beschwerdeführende Partei beim Landeshauptmann von Vorarlberg (LH) die Erteilung einer Genehmigung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz für die Errichtung und den Betrieb einer Aufbereitungsanlage für Restabfälle und getrennt gesammelte Kunststoffabfälle sowie einer Trocknungsanlage für Restabfallfraktionen.

Da im Zuge des Ermittlungsverfahrens Zweifel auftauchten, ob die in ihrer Kapazität auf 90.000 t/a angelegte Anlage unter den Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) fiel und demnach von der Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens befreit war, schränkte die beschwerdeführende Partei ihren Genehmigungsantrag auf eine Kapazität von unter 35.000 t/a ein.

Mit Bescheid des LH vom 23. Dezember 2002 wurde der beschwerdeführenden Partei die abfallrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer mechanischen Aufbereitungsanlage für Restabfälle und getrennt gesammelte Kunststoffabfälle mit einer Kapazität von 34.900 t/a erteilt.

Mit Eingabe vom 23. Dezember 2003 beantragte die beschwerdeführende Partei beim LH die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung einer Änderung der mit Bescheid des LH vom 23. Dezember 2002 genehmigten Anlage, wobei insbesondere die Kapazität auf 90.000 t/a erweitert werden sollte.

Mit Eingabe vom 10. März 2004 beantragte die beschwerdeführende Partei die Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, dass die Änderung der Anlage nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sei.

Mit Bescheid vom 21. April 2005 stellte die Vorarlberger Landesregierung gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 7, 3a Abs. 4 und 46 Abs. 18 Z. 3 UVP-G 2000 fest, dass die Änderung der Aufbereitungsanlage der beschwerdeführenden Partei den Tatbestand des § 3a Abs. 2 Z. 1 iVm Anhang 1 Z. 2 Spalte 1 lit. c UVP-G 2000 erfülle, jedoch durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UVP-G 2000 nicht zu rechnen und aus diesem Grund eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen sei.

In der Begründung heißt es, das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei (Änderung ihrer Abfallbehandlungsanlage) erfülle nicht den Ausnahmetatbestand nach Anhang 1 Z. 2 Spalte 1 lit. c UVP-G 2000 ("Anlagen zur ausschließlich stofflichen Verwertung oder mechanischen Sortierung"). Die Zerkleinerung von Abfällen sei nämlich keine mechanische Sortierung, sondern eine physikalische Behandlung. Darüber hinaus erschöpfe sich die Behandlung der Abfälle nicht in einer mechanischen Aufbereitung, sondern umfasse auch den Teilschritt der thermischen Behandlung der Trocknung. Bei dieser Trocknung werde durch den Einsatz von Wärme (vorgewärmter Trocknungsluft) das Wasser entfernt und eine trockene Fraktion hergestellt. Der abfalltechnisch/chemische Amtssachverständige habe zur Trocknung ausgeführt, dass es sich dabei um ein physikalisch-thermisches Verfahren handle. Dabei werde durch den Einsatz von Wärme eine Abtrennung von Stoffen (vorwiegend Wasser, leicht flüssige Stoffe) aus dem Abfallgemisch vorgenommen. Der Amtssachverständige komme zum Schluss, dass die Trocknung daher in die Kategorie der physikalischen Behandlungsverfahren einzustufen sei. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der Trocknung durch den Einsatz von Wärme um ein vorwiegend thermisches Verfahren handle.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführende Partei und die Gemeinde L Berufung.

Die beschwerdeführende Partei wandte sich gegen die Feststellung, dass ihr Vorhaben (Änderung der genehmigten Abfallbehandlungsanlage) nicht dem Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Z 2 Spalte 1 lit. c UVP-G 2000 zuzuordnen sei.

Die Gemeinde L machte geltend, für das Vorhaben sei ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchzuführen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. September 2005 gab die belangte Behörde der Berufung der Marktgemeinde L insofern Folge, als festgestellt wurde, dass für das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei, die Input-Kapazität der Behandlungsanlage für nicht gefährliche Abfälle von weniger als 35.000 t/a auf 90.000 t/a zu erhöhen, gemäß § 3a Abs. 1 Z. 1 iVm Anhang 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Die Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde abgewiesen.

In der Begründung heißt es, der im UVP-G 2000 nicht näher definierte Begriff "mechanische Sortierung" werde im Abfallwirtschaftsgesetz nicht verwendet, sodass aus dem AWG 2002 keine Anhaltspunkte für die Auslegung gewonnen werden könnten. Die Umschreibung des Ausnahmetatbestandes im UVP-G 2000 im Vergleich zur Wortwahl im UVP-G 1993 und die Materialien zu dieser Ausnahmebestimmung zeigten, dass der Gesetzgeber die Ausnahmen von der UVP-Pflicht gegenüber der Regelung des UVP-G 1993 weiter habe einschränken wollen. Während im UVP-G 1993 generell "Aufbereitungs- und Sortierungsanlagen" ausgenommen gewesen seien, seien nunmehr allein Anlagen "zur ausschließlich stofflichen Verwertung oder mechanischen Sortierung" ausgenommen. Die Gesetzesmaterialien betonten, dass zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen nunmehr auch Aufbereitungsanlagen von der UVP-Pflicht erfasst seien. Die Verwendung des Begriffes "mechanisch" weise nach Ansicht der belangten Behörde eindeutig darauf hin, dass Behandlungs- und insbesondere Sortierungsschritte unter Einsatz thermischer oder chemischer Verfahren nicht privilegiert seien (Hinweis auf Bergthaler, UVP-Pflicht und Verfahren für Abfallbehandlungsanlagen, in: Bergthaler/Wolfslehner, Das Recht der Abfallwirtschaft2, 106 f), also vom Ausnahmetatbestand für die "mechanische Sortierung" nicht erfasst seien. Eine strenge, einschränkende Auslegung des Begriffes "mechanische Sortierung" sei daher nicht nur deshalb angebracht, weil es sich um einen Ausnahmetatbestand handle, sondern sei auch wegen der dargestellten Neufassung der Ausnahmebestimmung geboten.

In der zu beurteilenden Anlage würden jedenfalls mit der Vorsortierung von Industrie- und Gewerbeabfällen auch Behandlungsschritte gesetzt, die unzweifelhaft als mechanische Sortierung zu werten seien. Wie aus dem abfalltechnischen Gutachten schlüssig hervorgehe, gelange in der zu beurteilenden Anlage jedoch eine Kombination von mechanischen und physikalischthermischen Behandlungsschritten zum Einsatz. Wie aus dem abfalltechnischen Gutachten und der Funktionsbeschreibung der Anlage hervorgehe, stehe die Trocknungskomponente der Anlage in funktionellem, verfahrenstechnischem Zusammenhang mit den übrigen Schritten der Sortierung und Zerkleinerung. Wie auch in der Beschreibung des Verfahrensablaufes festgehalten werde, sei die Trocknung von besonderer Bedeutung für den Prozess, weil die anschließenden Trennschritte mit einer höheren und saubereren Trennschärfe für die weitere Verwertung gewährleistet werden könnten. Der Ansicht der beschwerdeführenden Partei, wonach auch bei Annahme eines räumlichen und sachlichen Zusammenhanges zwischen der Sortier- und der Trocknungsanlage keine UVP-Pflicht vorliege, könne daher nicht gefolgt werden. Wenn alle mit der mechanischen Sortierung in einem Verfahrenszusammenhang stehenden Behandlungsschritte zur Anwendung des Ausnahmetatbestandes führen sollten, wäre die Beifügung des Wortes "mechanisch" in der Ausnahmebestimmung überflüssig. Das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei könne daher nicht dem Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 zugeordnet werden. Vor diesem Hintergrund könne es dahingestellt bleiben, ob die in der Anlage vorgenommenen Schritte der Zerkleinerung als mechanische Sortierung qualifiziert werden könnten. Gegen eine Qualifikation der Zerkleinerung als Sortierung spreche die fachsprachliche und lexikalische Definition des Sortierens als bloßes "Ordnen" anhand bestimmter Merkmale und die davon im Sprachgebrauch unterschiedene Zerteilung von Stoffen. Zwar möge die Zerkleinerung - wie das abfalltechnische Gutachten ausführe - notwendig für die Sortierung sein und insoweit als Teil der mechanischen Sortierung angesehen werden können. Die Entstehungsgeschichte der Ausnahmeregelung und der Charakter als Ausnahmetatbestand sprächen aber eher dafür, die Behandlungsschritte des Zerkleinerns oder Pressens von Abfällen nicht als "mechanische Sortierung" zu qualifizieren.

Auf Grund des funktionellen, sachlichen und räumlichen Zusammenhanges der Einrichtungen zur Trocknung mit den Anlagenteilen zur Sortierung der Abfälle könne die zu beurteilende Anlage jedenfalls nicht als Anlage zur ausschließlichen mechanischen Sortierung angesehen werden, die gemäß Anhang 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 von der UVP-Pflicht ausgenommen sei.

Da der Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 nicht erfüllt sei, sei zu prüfen gewesen, ob durch die Änderungen einschließlich der Kapazitätsausweitung auf 90.000 t/a eine UVP erforderlich sei.

Gemäß § 3a Abs. 1 UVP-G 2000 sei die Änderung von Vorhaben, die eine Kapazitätsausweitung von mindestens 100% des in Spalte 1 oder 2 des Anhanges 1 festgelegten Schwellenwertes erreichten, einer UVP zu unterziehen.

Bei der Verwirklichung der geplanten Änderung würde eine Kapazitätsausweitung von 34.900 t/a auf 90.000 t/a und somit um mehr als 100% des festgelegten Schwellenwertes von 35.000 t/a erreicht. Das Änderungsvorhaben sei daher gemäß § 3a Abs. 1 Z. 1 UVP-G 2000 einer UVP zu unterziehen.

Die von der Erstbehörde angewandte Übergangsbestimmung des § 46 Abs. 18 Z. 3 UVP-G 2000 komme nicht zum Tragen, weil am 31. Mai 2005 kein rechtskräftiger Bescheid nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 vorgelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, im erstinstanzlichen Verfahren habe ein Amtssachverständiger die verfahrensgegenständliche Anlage als Anlage zur mechanischen Sortierung qualifiziert. Dieses Gutachten hätten die Behörden beider Rechtsstufen unbeachtet gelassen, weil sie der unzutreffenden Meinung gewesen seien, bei der Frage, ob eine Anlage zur ausschließlichen mechanischen Sortierung von Abfällen vorliege, handle es sich um eine Rechtsfrage. Es seien auch keinerlei Ermittlungen über den Zusammenhang zwischen der Input-Kapazität der Trocknungsanlage und der mechanischen Sortierungsanlage getroffen worden. Insbesondere fehlten Ermittlungen darüber, ob die 20.000 t/a der Input-Kapazität der Trocknungsanlage mit den geplanten 90.000 t/a der mechanischen Sortierung in einem solchen Zusammenhang stünden, dass diese für die Berechnung des Schwellenwertes relevant seien.

Die Auffassung der belangten Behörde, es liege keine Anlage zur ausschließlich mechanischen Sortierung vor, sei unzutreffend. Die Zerkleinerung des Abfalls sei dem Begriff der mechanischen Sortierung zuzuordnen. Die Trocknung stehe im Verhältnis zur mechanischen Sortierung in einem untergeordneten Verhältnis und könne daher nicht verhindern, dass die gesamte Anlage als Anlage zur ausschließlich mechanischen Sortierung des Abfalls anzusehen sei. Bei Zugrundelegung der Auffassung der belangten Behörde gehe die Ausnahmebestimmung des Anhanges 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 ins Leere.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 1 erster Satz UVP-G 2000 sind Vorhaben, die in Anhang 1 des UVP-G 2000 angeführt sind sowie Änderungen dieser Vorhaben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen des UVP-G 2000 einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

§ 3a UVP-G 2000 enthält nähere Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Änderungen von Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.

Dass das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei die im § 3a normierten Voraussetzungen für eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt, wurde von der belangten Behörde festgestellt und wird von der beschwerdeführenden Partei auch nicht bestritten. Diese meint aber, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei deswegen nicht durchzuführen, weil das Vorhaben unter den Ausnahmetatbestand des Anhanges 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 falle.

Anhang 1 Spalte 1 Z. 2 lit. c UVP-G 2000 lautet:

"c) sonstige Anlagen zur Behandlung (thermisch, chemisch, physikalisch, biologisch, mechanisch-biologisch) von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Kapazität von mindestens 35.000 t/a oder 100 t/d, ausgenommen sind Anlagen zur ausschließlich stofflichen Verwertung oder mechanischen Sortierung."

Demnach sind sonstige - also andere als die in den lit. a und b der Spalte 1 Z. 2 des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 genannten - Anlagen zur Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer bestimmten Kapazität einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Ausgenommen von dieser Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht sind Anlagen "zur ausschließlich stofflichen Verwertung oder mechanischen Sortierung".

Aus der Beschreibung der Anlage der beschwerdeführenden Partei im angefochtenen Bescheid, die auf den von der Erstbehörde eingeholten Gutachten beruht, ergibt sich, dass in dieser Anlage der Abfall auch getrocknet und zerkleinert wird. Die Trocknungskomponente steht in funktionellem, verfahrenstechnischem Zusammenhang mit den übrigen Behandlungsschritten der Sortierung und Zerkleinerung. Eine Trocknung des Abfalls ist aber keine "mechanische Sortierung".

Für die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, eine lediglich untergeordnete Funktion der Trocknung gegenüber der mechanischen Sortierung führe dazu, dass die Anlage als Anlage zur mechanischen Sortierung einzustufen sei, enthält das Gesetz keinen Anhaltspunkt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Kostenersatz war nicht zuzusprechen, da kein entsprechender Antrag gestellt wurde.

Wien, am 26. Jänner 2006

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