Normen
BVergG 2006 §2 Z26 lita;
BVergG 2006 §334 Abs2;
BVergG 2006 §334 Abs4;
BVergG 2006 §334 Abs5;
BVergG 2006 §334 Abs7;
BVergG 2006 §334;
LVergRG Stmk 2012 §22 Abs4;
LVergRG Stmk 2012 §22 Abs7;
LVergRG Stmk 2012 §22 Abs8;
LVergRG Stmk 2012 §22;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die Stadtgemeinde
G. ist. Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin ist die Jugend- und Kinderbetreuung, insbesondere der Betrieb der Kindergärten und Kinderkrippen der Stadt G.
Am 27. März 2011 wurde in der Gemeinderatssitzung der Stadtgemeinde G. der Grundsatzbeschluss gefasst, zwei Kindergärten und eine Kinderkrippe im "Haus des Kindes" zu etablieren, wofür das bestehende Hauptschulgebäude umgebaut und adaptiert werden sollte. Aufgrund der ermittelten Auftragssumme von EUR 82.000,00 entschloss sich die Beschwerdeführerin als Auftraggeberin zur Direktvergabe und lud fünf Architekten zur Angebotslegung ein. In der Stadtratssitzung vom 15. Mai 2012 wurde beschlossen, den Auftrag an DI G. zu vergeben. Der Abschluss des Werkvertrages erfolgte zunächst nicht.
In weiterer Folge entschloss sich die Beschwerdeführerin, auch die örtliche Bauaufsicht (ÖBA) sowie weitere Planungsleistungen für das "Haus des Kindes" als eigenständige Leistungen auszuschreiben. Die Beschwerdeführerin ging jeweils von einem Auftragswert von unter EUR 100.000,00 aus und wählte jeweils den Weg der Direktvergabe. Hinsichtlich der ÖBA und der Planungsleistungen für den Bereich Tiefgarage/Außenanlagen wurden jeweils ein Ziviltechniker und wiederum jeweils DI G. zur Angebotslegung eingeladen. Die Beschwerdeführerin beschloss nach Verhandlungen mit den Bietern, alle drei Teilleistungen an DI G. zu vergeben und zwar zu einem Nettopreis von EUR 76.800,00 für den ersten Teil der Planungsleitungen, EUR 60.400,00 für die Planung von Tiefgarage/Außenanlagen und EUR 76.800,00 für die Bauaufsicht, somit insgesamt EUR 214.000,00 netto. Der Werkvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und DI G. wurde am 8. Oktober 2012 abgeschlossen. Der Leistungsumfang in diesem Werkvertrag wurde wie folgt umschrieben:
"Die Architektenplanungsleistungen mit den Baulichen Planungsleistungen für den Bereich der Sanierung des Gebäudes der bestehenden Sonnenhauptschule in G., mit dem Bereich und Bauabschnitt Tiefgarage, dem Neubau der Kindergrippe und der Freianlagengestaltung und die örtliche Bauaufsicht für die baulichen Planungsleistungen und der Freianlagengestaltung, ohne Projektsteuerungsleistungen und ohne Leistungen für die Innenraumgestaltung, mit den dazugehörigen Leistungsbildern gemäß HOA 2004."
Der Baubeginn wurde mit Mai 2013, die Baufertigstellung mit 31. Mai 2014 vorgesehen.
Am 29. November 2012 stellte der Mitbeteiligte den Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens und begehrte die Feststellung, die Vergabe des Dienstleistungsauftrages vom 8. Oktober 2012 betreffend die Beschaffung von Architektenleistungen im Bereich Planung und örtliche Bauaufsicht für das Bauvorhaben "Haus des Kindes" ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb sei wegen Verstoßes gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, die dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares EU Recht rechtswidrig gewesen.
Hinsichtlich der Leistungsteile "Architektenleistungen für das Projekt Haus des Kindes" und "Planungsleistungen für die Tiefgarage/Außenanlagen" wurden von DI G. hinsichtlich Vorentwurf, Entwurf und Einreichplanung bereits Leistungen im Betrag von EUR 74.000,00 erbracht und seitens der Beschwerdeführerin auch bezahlt. Hinsichtlich der noch ausstehenden Leistungsteile wurde der gegenständliche Vertrag mit Auflösungsvereinbarung vom 31. Jänner 2013 einvernehmlich vorzeitig beendet.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Mitbeteiligten statt (Spruchpunkt I) und verpflichtete die Beschwerdeführerin zur Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von EUR 10.000 (Spruchpunkt II).
Ausgehend von dem oben wiedergegebenen, unbestritten gebliebenen Sachverhalt führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Begründung aus, es sei zu prüfen, ob die Auftragswerte der verfahrensgegenständlichen drei Teilleistungen aufgrund ihres sachlichen Zusammenhanges zusammenzurechnen gewesen wären oder nicht. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stehe es grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers, ob er sich für eine Gesamt- oder Teilvergabe entscheide. Dieses Ermessen dürfe jedoch nicht willkürlich geübt werden. Vielmehr habe der Auftraggeber sein Ermessen nach wirtschaftlichen oder technischen Gesichtspunkte auszuüben und dabei auch die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung der Bieter zu beachten. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolge das Verbot einer willkürlichen Aufteilung eines Auftrages den Zweck, Manipulationen zu verhindern.
Weiters verwies die belangte Behörde auf das "Aufteilungsverbot" nach § 13 Abs. 4 BVergG 2006 und auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2010, 2007/04/0188. Die nachträglich erfolgte Auflösung des Vertrages könne an der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise, die zum Vertragsabschluss geführt hätte, nichts mehr ändern.
Grundsätzlich folge aus der Rechtswidrigkeit, dass der Vertrag ex tunc für nichtig zu erklären sei. Im vorliegenden Fall könnten die erbrachten Leistungen nicht mehr zurückgestellt werden, sodass der Vertrag nur hinsichtlich der ausständigen Leistungen aufgehoben werden könnte. Dies sei wegen der bereits geschehenen Vertragsauflösung nicht mehr möglich, jedoch sei deshalb nicht von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen. Da es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handle, betrage die Höchstgrenze für die Geldbuße 20% der Auftragssumme. Bei der Bemessung sei als mildernd zu berücksichtigen, dass der Vertrag nur zu einem Drittel aufrechterhalten worden sei und keinerlei derartige Vorgangsweisen der Beschwerdeführerin bekannt seien. Erschwerungsgründe lägen nicht vor. Es könne mit einer moderaten Geldbuße von weniger als 4% das Auslangen gefunden werden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte ebenso wie der Mitbeteiligte die Abweisung der Beschwerde.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. Gemäß § 79 Abs. 1 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
4.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 2006 lauten auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
(...)
26. Preis:
Angebotspreis (Auftragssumme) ist die Summe aus Gesamtpreis und Umsatzsteuer (zivilrechtlicher Preis)
(...)
Allgemeine Bestimmungen betreffend die Berechnung des
geschätzten Auftragswertes
§ 13. (1) Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes eines öffentlichen Auftrages ist der Gesamtwert ohne Umsatzsteuer, der vom Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen ist. Bei dieser Berechnung ist der geschätzte Gesamtwert aller der zum Vorhaben gehörigen Leistungen einschließlich aller Optionen und etwaiger Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen.
(...)
(3) Der geschätzte Auftragswert der auszuschreibenden Leistung ohne Umsatzsteuer ist vom Auftraggeber vor der Durchführung des Vergabeverfahrens sachkundig zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung ist der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens durch den Auftraggeber. Bei Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung ist dies der Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung gemäß § 46, bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die erste nach außen in Erscheinung tretende Festlegung.
(4) Die Wahl der angewandten Berechnungsmethode darf nicht den Zweck verfolgen, die Anwendung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes zu umgehen.
(...)
Berechnung des geschätzten Auftragswertes bei
Dienstleistungsaufträgen
§ 16. (1) Bei Aufträgen über die folgenden Dienstleistungen ist als geschätzter Auftragswert anzusetzen:
(...)
3. bei Aufträgen, die Planungsleistungen zum Gegenstand haben, die Gebühren, Provisionen sowie andere vergleichbare Vergütungen.
(...)
(4) Besteht eine Dienstleistung aus der Erbringung gleichartiger Leistungen in mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.
(5) Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert der Lose die in § 12 Abs. 1 Z 1 oder 2 genannten Schwellenwerte, so gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Oberschwellenbereich für die Vergabe aller Lose. Dies gilt nicht für jene Lose, deren geschätzter Auftragswert weniger als 80 000 Euro beträgt, sofern der kumulierte Wert der vom Auftraggeber ausgewählten Lose 20 vH des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. Für die Vergabe dieser Lose gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbereich.
(6) Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert der Lose die in § 12 Abs. 1 Z 1 oder 2 genannten Schwellenwerte nicht, so gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbereich für die Vergabe aller Lose. Lose, deren geschätzter Auftragswert weniger als 50 000 Euro beträgt, können im Wege der Direktvergabe vergeben werden, sofern der kumulierte Wert der vom Auftraggeber ausgewählten Lose 40 vH des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. (...)
3. Abschnitt
Nur im Unterschwellenbereich zugelassene Vergabeverfahren
(...)
Direktvergabe
§ 41. (1) Für die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Wege der Direktvergabe gelten ausschließlich der 1. Teil, die §§ 3 Abs. 1, 4 bis 6, 9, 10, 13 bis 16, 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 bis 4, 25 Abs. 10, 42 Abs. 2, der 4. bis 6. Teil sowie die Vorschriften der Abs. 2 bis 4. (2) Eine Direktvergabe ist nur zulässig, wenn der geschätzte Auftragswert 100 000 Euro nicht erreicht."
4.2.2. § 22 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz 2012 (StVergRG 2012), LGBl. Nr. 80/2012, lautet auszugsweise:
"§ 22 Feststellung von Rechtsverstößen, Nichtigerklärung und
Verhängung von Sanktionen
(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 1 und Abs. 4 Z 1 und 3 nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war.
(2) Soweit in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 nicht anderes bestimmt ist, hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Oberschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 oder 5 abzusehen, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat und zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es rechtfertigen, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, können die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht rechtfertigen, andere wirtschaftliche Interessen nur dann, wenn die Nichtigkeit in Ausnahmefällen unverhältnismäßige Folgen hätte.
(3) Soweit in den Abs. 4 bis 6 nicht anderes bestimmt ist, hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Unterschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären, wenn die festgestellte Vorgangsweise der Auftraggeberin/des Auftraggebers auf Grund der bundesgesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens, der dazu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren EU-Rechts offenkundig unzulässig war.
(4) Kann die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert rückgestellt werden, so hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt, im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 auszusprechen, dass der Vertrag nur so weit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind.
(5) Der Unabhängige Verwaltungssenat kann im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 bis 5 aussprechen, dass der Vertrag mit dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung oder einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dafür das Interesse der Auftraggeberin/des Auftraggebers an der Aufrechterhaltung bestimmter vertraglicher Rechte und Pflichten, das Interesse der Antragstellerin/des Antragstellers an der Aufhebung des Vertrages sowie allfällige betroffene öffentliche Interessen gegeneinander abzuwägen.
(6) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages gemäß Abs. 3 oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 oder 5 im Unterschwellenbereich abzusehen, wenn die Auftraggeberin/der Auftraggeber dies beantragt hat und das Interesse der Auftraggeberin/des Auftraggebers an der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses das Interesse der Antragstellerin/des Antragstellers an der Beendigung des Vertragsverhältnisses - auch unter der Berücksichtigung der jeweils betroffenen öffentlichen Interessen - überwiegt.
(7) Wenn der Unabhängige Verwaltungssenat von der Nichtigerklärung des Vertrages gemäß Abs. 2 erster Satz oder Abs. 3 abgesehen hat, dann ist eine Geldbuße über die Auftraggeberin/den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt 20 %, im Unterschwellenbereich 10 % der Auftragssumme. Geldbußen fließen der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (SFG) zu.
(8) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise der Auftraggeberin/des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrechterhalten wird.
(...)"
4.2.3. § 5 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, lautet:
"Bemessung der Verbandsgeldbuße
§ 5. (1). Bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze hat das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
(2) Die Anzahl ist insbesondere umso höher zu bemessen,
1. je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, für die der Verband verantwortlich ist;
2. je höher der aus der Straftat vom Verband erlangte Vorteil ist;
3. je mehr gesetzwidriges Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder begünstigt wurde.
(3) Die Anzahl ist insbesondere geringer zu bemessen, wenn
1. der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat;
2. der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist (§ 3 Abs. 3);
3. er nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;
- 4. er die Folgen der Tat gutgemacht hat;
- 5. er wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat.
6. die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat."
4.2.4. Die relevanten Bestimmungen der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge idF der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (RechtsM-RL) lauten auszugsweise:
"Artikel 2d
Unwirksamkeit
(1) Die Mitgliedstaaten tragen in folgenden Fällen dafür Sorge, dass ein Vertrag durch eine vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle für unwirksam erklärt wird oder dass sich seine Unwirksamkeit aus der Entscheidung einer solchen Stelle ergibt, (...)
(2) Die Folgen der Unwirksamkeit eines Vertrages richten sich nach innerstaatlichem Recht. Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften können somit vorsehen, dass alle vertraglichen Wirkungen rückwirkend aufgehoben werden oder dass die Wirkung der Aufhebung auf die Verpflichtungen beschränkt ist, die noch zu erfüllen sind. Im letzteren Fall tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass auch alternative Sanktionen im Sinne des Artikel 2e Absatz 2 Anwendung finden.
(...)
Artikel 2e
Verstöße gegen diese Richtlinie und alternative
Sanktionen
(1) (...) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle nach Bewertung aller einschlägigen Aspekte entscheidet, ob der Vertrag als unwirksam erachtet oder alternative Sanktionen verhängt werden sollen.
(2) Die alternativen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Sie umfassen Folgendes: - die Verhängung von Geldbußen bzw. -strafen gegen den öffentlichen Auftraggeber oder - die Verkürzung der Laufzeit des Vertrages. Die Mitgliedstaaten können der Nachprüfungsstelle einen weiten Ermessenspielraum einräumen, damit sie alle relevanten Faktoren berücksichtigen kann, einschließlich der Schwere des Verstoßes, des Verhaltens des öffentlichen Auftraggebers und - in den in Art. 2d Absatz 2 genannten Fällen - des Umfangs, in dem der Vertrag seine Gültigkeit behält.
(...)"
4.3. Zu Spruchpunkt I:
Zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage des Vorliegens eines (einheitlichen) Vergabevorhabens kann zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 23. Mai 2014, 2013/04/0025, verwiesen werden.
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid mit der für den vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - das waren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die im obzitierten Erkenntnis angeführten hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 2010, 2007/04/0188, sowie vom 22. Juni 2011, 2011/04/0116 - und der Judikatur des EuGH ausführlich auseinandergesetzt und die nach dieser Rechtsprechung maßgebenden Kriterien fallbezogen richtig angewendet. Ausgehend von den im zitierten Erkenntnis vom 23. Mai 2014, 2013/04/0025, zusammengefasst dargestellten Grundsätzen und angesichts des offenkundigen Zutreffens sämtlicher für eine Zusammenrechnung sprechender Kriterien teilt der Verwaltungsgerichtshof das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde.
Die Argumentation der Beschwerde, die Beschwerdeführerin habe die Aufträge einzeln in zeitlich gestaffelter Abfolge vergeben, ist schon deshalb nicht zielführend, weil - abgesehen davon, dass die Beschwerde vom festgestellten Sachverhalt abweicht, wonach DI G. mit allen Leistungen in einem einzigen Vertrag beauftragt wurde - die Frage der gemeinsamen oder getrennten Vergabe von Leistungen von der Berechnung des geschätzten Auftragswertes zu unterscheiden ist.
4.4. Zu Spruchpunkt II:
Die Beschwerde wendet sich gegen das Vorliegen der Voraussetzung für das Verhängen einer Geldbuße und bringt vor, wegen der einvernehmlichen Auflösung des (Rest)Vertrages seien lediglich Leistungen im Gegenwert von EUR 74.000,00 erbracht worden. Diese Leistungen hätten wegen ihres EUR 100.000,00 nicht erreichenden Umfangs rechtskonform im Wege der Direktvergabe vergeben werden dürfen. Die belangte Behörde mache die Geldbuße jedoch gerade an jenem Teil der Leistungen fest, ohne zu berücksichtigen, dass gerade diese Leistungen nicht rechtswidrig vergeben worden seien.
4.4.1. In dem zur mit § 22 StVergRG 2012 vergleichbaren Bestimmung des § 334 BVergG 2006 ergangenen Erkenntnis vom 18. März 2015, 2012/04/0070, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Verhängung einer Geldbuße im Falle teilweiser Aufrechterhaltung des vergaberechtswidrig abgeschlossenen Vertrages unter anderem ausgeführt:
"Eine Nichtigerklärung nach § 334 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 hat nur zu erfolgen, wenn in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 leg. cit. nicht anderes bestimmt ist. (...) § 334 Abs. 4 BVergG 2006 bestimmt, dass das Bundesvergabeamt auszusprechen hat, dass der Vertrag nur soweit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind, wenn die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert zurückgestellt werden kann. (...) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 334 Abs. 4 erster Halbsatz BVergG 2006 ist nicht mit Nichtigerklärung (ex tunc) des Vertrages im Sinne des § 334 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 vorzugehen, sondern der Vertrag nur soweit aufzuheben, als Leistungen noch ausständig sind oder erbrachte Leistungen ohne Wertminderung rückstellbar sind. In dem keiner Rückabwicklung zugänglichen Umfang des missbilligten Vertrages verbleibt als einzige Sanktionsmöglichkeit des rechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers die gemäß § 334 Abs. 7 BVergG 2006 ausdrücklich für den Fall des Absehens von der Nichtigerklärung gemäß § 334 Abs. 2 erster Satz oder 3 BVergG 2006 vorgesehene Verhängung einer Geldbuße."
Diese Ausführungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar.
4.4.2. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, hinsichtlich des bereits erfüllten Vertragsteiles sei die rückwirkende Aufhebung des Vertrages nicht möglich und aus diesem Grund im Sinne des § 334 Abs. 4 BVergG 2006 vom Ausspruch einer Aufhebung abzusehen.
Auch die Aufrechterhaltung des bereits wechselseitig erfüllten Vertragsteiles ist unter die Bestimmung des § 22 Abs. 7 StVergRG 2012 zu subsumieren und insoweit mit der Verhängung der Geldbuße vorzugehen (vgl. zu dem vergleichbaren Tatbestand eines partiell nicht rückabwickelbaren Vertrages das bereits oben zitierte Erkenntnis, 2012/04/0070, mit Verweis auf RV 327 BlgNR 24. GP , 38).
Daran ändert die Argumentation der Beschwerde nichts: Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin den rechtswidrig vergebenen Auftrag vorzeitig auflöste und damit der gemäß § 22 Abs. 4 StVergRG 2012 gebotenen Aufhebung des Vertrages hinsichtlich noch ausständiger Leistungen vorbeugte, beseitigt den gesetzten Vergaberechtsverstoß, der nach § 22 StVergRG 2012 zu sanktionieren ist, nicht. Eine nachträgliche Teilauflösung eines als einheitliches Vergabevorhaben zu qualifizierenden Vertrages ist für die vorzunehmende Beurteilung des Vorliegens eines vergaberechtlichen Tatbestandes irrelevant.
4.4.3. Die Beschwerdeführerin bringt gegen die Höhe der verhängten Geldbuße vor, die belangte Behörde sei bei deren Bemessung unrichtigerweise von der ursprünglichen Gesamtauftragssumme ausgegangen.
Gemäß § 22 Abs. 7 StVergRG 2012 beträgt die Höchstgrenze für die zu verhängende Geldbuße im Oberschwellenbereich 20% der Auftragssumme. Als Auftragssumme ist die Summe aus Gesamtpreis zuzüglich Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit. a BVergG 2006) des vergebenen Vertrages zu verstehen. Das Ausmaß, in welchem der zu sanktionierende Vertrag aufrechterhalten bleibt, ist nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 8 StVergRG 2012 im Rahmen der Bemessung zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung der Höchstgrenze gemäß Abs. 7 leg.cit. spielt der Umfang des aufrecht erhaltenen Vertragsteiles keine Rolle.
Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 9. September 2015
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