VwGH 2012/21/0121

VwGH2012/21/012111.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des I R in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. Mai 2012, Zl. III- 1165266/FrB/12, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs1;
FrPolG 2005 §46 Abs2a;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;
AVG §19 Abs1;
FrPolG 2005 §46 Abs2a;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 5. September 2003 einen Asylantrag. Dieser wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Oktober 2006 abgewiesen, gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei, und er wurde nach Nigeria ausgewiesen. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Juni 2005 war gegen ihn bereits davor rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdengesetz 1997 verhängt worden.

Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid vom 29. Mai 2012 wurde der - mittlerweile mit einer Österreicherin verheiratete - Beschwerdeführer aufgefordert, am 8. Juni 2012 um 11:45 zum Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) zu kommen. Als Zweck der Ladung wurde folgende Angelegenheit, an welcher der Beschwerdeführer beteiligt sei, angegeben: "Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Ausreiseentscheidung. Für Sie ist ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen. Eine Befragung zur Klärung Ihrer Identität und Herkunft ist erforderlich". Mitzubringen seien alle die "Identität (des Beschwerdeführers) bescheinigenden Dokumente". Weiters wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer persönlich erscheinen müsse. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wurden die zwangsweise Vorführung nach § 19 Abs. 3 AVG und die Erlassung eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Z 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG angedroht. Als weitere Rechtsgrundlage für den Ladungsbescheid wurde § 46 Abs. 2a FPG angeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, dass in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben ist, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind. Abs. 3 ordnet an, dass, wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung hat, der Ladung Folge zu leisten, und zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden kann. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war. Gemäß Abs. 4 ist gegen die Ladung oder die Vorführung kein Rechtsmittel zulässig.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Notwendigkeit der Ladung, weil seine Identität und Herkunft zweifelsfrei feststünden. Er habe nie etwas anderes behauptet, als nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, im Asylverfahren einen nigerianischen Pass vorgelegt, der seine Identität zweifelsfrei bestätige, und alle erforderlichen Identitätsdokumente beigeschafft, die zu seiner Eheschließung in Österreich notwendig gewesen seien. Es sei ihm nicht erklärlich, warum die belangte Behörde nun vermeine, seine Identität und Herkunft müssten einer Überprüfung unterzogen werden. Spätestens seit dem Jahr 2005 könnten keine Zweifel über seine Identität vorliegen.

Die belangte Behörde hat im Ladungsbescheid aber auch die Einholung eines Ersatzreisedokuments als Gegenstand der Amtshandlung angeführt. Es ging also offenkundig nicht in erster Linie um die Klärung der Identität des Beschwerdeführers für die österreichischen Behörden, sondern um die Ermöglichung einer Identitätsfeststellung durch die für die Ausstellung des Heimreisezertifikats zuständigen Vertreter Nigerias. Dass Ladungen eines Fremden zum Zweck einer Befragung durch Vertreter des Herkunftsstaates zulässig sind, wenn die weiteren Voraussetzungen des dafür als Rechtsgrundlage allein in Frage kommenden § 19 AVG erfüllt sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt (vgl. näher etwa das hg. Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2010/21/0221, mwN).

Dass der Beschwerdeführer aber bereits über ein - nach wie vor gültiges - Reisedokument verfügt hätte und die Ladung aus diesem Grund nicht notwendig gewesen wäre, hat er nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer meint weiters, dass er wegen einer Traumatisierung seit einem Übergriff der Polizei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, zum Ladungstermin persönlich zu erscheinen. Dies würde aber zum einen - jedenfalls in einem Fall wie dem hier vorliegenden - noch nicht die Ladung als solche rechtswidrig machen, sondern wäre allenfalls als Entschuldigungsgrund für ihre Nichtbefolgung zu berücksichtigen; zum anderen führt der Beschwerdeführer nicht konkret aus, inwiefern ein Befragungstermin bei der Bundespolizeidirektion Wien für ihn - auch unter Berücksichtigung eines für ihn traumatisierenden Polizeieinsatzes im Jahr 2007 - unzumutbar gewesen sein sollte.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung im Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung der Ladung vermag der Verwaltungsgerichtshof - unter der Voraussetzung, dass das Erscheinen des Geladenen notwendig ist - nicht zu teilen (vgl. auch Kopetzki, Art. 2 PersFrG, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 55, sowie - zu einer Beschuldigtenladung - VfSlg. 7.921/1976).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Juni 2013

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