VwGH 2012/17/0576

VwGH2012/17/05769.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des SS in Wien, vertreten durch Dr. Erich Jungwirth, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. September 2012, Zl. UVS- 06/42/8535/2012-14, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
VStG §30;
VStG §45;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
VStG §30;
VStG §45;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien - Büro für Waffen- und Veranstaltungsangelegenheiten vom 14. Juni 2012 wurde der Beschwerdeführer als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Sch KG der Übertretung des § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 25 Tage) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers in der Schuldfrage keine Folge, präzisierte den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses und setzte unter Bestätigung der verhängten Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage herab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe mit Schreiben vom 13. August 2012 den gegenständlichen Akt der Staatsanwaltschaft Wien im Hinblick auf die Frage des allfälligen Vorliegens eines Vergehens gemäß § 168 Abs. 1 StGB vorgelegt. Mit Benachrichtigung vom 10. September 2012 habe die Staatsanwaltschaft Wien die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt, weil der Tatbestand des § 168 Abs. 1 StGB nicht erfüllt gewesen sei. Der Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft entfalte Bindungswirkung. Es sei unbestritten, dass das verfahrensgegenständliche Gerät, welches dem Spieler lediglich die Möglichkeit biete, die Einsatzhöhe pro Spiel festzulegen, während dieser auf den Spielerfolg selbst keinen Einfluss nehmen könne, jedenfalls seit dem 24. Februar 2010 betrieben worden sei. Unbestritten sei ebenfalls, dass für das Glücksspielgerät weder eine Genehmigung nach dem Glücksspielgesetz noch nach dem Wiener Veranstaltungsgesetz vorliege. In Anbetracht der Einstellung des von der belangten Behörde initiierten Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Wien sei davon auszugehen, dass die Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz nicht hinter eine Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrete. Die von der Berufung ins Treffen geführten unionsrechtlichen Bedenken verwarf die belangte Behörde ebenso wie das Vorbringen der Berufung betreffend mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Tritt eine an sich bestehende verwaltungsrechtliche hinter der gerichtlichen Strafbarkeit zurück (Scheinkonkurrenz), so ist im Ergebnis auch keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen; in diesem Fall ist das Verfahren daher einzustellen (vgl. Kneihs in Raschauer/Wessely, VStG, § 45 Rz 6 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer Verfahrenseinstellung oder einem freisprechenden Urteil durch die Gerichte die Verwaltungsbehörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbständig zu beurteilen habe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, sowie die weiteren Nachweise der Rechtsprechung bei Stöger in Raschauer/Wessely, VStG, § 30 VStG, Rn. 8).

3.2. Bei der vorzunehmenden Beurteilung der Frage des Vorliegens eines gerichtlichen Straftatbestandes ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B 422/2013-9, ausgeführt hat, dass bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Programm veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache, dabei Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Auffassung im Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, angeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, Art. 4 7. ZPMRK stehe der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, nicht entgegen.

Die belangte Behörde hat ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, ob eines der auf dem verfahrensgegenständlichen Glücksspielgerät installierten Programme ein Spiel mit Einsätzen von mehr als EUR 10,-- ermöglicht hat. Der von der Beschwerde aufgezeigte wesentliche (sekundäre) Verfahrensmangel zur Beurteilung der Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes im Hinblick auf die allfällige Verwirklichung des gerichtlichen Straftatbestandes gemäß § 168 StGB liegt daher vor, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG schon deshalb als rechtswidrig aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 9. September 2013

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