VwGH 2012/13/0022

VwGH2012/13/002227.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der W in W, vertreten durch Dr. Angelika Tupy, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 21. Dezember 2011, Zl. RV/3946-W/10, miterledigt RV/3945-W/10, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2009,

Normen

UStG 1994 §12;
UStG 1994 §12;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird insoweit, als sie die Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 sowie insoweit, als sie die Einkommensteuer betrifft, zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Dezember 2001 zeigte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt die Absicht an, ein zur Vermietung bestimmtes Haus zu errichten und in Bezug auf die dabei anfallenden Rechnungen Vorsteuern geltend zu machen, was in den Umsatzsteuererklärungen der Folgejahre auch geschah. Im Dezember 2006 schloss die Beschwerdeführerin über das in diesem Jahr fertiggestellte Einfamilienhaus einen Mietvertrag mit ihren Eltern. In ihren Einkommensteuererklärungen wies sie ab 2006 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus.

Im Bericht über eine im Juli 2010 abgeschlossene Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, schon beim Bau des Vermietungsobjektes seien "die persönlichen Bedürfnisse der Eltern der Vermieterin im Vordergrund" gestanden. Der Prüfer führte dazu unter Hinweis auf eine am 12. März 2010 mit der Beschwerdeführerin aufgenommene Niederschrift u.a. aus, die Eltern seien schon als Mieter festgestanden, weshalb nicht nach anderen Mietern gesucht worden sei. Aus "privaten Motiven (z.B. zur Versorgung naher Angehöriger) eingegangene Mietverhältnisse" hätten "für den Bereich des Steuerrechts keine rechtliche Wirkung".

Der Prüfer kritisierte auch die von der Beschwerdeführerin zur Abwehr der Annahme von Liebhaberei vorgelegte Prognoserechnung, die kein Mietausfallsrisiko berücksichtigt habe. Bei "Ausfall der aktuellen Mieter (Eltern der Abgabepflichtigen)" scheine es "eher schwierig zu werden, geeignete Mieter für das Mietobjekt in (...) zu finden, da die Lage als eher unattraktiv" einzustufen und die Vermietbarkeit von Einfamilienhäusern "prinzipiell" als "eher schwierig" zu betrachten sei.

Auf der Grundlage dieses Prüfungsberichtes erließ das Finanzamt die sechzehn Bescheide über Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2009, deren Bestätigung durch die belangte Behörde die vorliegende Beschwerde bekämpft. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 (anstelle von Gutschriften für die geltend gemachten Vorsteuern) mit EUR 0,-- fest, reduzierte für das Jahr 2006 die Umsatzsteuergutschrift um die Differenz aus erklärter Umsatzsteuer und geltend gemachten Vorsteuern und gelangte für die Jahre 2007 bis 2009 zu geringeren als den sich aus erklärter Umsatzsteuer und (nun geringfügigen) Vorsteuern ergebenden Zahllasten. Die Einkünfte der Beschwerdeführerin stellte es für die Jahre 2002 bis 2005 mit EUR 0,--, für die Jahre 2006 und 2007 durch Eliminierung der (negativen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit jeweils (immer noch) negativen Gesamtbeträgen und für die Jahre 2008 und 2009 in jeweils so geringer Höhe fest, dass sich auch für diese Jahre jeweils eine Einkommensteuer in der Höhe von EUR 0,-- ergab.

In ihrer Berufung gegen diese Bescheide wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Schlussfolgerungen aus der mit ihr aufgenommenen Niederschrift, wozu sie u.a. vorbrachte, die Vermietung an die Eltern sei "ursprünglich nicht geplant" gewesen und habe "sich erst im Laufe der Zeit" ergeben. Der "Entschluss der Eltern", dass "sie das Haus mieten könnten", sei erst "gegen Ende der Baufertigstellung" entstanden. Daran anschließend legte die Beschwerdeführerin Gründe für die "Bevorzugung der Eltern als Mieter gegenüber fremden Dritten" dar. Die mit den Eltern vereinbarte Miete sei marktüblich und werde bereits im Jahr 2021 zu einem Gesamtüberschuss führen. Die Attraktivität des Gebietes, in dem sich das Objekt befinde, werde weiter zunehmen, doch sei mit langen Leerstehungszeiten auch deshalb nicht zu rechnen, weil es angesichts der statistischen Lebenserwartung und des Alters der Eltern der Beschwerdeführerin "bis zur Erreichung eines Gesamtüberschusses mit hoher Wahrscheinlichkeit zu keiner Neuvermietung kommen" werde. Das Haus diene auch nicht der "Versorgung naher Angehöriger". Es werde von den in Wien wohnhaften Eltern bloß als Ferienhaus benützt.

Die belangte Behörde forderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. September 2011 u.a. zur Vorlage der "Unterlagen" auf, auf deren Grundlage sie behaupte, dass die Miethöhe marktüblich sei. In ihrer Beantwortung dieses Vorhaltes legte die Beschwerdeführerin dar, sie habe damals "Mietangebote von Immobilienbüros aus der Umgebung" sowie Inserate und Angebote in den Schaufenstern von Immobilienbüros herangezogen. Da Unterlagen aus der Zeit des Vermietungsbeginns nicht mehr vorlägen, lege sie aktuelles Vergleichsmaterial bei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde gelangte in einer unter "Umkehrung des Ertragswertverfahrens" vorgenommenen Berechnung zu der Ansicht, das angemessene Mietentgelt hätte EUR 1.168,03 monatlich betragen müssen und übersteige die von der Beschwerdeführerin mit ihren Eltern vereinbarte Miete von EUR 750,-

- somit um rund 56 %, weshalb der Mietvertrag vom Dezember 2006 die Anforderungen an Verträge zwischen nahen Angehörigen in Bezug auf die Fremdüblichkeit der Miete nicht erfülle.

Eine Auseinandersetzung mit der Prognoserechnung der Beschwerdeführerin und mit ihren Behauptungen über die Entwicklung ihrer Pläne unterließ die belangte Behörde.

In der Beschwerde wird erstmals vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe im Frühjahr 2006 mit der Mietersuche begonnen, zu der von ihr nach entsprechenden Erkundigungen angestrebten Miete von EUR 750,-- aber keinen Mieter finden können. Gegen Ende des Jahres habe sie dann ihre Eltern "dazu gewinnen" können, das Haus als Zweitwohnsitz zu mieten, "um eine weitere Leerstehung zu vermeiden". In rechtlicher Hinsicht macht die Beschwerdeführerin u.a. geltend, sie stelle das Haus ihren Eltern - die darauf nicht angewiesen seien - nicht in Erfüllung von Unterhaltspflichten zur Verfügung. Der von der belangten Behörde vorgenommenen Berechnung der "angemessenen Miete" hält die Beschwerdeführerin entgegen, die belangte Behörde habe sich "lediglich einer von vielen Berechnungsmethoden" bedient, worin eine "willkürliche Auswahl eines Berechnungsverfahrens" zu sehen sei. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten (aktuellen) Vergleichswerte habe die belangte Behörde "abgeschmettert". Kritisiert wird auch das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit der Prognoserechnung der Beschwerdeführerin.

Die belangte Behörde führt dazu in der Gegenschrift aus, eine Auseinandersetzung mit der Frage der Liebhaberei (und somit der Prognoserechnung) sei entbehrlich, wenn der Mietvertrag den an die Verträge zwischen nahen Angehörigen zu stellenden Anforderungen - im vorliegenden Fall: in Bezug auf die Miethöhe - nicht entspreche. Was die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Vergleichswerte anlange, so habe die belangte Behörde am Ende ihrer Erwägungen jeweils konkret dargelegt, weshalb die herangezogenen Vergleichsobjekte mit dem neu errichteten Haus der Beschwerdeführerin nicht vergleichbar seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aus dem angefochtenen Bescheid geht - in der Beschwerde unwidersprochen - hervor, dass die angestrebte erklärungsgemäße Veranlagung in Bezug auf die Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 und in Bezug auf die Einkommensteuer zu keinem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid führen würde, weshalb die Beschwerdeführerin durch die Bestätigung der diesbezüglichen Bescheide des Finanzamtes nicht in subjektiven Rechten verletzt sein kann und ihr insoweit die Beschwerdelegitimation fehlt. In diesem Umfang war die Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

2.1. Mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Erfüllung von Unterhaltspflichten gegenüber ihren Eltern bezieht sich die Beschwerdeführerin auf Elemente in der Argumentation des Prüfers, die unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2001, 98/15/0057, VwSlg 7665/F, die familiäre Nahebeziehung zwischen den Parteien des Mietvertrages behandelten. Liegt eine Überlassung an Unterhaltsberechtigte vor, so kommt es nach dem zitierten Erkenntnis nicht mehr auf die fremdübliche Gestaltung des Mietvertrages an. Die belangte Behörde hat sich diese Begründungselemente aber nicht zu eigen gemacht und ihre Entscheidung ausschließlich auf die ihres Erachtens zu geringe Miete und das daraus resultierende Fehlen einer fremdüblichen Gestaltung des Mietvertrages gestützt.

2.2. Gegen die Annahme der belangten Behörde, die Vereinbarung einer fremdunüblich niedrigen Miete in dem Vertrag vom Dezember 2006 rechtfertige die - hier noch zu prüfende - Bestätigung der Bescheide betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2006, wendet sich die Beschwerde vor allem unter dem Gesichtspunkt einer "willkürlich" gewählten Methode zur Berechnung der fremdüblichen Miete für das von der Beschwerdeführerin errichtete, nach Meinung des Prüfers "eher unattraktiv" gelegene und "eher schwierig" zu vermietende Einfamilienhaus. Ob die vorgenommene Berechnung einer nach Ansicht der belangten Behörde angemessenen Miete eine geeignete Grundlage dafür darstellt, ein unternehmerisches Handeln der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Zeit nach dem Vertragsabschluss zu verneinen, kann aber vorerst auf sich beruhen, weil die belangte Behörde es nicht als notwendig angesehen hat, sich mit dem Streitpunkt einer nicht von Anfang an geplanten Vermietung an nahestehende Personen auseinanderzusetzen. Maßgeblich für die umsatzsteuerliche Beurteilung ist jeweils der Zeitpunkt der Leistung (vgl. etwa Mayr/Ungericht, UStG 19944, 2014, Anm. 7 zu § 12, m.w.N.). In Bezug auf die für die Jahre 2002 bis 2006 strittigen Vorsteuern bedarf es daher einer Klärung der strittigen Frage, zu welchem Zweck das Gebäude errichtet wurde. Die Beschwerdeführerin trägt dazu in der Beschwerde - zwar unter Verstoß gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot - neue Behauptungen über eine der Vermietung an die Eltern vorausgegangene Mietersuche vor, die dem bisherigen Vorbringen zum Teil auch zu widersprechen scheinen. Sie hat aber schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, die Möglichkeit einer Vermietung an ihre Eltern habe sich erst im Lauf des Jahres 2006 ergeben, was im Zusammenhang mit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Beurteilung der für die Zeit bis dahin geltend gemachten Vorsteuern nach dem Maßstab des im Dezember 2006 abgeschlossenen Mietvertrages einer Würdigung durch die belangte Behörde bedurft hätte.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und diesem Streitpunkt - auch für die Jahre 2002 bis 2006 - keine Bedeutung beigemessen hat, war der angefochtene Bescheid in Bezug auf die Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 27. Mai 2015

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