VwGH 2012/10/0178

VwGH2012/10/017824.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Rigler als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des M K in Graz, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda und Mag. Stefan Benda, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. August 2012, Zl. ABT11 B26-3514/2012-4, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages i.A. Steiermärkisches Behindertengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §73 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §59 Abs1;
AVG §73 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers betreffend Anträge auf Übernahme der Kosten für Wohnassistenz, "Hilfe zum Lebensunterhalt und Persönliche Assistenz", nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz, LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl. Nr. 10/2012, zurück.

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid folgenden Sachverhalt zugrunde:

Mit Datum vom 17. März 2010 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung der Leistung "Wohnassistenz", mit 12. April 2010 einen Antrag auf Zuerkennung der Geldleistung "Persönliche Assistenz" und mit 28. Mai 2010 einen Antrag auf Zuerkennung der Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 habe die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es sich bei "Wohnassistenz" und "Persönlicher Assistenz" um mobile Leistungen handle, welche nicht neben der damals gewährten stationären Unterbringung des Beschwerdeführers hätten gewährt werden können. Gegen dieses Schreiben habe der Beschwerdeführer mit Datum vom 25. Juni 2010 Berufung erhoben, welche von der belangten Behörde mit Bescheid vom 15. Juni 2011 zurückgewiesen worden sei.

Mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 31. August 2010 sei dem Beschwerdeführer die Übernahme der Kosten für "Wohnassistenz" im Ausmaß von 480 Jahresstunden zugesprochen worden. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2012 sei dem Beschwerdeführer die Übernahme der Kosten für "Persönliche Assistenz" für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis 31. August 2012 im Ausmaß von 240 Jahresstunden zugesprochen sowie mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 sei dem Beschwerdeführer Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis 31. August 2011 in Höhe von EUR 544,-- monatlich zugesprochen worden.

Mit Datum vom 8. Juni 2012 habe der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an die Oberbehörde mit der Begründung gerichtet, dass über Zeiträume ab Antragstellung nicht abgesprochen worden sei, da die Behörde erster Instanz nur teilweise über die Anträge des Beschwerdeführers abgesprochen habe.

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass in einer "untrennbaren Angelegenheit" ein Bescheid, mit welchem der Antrag nur teilweise erledigt worden sei, mit Berufung zu bekämpfen sei. Der Beschwerdeführer habe aber gegen die im Devolutionsantrag angeführten Bescheide nicht berufen. Es seien zwar im gegebenen Fall die beantragten Leistungen nicht ab Antragstellung zugesprochen worden, jedoch sei jeweils grundsätzlich über die Leistung und somit teilweise über die Sache abgesprochen worden, weshalb der Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen wäre.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen lauten:

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 100/2011

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.

..."

Der angefochtene Bescheid gründet im Wesentlichen auf der Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei den mit Anträgen vom 17. März 2010, vom 12. April 2010 und vom 28. Mai 2010 auf Leistungen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz hinsichtlich der beantragten Zeiträume um "untrennbare Angelegenheiten" handle und über die beantragte Leistung zumindest teilweise abgesprochen habe, weshalb der Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen sei.

Dem hält die vorliegende Beschwerde entgegen, dass die beantragten Leistungen hinsichtlich der Zeiträume sehr wohl trennbare Ansprüche darstellten, weshalb hinsichtlich jener Zeiträume, über welche die erstinstanzliche Behörde nicht abgesprochen habe, Säumigkeit vorliege.

Damit ist die Beschwerde im Recht:

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die Erstbehörde nicht etwa die beantragten Unterstützungsleistungen zum Teil zuerkannt und die Anträge im Übrigen abgewiesen, sondern die Anträge in Ansehung bestimmter Zeiträume unerledigt gelassen.

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffende Parteianträge in der Regel zur Gänze zu erledigen. Lässt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann über jeden dieser Punkte gesondert abgesprochen werden.

Daraus folgt, dass die Behörde bei einem gemäß § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG trennbaren Anspruch nur teilweise abgesprochen hat, hinsichtlich der offen gebliebenen Punkte nach Ablauf der Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG Säumnis eintritt (vgl. in diesem Sinne die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1980, Zl. 38/80, und vom 2. Juli 2009, Zl. 2008/12/0183). Bei den vom Beschwerdeführer beantragten Leistungen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz handelt es sich auch um nach Zeiträumen trennbare Ansprüche, da jedenfalls über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zeitraumbezogen abzusprechen ist, wobei bei einem solchen Abspruch die Möglichkeit einer Trennung hinsichtlich der Zeiträume, auf die sich die Entscheidung bezieht, gegeben ist (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, Zl. 2007/08/0290).

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juni 2015

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