VwGH 2012/09/0010

VwGH2012/09/00104.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der AA in M, vertreten durch Mayrhofer & Führer Rechtsanwälte OG in 3830 Waidhofen/Thaya, Raiffeisenpromenade 2/1/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Zwettl, vom 29. November 2011, Zl. Senat-WT-11-3006, betreffend Bestrafungen nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §879;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs7;
AuslBG §3;
ABGB §879;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs7;
AuslBG §3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin - nach Durchführung einer öffentlich-mündlichen Verhandlung - schuldig erkannt, sie habe es als Arbeitgeberin zu verantworten, dass sie sechs näher bezeichnete rumänische Staatsangehörige in der Zeit vom 5. bis zumindest 28. Juli 2010 (Zeitpunkt der Kontrolle gegen 16.20 Uhr) mit Umbau- und Renovierungsarbeiten auf der Baustelle in K beschäftigt habe, obwohl für diese keine im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Beschäftigungen ausgestellt gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch sechs Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden über sie sechs Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitstrafen von je drei Tagen) verhängt. (Hingegen wurde der Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der unberechtigten Beschäftigung eines weiteren rumänischen Staatsangehörigen Folge gegeben und das diesbezügliche Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.)

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges - soweit im Beschwerdefall von Bedeutung - aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Nach der Anzeige des Finanzamtes (W) wurden bei der am 28.7.2010, gegen 16.20 Uhr, durchgeführten Kontrolle (an einer näher bezeichneten Adresse in K), sechs rumänische Staatsangehörige bei Umbau- und Renovierungsarbeiten angetroffen. Die sechs rumänischen Staatsangehörigen trugen verschmutzte Arbeitskleidung und waren im bzw. vor dem Haus mit Bauarbeiten beschäftigt. … In den in rumänischer Sprache ausgefüllten Personenblättern haben die Fremden angegeben, seit 5.7.2010 (an der zuvor angeführten Adresse in K), zu wohnen. Lediglich Herr (GC) hat den 20.7.2010 angeführt.

Herr (IC) hat anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 28.7.2010 im Wesentlichen ausgeführt, dass das Haus in (K) von seinem Sohn und dessen Freundin vor ca. zwei Monaten gekauft worden sei. Sein Sohn, der in München Betriebswirtschaftslehre studiere, wolle in diesem Haus eine Firma errichten. Die Arbeiter würde er schon seit längerer Zeit kennen und hätten er und sein Sohn diese Personen angesprochen, ob sie beim Umbau helfen könnten. Die meisten hätten sich unbezahlten Urlaub von ihren Firmen genommen, um zu helfen. Es werde von Montag bis Freitag von ca. 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr mit einigen Pausen gearbeitet. Am Wochenende würde nicht gearbeitet. Die Arbeiter würden kein Geld erhalten, sondern die Verpflegung zur Verfügung gestellt bekommen und könnten sie auch im Haus gratis schlafen. Die Arbeiten würden noch ca. drei Wochen dauern. … Alle angetroffenen Arbeiter würden in Rumänien versichert sein. Er habe sich in Österreich nicht erkundigt, ob die Arbeiter hier arbeiten dürfen. Er sei der Meinung gewesen, dass es sich um kleine Renovierungsarbeiten gehandelt habe und habe sich darüber keine Gedanken gemacht.

Die Berufungswerberin wurde am 23.9.2010 bei der Bezirkshauptmannschaft (W) niederschriftlich einvernommen. Dabei hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sie die alleinige Eigentümerin der Liegenschaft (an der zuvor angeführten Adresse in K) sei. Ihr Freund habe ihr angeboten, dass er gemeinsam mit seiner Familie dieses Haus nach dem Kauf saniere. Sie hätte keine Einwände gehabt und habe sich nicht weiter darum gekümmert und sei während der Durchführung der Bauarbeiten nur fallweise auf der Baustelle gewesen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Unbestritten ist, dass die rumänische Staatsangehörigen Hilfsarbeiten im Haus der Berufungswerberin durchgeführt haben. Die Berufungswerberin stützt sich mit ihrem Vorbringen auf die Unentgeltlichkeit der erbrachten Arbeiten und den Umstand, dass diese Arbeiten von Bekannten und Verwandten ihres Lebensgefährten durchgeführt worden sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und den Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ist flexibel. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können.

Unbestritten ist, dass die Berufungswerberin Alleineigentümerin dieser Liegenschaft ist und die Tätigkeiten ihr zugute kamen. Bei den eingesetzten rumänischen Staatsangehörigen handelt es sich jedoch nicht um Angehörige der Berufungswerberin, sondern um die ihres Lebensgefährten. Es bestanden seitens der Berufungswerberin keine spezifischen Bindungen zu diesen Personen. Die Tätigkeiten haben sich im Übrigen über mehrere Wochen - in einem Fall über eine Woche - erstreckt, sodass auch nicht von kurzfristigen Arbeiten ausgegangen werden kann. Unbestritten ist auch, dass die angetroffenen rumänischen Staatsbürger verköstigt worden sind und im Haus der Berufungswerberin auch genächtigt haben. Der Umstand, dass diese Personen auch Ausflüge - offensichtlich am Wochenende, zumal lediglich von Montag bis Freitag gearbeitet wurde - unternommen haben, ändert nichts daran, dass wochentags eine Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgeführt worden ist. … Die der Berufungswerberin zur Last gelegten Tatbestände hinsichtlich der … sechs rumänischen Staatsangehörigen waren … als erwiesen anzunehmen."

Im Weiteren legte sie ihre Strafbemessungsgründe dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, die sich inhaltlich ausschließlich gegen die Schuldsprüche richtet, nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist der Begriff der Beschäftigung - soweit dies im Beschwerdefall in Betracht kommt - durch § 2 Abs. 2 AuslBG unter anderem in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher und/oder wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. ist unter anderem auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zu Stande kam, ob diesem (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2000/09/0190, mwN).

Bei Beurteilung, ob in einem konkreten Fall ein dem Reglement des AuslBG unterliegender Gefälligkeitsdienst des (der) Ausländer(s) anzunehmen ist, hat die Behörde eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0153, uva). Dabei fallen Gefälligkeitsdienste dann nicht unter den Begriff der bewilligungspflichtigen Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG, wenn sie nicht nur kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich, sondern auch auf Grund spezifischer Bindungen zwischen den Leistenden und dem Leistungsempfänger erbracht werden. Insgesamt ist auch im Zusammenhang mit der Behauptung bloßer Gefälligkeitsdienste gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG vom wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht von der äußeren Erscheinungsform auszugehen. Bei der Beurteilung der Frage, ob im jeweils konkreten Fall ein derartiger Gefälligkeitsdienst anzunehmen ist, trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, erforderlichen Umständen um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne Weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist daher in diesen Fällen hauptsächlich Sache der Partei, entsprechend konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2006, Zl. 2005/09/0089).

2. Im vorliegenden Fall führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie die angetroffenen Personen nicht beauftragt habe und daher kein Arbeitsverhältnis oder arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliege, weil es sich um Gefälligkeitsdienste gehandelt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin - wie unbestritten ist - mit keinem der angetroffenen Ausländer verwandt ist, sondern es sich dabei um Verwandte bzw. Bekannte ihres Lebensgefährten aus dessen Heimatdorf gehandelt hat. Sie hat auch im Sinne der zuvor aufgezeigten hg. Judikatur keinerlei spezifischen Bindungen zu irgendeinem der angetroffenen Personen dargelegt, sodass es bereits am wesentlichen Element der spezifischen Bindungen zwischen der Beschwerdeführerin und den angetroffenen Rumänen mangelt, um von einem Gefälligkeitsdienst ausgehen zu können. Überdies bestehen auf Grund der festgestellten Einsatzdauer der Ausländer keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde das Vorliegen einer kurzfristigen Arbeit verneint hat.

Des Weiteren ist die Beschwerdeführerin Alleineigentümerin des Hauses in K, womit ihr als Leistungsempfängerin der Nutzen aus diesen Arbeiten zugekommen ist. Auch der Umstand, dass sich ihr Lebensgefährte - nach ihren eigenen Angaben mit ihrem Wissen und Willen - um die Renovierungsarbeiten gekümmert hat, zu welchen die Rumänen eingesetzt wurden, und sie sich nicht weiter damit beschäftigt hat, ist nicht geeignet, um von fehlendem Verschulden der Beschwerdeführerin auszugehen. Wenn die Beschwerdeführerin außerdem bloß ihr Vorbringen einer unentgeltlichen Tätigkeit der Rumänen wiederholt, kann sie die erkennbar aus den unbekämpften Feststellungen zur gewährten Verköstigung und Unterkunft (welche bereits als Entgelt angesehen werden können - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0112) abgeleitete gegenteilige Annahme der belangten Behörde nicht erschüttern.

Bei der gegenständlichen Tätigkeit handelt es sich nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 2 Abs. 4 AuslBG) um Hilfsarbeiten bzw. einfache manipulative Tätigkeiten. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei den gegenständlichen Hilfsarbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt (§ 28 Abs. 7 AuslBG), von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Die Behörde ist in einem solchen Fall - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht gehalten, Ermittlungen und weitwendige Überlegungen zu der Frage anzustellen, ob der Hilfsarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, da dies unter den gegebenen Umständen ohne weiteres vorausgesetzt werden konnte (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2001/18/0129, mwN).

Auch die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor, zumal die Beschwerdeführerin es unterlässt darzulegen, auf Grund welcher Angaben der von ihr als Zeugen beantragten (und auf der Baustelle eingesetzten) Rumänen die Behörde zu einem anderen für die Beschwerdeführerin günstigeren Verfahrensergebnis gekommen wäre, und somit die Relevanz dieser unterbliebenen Einvernahmen nicht dazutun vermag. Es wurde von ihr weder in Zweifel gezogen, dass es sich bei den Personen um Verwandte und Bekannte ihres Lebensgefährten gehandelt hat noch hat sie andere Umstände dargetan, die auf ein spezifisches Naheverhältnis zwischen ihr und diesen Personen schließen lassen würden und deshalb das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Beschäftigung zu verneinen gewesen wäre.

Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Bescheid daher als frei von Rechtsirrtum, wenn die belangte Behörde in Bezug auf die sechs (verbleibenden) Rumänen die Annahme von bloßen Gefälligkeitsdiensten gegenüber der Beschwerdeführerin verneint und das Vorliegen von unberechtigten Beschäftigungen als erwiesen sieht.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 4. Oktober 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte