VwGH 2012/07/0029

VwGH2012/07/002925.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Gemeinde K, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7/Europapassage, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 18. November 2010, Zl. BHFK-II-4151- 2010/0010, betreffend eine Angelegenheit nach dem Vlbg. Gemeindegutgesetz (mitbeteiligte Partei: EM in K, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §35 Abs1;
GemeindegutG Vlbg 1998 §2 Abs1;
GemeindegutG Vlbg 1998 §8;
GemeindegutG Vlbg 1998 §9 Abs1;
GemeindegutG Vlbg 1998 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte dieser Beschwerdesache wird auf das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2006, Zl. 2005/05/0202, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2005 als unbegründet ab.

Dem Beschwerdeverfahren zu Zl. 2005/05/0202 lag - wie auch dem gegenständlichen - der Antrag des Mitbeteiligten "auf Zuteilung und Nutzung eines Gemeindeteils des Gemeindegutes K" zu Grunde, den dieser mit Schreiben vom 12. Februar 2004 an den Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde richtete. Er gab an, dass er seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde habe und mit Nr. 126 im Verzeichnis gemäß § 9 Gemeindegutgesetz als Nutzungsberechtigter am Gemeindegut K und Hausbesitzer erfasst sei. Er habe einen Haushalt mit vier Personen, für die er unterhaltspflichtig sei, und sein landwirtschaftlicher Betrieb umfasse 110 Großvieheinheiten, weshalb ein Haus- und Gutsbedarf von zumindest 16 ha Gemeindegut vorliege. Er beantragte die Zuteilung eines Gemeindegutes im Ausmaß von zumindest 16 ha, hilfsweise, gemäß § 9 Abs. 2 Gemeindegutgesetz für den Fall, dass die Entnahme der Erträgnisse des Gemeindegutes nicht erlaubt werde, diese in Form von Naturalbezügen aus dem Gemeindegut dem Antragsteller bereitzustellen.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 teilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde dem Mitbeteiligten mit, dass die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde mit Beschluss vom 22. November 2004 den Antrag vom 12. Februar 2004 auf Zuteilung eines Gemeindeteiles des Gemeindegutes im Ausmaß von 16 ha zurückgewiesen habe. Auch sei die Bereitstellung von Naturalbezügen abgelehnt worden.

Mit ihrem Bescheid vom 17. Mai 2005 gab die belangte Behörde der Vorstellung des Mitbeteiligten Folge, hob die als Bescheid bezeichnete Erledigung der Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde vom 9. Dezember 2004 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde. Sie stellte fest, dass der Mitbeteiligte einen Antrag auf Zuteilung eines Gemeindeteils des Gemeindegutes im Ausmaß von zumindest 16 ha gestellt habe. Nachdem über diesen Antrag innerhalb von sechs Monaten nicht entschieden worden sei, habe der Vorstellungswerber einen Devolutionsantrag an die Gemeindevertretung gerichtet. Die Gemeindevertretung habe in ihrer Sitzung vom 22. November 2004 den Antrag auf Zuteilung eines Gemeindeteiles zurückgewiesen. Dieser Beschluss sei durch das Schreiben des Bürgermeisters vom 9. Dezember 2004 ausgefertigt worden.

Zur Frage, ob die Erledigung vom 9. Dezember 2004 ein Bescheid oder eine formlose Mitteilung sei, verwies die belangte Behörde darauf, dass es auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht ankomme. Entscheidend sei, dass der Antrag des Mitbeteiligten auf Zuteilung eines Gemeindeteils des Gemeindegutes, also sein erhobener öffentlich-rechtlicher Anspruch, durch eine Verwaltungsbehörde hoheitlich erledigt worden sei, sodass eine rechtsgestaltende Entscheidung der Gemeindevertretung vorliege. Aus dem Wortlaut dieses Beschlusses und damit auch aus der seinen Beschluss ausfertigenden Erledigung gehe der eindeutige Wille der Behörde hervor, über die gegenständliche Verwaltungssache hoheitlich und rechtsgestaltend abzusprechen. Außerdem sei dieser Verwaltungsakt gegenüber einer individuell bestimmten Person erlassen worden. Damit handle es sich um einen mittels Vorstellung bekämpfbaren Bescheid.

Die gänzlich fehlende Begründung dieser Entscheidung stelle einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, durch den der Vorstellungswerber in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden sei. Ergänzende Ausführungen in einer Gegenäußerung könnten fehlende Erörterungen und Feststellungen im Bescheid selbst nicht ersetzen.

Die Gemeindevertretung sei zur Entscheidung zuständig gewesen, weil mit der Einbringung des Devolutionsantrages vom 25. August 2004 die Zuständigkeit auf die Gemeindevertretung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen sei. Die Gemeindevertretung habe den Devolutionsantrag auch nicht abgewiesen, sondern in der Sache entschieden. Da es die Gemeindeinstanzen verabsäumt hätten, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt umfassend zu erheben, könne nicht beurteilt werden, ob durch den bekämpften Bescheid im materiellen Recht begründete subjektiv-öffentliche Rechte des Vorstellungswerbers verletzt worden seien. Es wurden verschiedene Punkte aufgezeigt, zu denen das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei.

Die dagegen von der beschwerdeführenden Gemeinde erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2006, Zl. 2005/05/0202, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der Mitbeteiligte mit seinem Antrag vom 12. Februar 2004 Nutzungsrechte geltend gemacht habe; Nutzungsrechte seien nach § 2 Abs. 2 Gemeindegutgesetz öffentlich-rechtliche Ansprüche auf eine Teilnahme an der Nutzung des Gemeindegutes. § 7 der Satzung sehe vor, dass die Nutzung schriftlich zu beantragen sei und dass über die Örtlichkeit, die Größe, die Zuteilung und die Nutzung der Gemeindevorstand zu entscheiden habe.

Die materielle Rechtslage erfordere einen Antrag, über den die ausdrücklich dazu bestimmte Behörde zu entscheiden habe. Da es um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gehe, komme nur eine Entscheidung mittels Bescheid in Betracht. Die kraft Devolution an Stelle des Gemeindevorstandes zuständige Gemeindevertretung habe am 22. November 2004 über den Antrag des Mitbeteiligten entschieden, wobei diese Entscheidung die Kriterien eines Bescheides erfülle; dieser Bescheid sei durch den Bürgermeister mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 intimiert worden.

Der Verstoß gegen § 58 Abs. 2 AVG sei von der belangten Behörde zu Recht gerügt worden.

Im fortgesetzten Verfahren erließ die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde den Bescheid vom 10. Mai 2010.

Mit diesem wurde dem Devolutionsantrag des Mitbeteiligten vom 25. August 2004 stattgegeben. Der Antrag des Mitbeteiligten vom 12. Februar 2004 auf Zuteilung eines Gemeindeteils des Gemeindegutes K im Ausmaß von zumindest 16 ha und der Eventualantrag auf Bereitstellung von Naturalbezügen aus dem Gemeindegut wurden abgewiesen.

Begründend führte die Gemeindevertretung aus, dass der Mitbeteiligte im Jahre 2002 Nutzungsberechtigter am Gemeindegut nach seiner Mutter geworden sei.

Es folgen tabellarische Darstellungen der Entwicklung des Viehbestandes am Hof des Mitbeteiligten seit 1840 und der Anzahl der Familienmitglieder sowie der Großvieheinheiten seit dem Jahre 2000. Außerdem werden die Pachtverhältnisse des Mitbeteiligten und der beschwerdeführenden Gemeinde dargestellt.

Die von der Gemeinde verpachteten landwirtschaftlichen Flächen hätten 2010 ein Gesamtausmaß von knapp 62 ha betragen.

Der Land- und Forstwirtschaftsausschuss habe am 10. Dezember 2009 über die Neuverpachtung der landwirtschaftlichen Grundstücke ab 1. Jänner 2010 beraten. Am 10. Dezember 2009 habe sich der Ausschuss der Nutzungsberechtigten mit den Verpachtungen befasst; der Ausschuss habe der geplanten Neuaufteilung der landwirtschaftlichen Flächen zugestimmt.

Da die Pachtwünsche der Landwirte das Ausmaß der der Gemeinde K zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen erheblich überstiegen, wäre es auch im Dezember 2009 notwendig gewesen, die Pachtflächen auf die jeweiligen Interessenten für die Pachtperiode ab 1. Jänner 2010 angemessen zu verteilen.

Dabei sei im Zusammenhang mit dem Mitbeteiligten auch auf seinen Eigengrund sowie jenen seiner Familie Bedacht genommen worden.

Dem Mitbeteiligten seien vertraglich gemäß § 10 Abs. 5 Gemeindegutgesetz insgesamt 481,28 ar, darunter zur ausschließlichen Nutzung der Gemeindeteil C, angeboten worden. Der Mitbeteiligte habe das Angebot der Gemeinde innerhalb der gesetzten Frist (31. Jänner 2010) angenommen; zwischen der beschwerdeführenden Gemeinde und dem Mitbeteiligten bestehe daher neuerlich ein auf fünf Jahre befristetes Pachtverhältnis.

Die Gemeinde habe dem Mitbeteiligten mit Schreiben vom 13. April 2010 hinsichtlich seiner Vorfahren und der Entwicklung des Viehbestandes Parteiengehör gewährt. Den entsprechenden Tatsachen sei der Mitbeteiligte nicht entgegen getreten.

Im Übrigen habe sich die Gemeindevertretung an die zitierten gesetzlichen Vorgaben - auch an die Satzung, die unter anderem die Zuteilung eines Gemeindeteils im Rahmen der Nutzungsberechtigung anordne (§ 5 Abs. 1 der Satzung) - gehalten.

Gegen diesen Bescheid der Vertretung der beschwerdeführenden Gemeinde erhob der Mitbeteiligte Vorstellung an die belangte Behörde.

Zu dieser Vorstellung äußerte sich die beschwerdeführende Gemeinde.

Zu dieser Gegenäußerung der beschwerdeführenden Gemeinde nahm der Mitbeteiligte erneut Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Mitbeteiligten Folge, behob den Bescheid der Vertretung der beschwerdeführenden Gemeinde vom 10. Mai 2010 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück.

Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der bezughabenden Vorschriften führte die belangte Behörde begründend aus, es sei Voraussetzung, dass die beschwerdeführende Gemeinde den Haus- und Gutsbedarf der Nutzungsberechtigten kenne bzw. feststellen lasse. Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung des Bedarfes abzustellen sei, müsse "jedenfalls der aktuelle Bedarf maßgeblich" sein. So müsse sich ein Bescheid nach dem AVG, das zweifelsfrei auch auf den gegenständlichen Fall anzuwenden sei, grundsätzlich immer auf die aktuelle Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung gründen. Dabei bestimmten § 9 Abs. 1 und 2 Gemeindegutsgesetz, dass ein Haus- und Gutsbedarf nur vorliege, wenn der Nutzungsberechtigte die Erträgnisse des Gemeindegutes im eigenen Haushalt sowie land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verwenden oder das Gemeindegut im Rahmen des eigenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs sonst nutzen könne. Andererseits dürfe kein Nutzungsberechtigter aus dem Gemeindegut einen größeren Nutzen ziehen, als zur Deckung seines Haus- und Gutsbedarfs notwendig sei. Wäre hierbei auf den historischen Bedarf abzustellen, so hätte dies der Gesetzgeber explizit angeben müssen. Darüber hinaus lasse sich den Erläuterungen zu § 9 Gemeindegutsgesetz entnehmen, dass es historische Funktion des Gemeindegutes gewesen sei, einen Beitrag zur Subsistenz der Bevölkerung zu liefern und nicht als Kapital zu dienen. Auch diese Intention spreche dafür, der Entscheidung über die Zuteilung des Gemeindegutes den jeweils aktuellen Haus- und Gutsbedarf, abhängig von der Betriebsgröße, zu Grunde zu legen.

Dabei sei zu beachten, dass nach den Erläuterungen zu § 2 Gemeindegutgesetz eine langjährige Praxis, die dem Gemeindegutgesetz und den Satzungen widerspreche, der also die offenbare Rechtmäßigkeit mangle, nicht als "rechtmäßige Übung" im Sinne des § 2 Abs. 3 Gemeindegutgesetz angesehen werden könne.

Der Umstand - so führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter aus -, dass von der beschwerdeführenden Gemeinde bereits seit dem Jahr 1974 Gemeindegutflächen verpachtet worden seien, hätte keinen Einfluss auf die aktuelle Beurteilung der Verpachtungen. Verpachtungen von Gemeindegutflächen - auch jene aus dem Jahr 2009 - dürften nur dann vorgenommen werden, wenn das Gemeindegutgesetz vollumfänglich Beachtung finde.

Eine Verpachtung von Gemeindegutgrundstücken an Dritte sei vom Gesetz her nicht ausgeschlossen. Dies sei allerdings nur unter voller Wahrung der Rechte der Nutzungsberechtigten denkbar. Das Gemeindegutgesetz räume den Nutzungsberechtigten diesbezüglich eine Vorrangstellung vor anderen Pächtern ein. Eine Verpachtung von Gemeindegut dürfe daher erst dann erfolgen, wenn der festgestellte Haus- und Gutsbedarf aller Nutzungsberechtigten befriedigt sei. Der Pachtvertrag könne als gesetzlich verankerte Ausnahme für begründete Fälle angesehen werden, die - ausschließlich bezogen auf das landwirtschaftlich genutzte Gemeindegut - für die Gemeinde möglich sein sollte. Dies könne jedoch nicht der Regelfall sein. Bezogen auf die Gemeindegutflächen der beschwerdeführenden Gemeinde bedeute dies, dass die praktizierte Überlassung im Pachtweg zwar eine Zuteilung eines Gemeindeanteils, die nach den Vorgaben des Gemeindegutgesetzes in Verbindung mit den Satzungen zu erfolgen habe, ergänzen, jedoch nicht zur Gänze an deren Stelle treten könne. Es bestehe daher für die Gemeinde keine Option, das Gemeindegut entweder nach dem Gemeindegutgesetz zuzuteilen oder privatrechtlich zu verpachten.

Unbestritten sei, dass der Mitbeteiligte Nutzungsberechtigter des Gemeindegutes der beschwerdeführenden Gemeinde sei. Ebenso stehe eindeutig fest, dass der Mitbeteiligte Gemeindegut im Wege der Verpachtung bewirtschafte.

Allerdings habe die beschwerdeführende Gemeinde im Vorstellungsverfahren nicht schlüssig nachweisen können, ob und wie der Haus- und Gutsbedarf des Mitbeteiligten festgestellt worden sei.

Zudem sei festzuhalten, dass eine unterschiedslose Verwaltung von Gemeindevermögen, Gemeindegut und von der Gemeinde verwaltetes Liegenschaftsvermögen nicht dem Gemeindegutgesetz entspreche und daher rechtswidrig sei. Während alle nicht dem Gemeindegutgesetz unterliegenden Liegenschaften von der beschwerdeführenden Gemeinde grundsätzlich nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten verwaltet werden könnten, unterlägen Gemeindegutflächen einem besonderen rechtlichen Regime, welches im Gemeindegutgesetz und den darauf basierenden Satzungen festgelegt sei. So dürfe Gemeindegut zwar verpachtet werden - auch an Nicht-Nutzungsberechtigte -, allerdings erst dann und nur insoweit, als Rechte der Nutzungsberechtigten nach dem Gemeindegutgesetz nicht verletzt würden.

Eine Rechtswidrigkeit des Ermittlungsverfahrens zeige sich aber schon dadurch, dass aufgrund der unbestrittenen Eigenschaft des Mitbeteiligten als Nutzungsberechtigter die gänzliche Abweisung des Antrages auf Zuteilung von Gemeindegut jedenfalls unzulässig gewesen sei.

Das von den Gemeindeorganen durchgeführte Ermittlungsverfahren sei zudem mangelhaft gewesen.

Abschließend weist die belangte Behörde in ihrer Begründung darauf hin, dass gemäß Punkt 2 der von der beschwerdeführenden Gemeinde abgeschlossenen Pachtverträge dieser während der fünfjährigen Pachtdauer die Möglichkeit eingeräumt sei, die Verträge unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 30. November eines jeden Jahres zu kündigen. Es sei daher jedenfalls als möglich und zumutbar anzusehen, dass jene Pachtverträge, die Gemeindegutflächen beinhalteten, spätestens zum 1. Dezember 2011 mit dem Gemeindegutgesetz übereinstimmten.

Erforderlich sei jedenfalls die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens nach dem Gemeindegutgesetz, in dem - ausgehend vom vollstreckbar festgestellten Umfang des Gemeindegutes - zu allererst der Haus- und Gutsbedarf der Nutzungsberechtigten festzustellen sei.

Für die künftige Verwaltungspraxis sei es aus Sicht der belangten Behörde zwingend notwendig, eine Trennung von Gemeindegutflächen und sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Flächen vorzunehmen. Während letztere nicht dem Gemeindegutgesetz unterlägen und eine Verpachtung daher jedenfalls und vollständig zulässig sei, dürften Gemeindegutflächen erst dann verpachtet werden, wenn die Ansprüche aller Nutzungsberechtigten befriedigt würden.

Bei der Zuteilung von Gemeindegut sei zu beachten, dass das Ausmaß der zuzuteilenden Gemeindegutflächen von der Gemeindevertretung festgelegt werde, wobei sich diese sowohl auf mehrere als auch bloß auf Teile von Grundstücken beziehen könne. Kriterien für die Zuteilung seien der jeweilige - aktuelle - Haus- und Gutsbedarf eines jeden Nutzungsberechtigten unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes sowie die nachhaltige Erhaltung der Substanz und Nutzbarkeit der Gemeindegutflächen und Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes. Bei befristeten Zuteilungen sei der Entscheidung der jeweils aktuelle Bedarf zugrunde zu legen.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte mit Beschluss vom 28. November 2011, Zl. B 23/11-4, die Behandlung der Beschwerde ab.

Die beschwerdeführende Partei beantragte gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und ergänzte diese unter einem. Sie beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Mit Beschluss vom 31. Jänner 2012, Zl. B 23/11-6, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über diesen nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Zum Vorbringen der belangten Behörde und des Mitbeteiligten erstattete die beschwerdeführende Partei eine Replik.

Zu dieser Replik nahmen sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte Stellung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Gesetz über das Gemeindegut, LGBl. Nr. 49/1998, lautet

auszugsweise:

"§ 1

Allgemeines

Dieses Gesetz regelt die Feststellung, Nutzung und Erhaltung,

Verwaltung und Aufhebung des Gemeindegutes.

§ 2

Begriffe

(1) Gemeindegut ist jenes land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gemeindeeigentum, an dem nach Maßgabe der bisherigen rechtmäßigen Übung gemeinschaftliche Nutzungsrechte bestehen. Zum Gemeindegut zählen auch die auf solchen Grundstücken errichteten Anlagen wie Gebäude, Lagerplätze und Wege, soweit sie land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen.

(2) Nutzungsrechte sind öffentlich-rechtliche Ansprüche auf eine Teilnahme an der Nutzung des Gemeindegutes. Sie können entweder an eine bestimmte Person oder an eine bestimmte Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) gebunden sein.

(3) Bisherige rechtmäßige Übung ist die auf Grund von Satzungen in allgemein verbindlicher Form geregelte oder sonst nach altem Herkommen erfolgte, rechtmäßige Nutzung des Gemeindegutes.

(4) Nutzungsberechtigte sind Personen, denen Nutzungsrechte am Gemeindegut entweder als persönliches Recht oder als Eigentümer einer Stammsitzliegenschaft zustehen.

(5) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene Begriffe verwendet werden, kommt ihnen keine geschlechtsspezifische Bedeutung zu. Sie sind bei der Anwendung auf bestimmte Personen in der jeweils geschlechtsspezifischen Form zu verwenden.

...

§ 6

Nutzungsberechtigte

(1) Nutzungsberechtigte können nur natürliche Personen sein, die in der betreffenden Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder nach dem Recht der Europäischen Union oder aufgrund eines Staatsvertrages gleichzustellen sind.

(2) Die Satzungen (§ 8) bestimmen nach Maßgabe dieses Gesetzes die Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust von Nutzungsrechten. Sie bestimmen besonders auch, welche Nachkommen von Nutzungsberechtigten Nutzungsrechte erwerben.

(3) Die Satzungen (§ 8) können bestimmen, dass Personen nach Abs. 1, die keine Nutzungsberechtigten sind, durch Entrichtung einer von den Satzungen festgelegten oder durch die Gemeindevertretung nach Maßgabe der Satzungen festzulegenden Leistung als Nutzungsberechtigte aufgenommen werden können.

(4) Die Satzungen haben Vorsorge zu treffen, dass der Kreis der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes Nutzungsberechtigten in Zukunft keine wesentliche Ausweitung erfährt.

(5) Wer die Aufnahme als Nutzungsberechtigter begehrt, hat das Vorliegen der dafür maßgeblichen Voraussetzungen nachzuweisen.

§ 7

Ausübung von Nutzungsrechten

(1) Keiner Person darf mehr als ein Nutzungsrecht zukommen; für jeden Haushalt besteht nur ein Nutzungsrecht. Davon ausgenommen sind Nutzungsrechte, die an eine Stammsitzliegenschaft gebunden sind. Das Nähere über das Zusammentreffen mehrerer an Personen gebundener Nutzungsrechte in einem Haushalt ist in den Satzungen zu regeln.

(2) Die Nutzungsrechte können, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, nicht zum Gegenstand von Rechtsgeschäften gemacht werden.

(3) Durch die Verringerung der Zahl der Nutzungsberechtigten darf sich die Nutzung durch die verbliebenen Nutzungsberechtigten nicht verändern.

(4) In den Satzungen kann bestimmt werden, dass die Ausübung eines Nutzungsrechtes von einem Hauptwohnsitz in einem bestimmten Ortsteil der Gemeinde abhängig ist (Fraktionsgut). Weiters kann, soweit dies der bisherigen rechtmäßigen Übung entspricht, bestimmt werden, dass die Ausübung eines Nutzungsrechtes von der Führung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes durch den Nutzungsberechtigten abhängig ist.

§ 8

Satzungen

(1) Die Gemeindevertretung hat durch Verordnung Satzungen über die Nutzung des Gemeindegutes zu erlassen.

(2) Die Satzungen haben insbesondere Bestimmungen zu

enthalten über

a) den Erwerb und Verlust von Nutzungsrechten,

b) die Rechte der Nutzungsberechtigten,

...

§ 9

Erträge und Leistungen

(1) Kein Nutzungsberechtigter darf aus dem Gemeindegut einen größeren Nutzen ziehen, als zur Deckung seines Haus- und Gutsbedarfes notwendig ist.

(2) Ein Haus- und Gutsbedarf liegt nur vor, wenn der Nutzungsberechtigte die Erträgnisse des Gemeindegutes im eigenen Haushalt oder land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verwenden oder das Gemeindegut im Rahmen des eigenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs sonst nutzen kann.

(3) Die Gemeinde hat den Nutzungsberechtigten die Erträge des Gemeindegutes entweder in Form von Naturalbezügen aus dem Gemeindegut bereitzustellen oder deren Entnahme zu erlauben. Die Satzungen können bestimmen, dass Naturalbezüge nicht weiter veräußert werden dürfen.

...

§ 10

Verwaltung

(1) Die Verwaltung des Gemeindegutes obliegt der Gemeinde. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Nutzung und Erhaltung des Gemeindegutes entsprechend den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgt.

(2) Die Gemeindevertretung kann, soweit nicht Abs. 3 oder 5 zur Anwendung gelangt, die gesamte oder einzelne Bereiche der Verwaltung des Gemeindegutes, mit Ausnahme der Angelegenheiten der außerordentlichen Verwaltung, wie Veräußerungen und Belastungen des Gemeindegutes, einem Ausschuss im Sinne des § 51 des Gemeindegesetzes übertragen. Die Gemeindevertretung hat den Ausschuss in den in ihrem Wirkungsbereich verbliebenen Angelegenheiten zu hören.

(3) Die Gemeindevertretung hat nach Maßgabe der bisherigen rechtmäßigen Übung bei Alpen, Weiden und Wiesen, die Verwaltung des Gemeindegutes den Nutzungsberechtigten zu überlassen. Dies gilt nicht, wenn die Erhaltung der Substanz nicht gewährleistet ist oder wenn bei einem nicht einvernehmlichen Vorgehen der Nutzungsberechtigten die berechtigten Interessen der Minderheit verletzt werden. Veräußerungen und Belastungen obliegen der Gemeindevertretung. Sonstige Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung bedürfen der Zustimmung der Gemeindevertretung.

(4) Über die Aufnahme neuer Nutzungsberechtigter sowie über Streitigkeiten aus Ansprüchen auf Nutzung des Gemeindegutes oder die Zugehörigkeit von Personen zum Kreis der Nutzungsberechtigten entscheidet der Gemeindevorstand.

(5) Die Gemeindevertretung kann bei Alpen, Weiden, Wiesen und Äckern Pachtverträge über die Nutzung und Verwaltung dieser Güter abschließen. In einem solchen Fall sind die Verwaltungsbefugnisse nach Abs. 3 erster Satz auf den Pächter zu übertragen. Wenn nicht die Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten oder nicht alle Nutzungsberechtigten Pächter sind, dürfen die Erträge und Leistungen der Nutzungsberechtigten nicht geschmälert werden.

(6) Die Bestimmungen der Abs. 3 und 5 stehen der Durchführung von Maßnahmen, die die Gemeinde aufgrund von Anordnungen der Behörde (§ 12) zu treffen hat, nicht entgegen."

Die gemäß § 8 Gemeindegutgesetz erforderliche Satzung wurde von der Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 erlassen; deren § 7 in der Fassung des Beschlusses der Gemeindevertretung vom 26. September 2005 lautet:

"§ 7

Gemeindeteile

(1) Wer einen Gemeindeteil nutzen will, hat dies schriftlich zu beantragen.

(2) Über die Örtlichkeit, die Größe, die Zuteilung und den Entzug entscheidet die Gemeindevertretung auf Vorschlag des Ausschusses.

(3) Der Gemeindeteil ist als Acker, Garten oder Wiese durch den Nutzungsberechtigten unmittelbar zu bewirtschaften. Das Pflanzen von Bäumen jeder Art ist nicht gestattet. Ebenso ist eine Bebauung, das Erstellen von Einfriedungen und die Überlassung des Nutzens an andere Personen verboten. Allfällig vorhandene Bäume, Einfriedungen oder Bauwerke können von der Gemeinde auf Kosten des Nutzungsberechtigten sofort entfernt werden.

(4) Sollte der Gemeindeteil über zwei aufeinander folgende Jahre durch den Nutzungsberechtigten nicht bewirtschaftet werden, geht das Recht der Nutzung am zugeteilten Gemeindeteil verloren."

Wie sich aus § 2 Abs. 1 Gemeindegutgesetz ergibt, erfolgt das Recht und das Ausmaß der Nutzung des Gemeindegutes nach der bisherigen rechtmäßigen Übung (in diesem Sinne auch die Materialien 9. Beilage im Jahre 1998 des XXVI. Vorarlberger Landtages, 25).

Demgegenüber begrenzt der jeweilige Haus- und Gutsbedarf die Nutzungsmöglichkeit aus dem Gemeindegut. Diese Begrenzungsfunktion folgt aus § 9 Abs. 1 Gemeindegutgesetz, wenn es dort heißt, dass kein Nutzungsberechtigter aus dem Gemeindegut einen größeren Nutzen ziehen darf, als zur Deckung seines Haus- und Gutsbedarfes notwendig ist.

Entscheidend für das Ausmaß der Nutzung des Gemeindegutes durch den Mitbeteiligten ist aber die bisherige rechtmäßige Übung. Diese bisherige rechtmäßige Übung bemisst sich im Regelfall nach der Nutzung, wie sie in den Satzungen vorgeschrieben ist. Fehlen solche statutarischen Regelungen, liegt die bisherige rechtmäßige Übung im alten Herkommen. Ausschlaggebend ist dafür, dass dieses alte Herkommen in der Praxis als allgemein rechtmäßig anerkannt wurde (vgl. wiederum die Materialien 9. Beilage im Jahre 1998 des XXVI. Vorarlberger Landtages, 31 f).

In den geltenden Satzungen fehlen Bestimmungen über das Ausmaß der Nutzungsrechte am Gemeindegut. Zur Beurteilung dieses Ausmaßes ist also die bisherige rechtmäßige Übung entscheidend.

Die belangte Behörde vertritt in ihrem aufhebenden Bescheid die bindende Rechtsansicht, dass der "aktuelle Bedarf" - im Gegensatz zur beschwerdeführenden Partei, die vom "historischen Bedarf" ausgeht - für die Bestimmung des Ausmaßes der Nutzungsrechte des Mitbeteiligten entscheidend sei. Dem widerspricht schon der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 1 Gemeindegutgesetz, wonach dem Haus- und Gutsbedarf - wie bereits ausgeführt - nur eine Begrenzungsfunktion zukommen kann. Entscheidend für die Ermittlung des Umfanges der Nutzungsrechte am Gemeindegut ist die bisherige rechtmäßige Übung, die sich in Ermangelung von Regelungen in den Satzungen nach "altem Herkommen" bestimmt.

Dabei ist wesentlich, dass die Nutzung des Gemeindegutes auch in ihrem Umfang nach der bisherigen Übung allgemein als Recht anerkannt wurde. Soweit einer bestimmten Praxis die offenbare Rechtmäßigkeit mangelt, liegt keine rechtmäßige Übung vor (vgl. die Materialien 9. Beilage im Jahre 1998 des XXVI. Vorarlberger Landtages, 32).

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach hinsichtlich der Feststellung des Umfanges der Nutzungen am Gemeindegut der "aktuelle Bedarf" maßgebend sei, erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

Dem "aktuellen Haus- und Gutsbedarf" kommt nur im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 Gemeindegutgesetz Bedeutung zu. Entscheidend ist somit, dass der Nutzungsberechtigte die nach den dargestellten Grundsätzen in Art und Umfang ermittelten Erträgnisse am Gemeindegut im eigenen Haushalt oder land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verwenden oder das Gemeindegut im Rahmen des eigenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes sonst nutzen kann. Fehlen diese Voraussetzungen ganz oder zum Teil, besteht kein bzw. nur ein auf den tatsächlichen Bedarf eingeschränkter Anspruch auf Nutzung des Gemeindegutes. Geht der aktuelle Bedarf hingegen über das nach Maßgabe der bisherigen rechtmäßigen Übung festgestellte Art und Ausmaß des Nutzungsrechtes hinaus, besteht für den über das Nutzungsrecht hinausgehenden Teil des aktuellen Bedarfes kein Anspruch auf Gemeindegutnutzung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Juli 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte