VwGH 2012/06/0192

VwGH2012/06/019216.10.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 13. September 2012, Zl. BHBR-I-3300.00-2012/0010, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. B in 6858 B, 2. Gemeinde C; weitere Partei:

Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BauG Vlbg 2001 §5;
BauG Vlbg 2001 §6;
BauG Vlbg 2001 §7;
AVG §52;
BauG Vlbg 2001 §5;
BauG Vlbg 2001 §6;
BauG Vlbg 2001 §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Erstmitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerber) beantragte mit Bauansuchen vom 2. Juni 2010 die Bewilligung für den Neubau eines Geräteschuppens mit Laufstall und Freilaufgehege beim näher genannten landwirtschaftlichen Anwesen auf den Grundstücken Nr. .150 und 2038 (Freifläche Landwirtschaft), KG B.

Der Beschwerdeführer wurde zu der für den 2. Juli 2010 anberaumten Bauverhandlung mit dem Hinweis geladen, dass allfällige Einwendungen gegen das Bauvorhaben von den Parteien bis spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung schriftlich beim Gemeindeamt der zweitmitbeteiligten Gemeinde oder während der Verhandlung mündlich vorgebracht werden könnten. Würden keine Einwendungen erhoben, habe dies gemäß § 42 AVG zur Folge, dass die betreffende Person ihre Parteistellung verliere.

In seinem schriftlich am 28. Juni 2010 beim Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde eingelangten "Einspruch" brachte der Beschwerdeführer (zusammengefasst) vor, er wende sich gegen die Kundmachung, die Planunterlagen sowie die Bauabstände.

In der Bauverhandlung vom 2. Juli 2010, in welcher zu Beginn ausdrücklich der Verhandlungsgegenstand (Geräteschuppen mit Stall) festgehalten wurde, machte er geltend, er erhebe "Einspruch" gegen den gesamten Sachverhalt der Bauverhandlung, weil für ihn nicht klar sei, welches Gebäude verhandelt werde.

Der Beschwerdeführer erhob in weiterer Folge mit dem am 13. Juli 2010 bei der zweitmitbeteiligten Gemeinde eingelangten Schreiben "Einspruch" gegen die Bauverhandlungsniederschrift vom 2. Juli 2010. Er brachte vor, die Grundstücksgrenze verlaufe am "Grenzzaun mit den starken VWK Pfosten". Er wies auf eine falsche Datierung und die fehlende Seitennummerierung der Niederschrift hin sowie auf einen Zahlensturz bei den Grundstücksnummern. Die korrigierte Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer am 16. November 2010 übermittelt.

Mit Schreiben vom 24. November 2010, eingegangen bei der zweitmitbeteiligten Gemeinde am 26. November 2010, erhob der Beschwerdeführer "Einspruch" gegen die korrigierte Bauverhandlungsniederschrift. Er räumte ein, es möge schon sein, dass die Bauabstände im Lageplan richtig eingezeichnet seien, jedoch sei das schon im Rohbau befindliche Gebäude an anderer Stelle aufgebaut als im Lageplan vorgesehen.

Mit Schreiben vom 28. September 2011 beeinspruchte der Beschwerdeführer den Bauabstand zu Gst.-Nr. 2066, der in Wirklichkeit weniger als 1 m betrage.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 23. Dezember 2011 wurde dem Bauwerber auf der Grundlage der Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 18. März 2011 die Baubewilligung zum Neubau eines Geräteschuppens mit Laufstall und Freilaufgehege unter bestimmten Auflagen erteilt.

2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 2012 gab die Gemeindevertretung der zweitmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 15. Mai 2012 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

3. Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung (vom 4. Juni 2012), die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. September 2012 als unbegründet abwies.

Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, die Entscheidungen der Baubehörden stützten sich u.a. auf die eingereichten Plan- und Beschreibungsunterlagen, den von DI W M erstellten Deckplan vom 23. September 2010, den Lageplan des Vermessungsbüros M GmbH vom 29. April 2009, den zwischen dem Bauwerber und dem Beschwerdeführer am 8. Oktober 2009 vor dem Bezirksgericht B geschlossenen Vergleich, GZ 8C 1138/08d-39, sowie die eingeholten Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen Ing. M vom 16. Juni 2010 und des bautechnischen Amtssachverständigen Ing. L vom 2. Oktober 2010 und vom 27. Juni 2011. Ebenso habe zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 2. Juli 2010 eine mündliche Verhandlung und am 21. September 2011 ein Ortsaugenschein stattgefunden.

Anhand der Aktenunterlagen stehe fest, dass als Grundlage für die baurechtliche Beurteilung der Grenzverhältnisse zwischen den Gst.-Nr. 2062 (im Eigentum des Beschwerdeführers), 2176 (im Eigentum der Gemeinde), 2038 und .150 (beide im Eigentum des Bauwerbers) auf Grund des vorstehend genannten gerichtlichen Vergleiches der Lageplan des Vermessungsbüros M GmbH vom 29. April 2009 diene. Zur baurechtlichen Beurteilung der Grenzverhältnisse der Gst.-Nr. 2038 und .150 zu Gst.-Nr. 2066 (im Eigentum des Beschwerdeführers) gehe aus dem Sachverhalt hervor, dass der Beschwerdeführer "auf dem Zaun mit den Pfosten als Grundstücksgrenze" bestanden habe. Der von DI W M erstellte Deckplan vom 23. September 2010, bei dem die Pfosten einvermessen worden seien, weise diesen Zaun mit den Pfosten ebenso als Grenzverlauf aus wie der auf diesem Deckplan beruhende (nachgereichte) Deckplan der F GmbH vom 18. März 2011. Die Plandarstellungen der F GmbH seien in sich schlüssig und deckten sich mit dem von DI W M erstellten Deckplan vom 23. September 2010.

Angemerkt sei, dass sich das gegenständliche Verfahren nur auf den Antrag vom 2. Juni 2010 auf baupolizeiliche Bewilligung für den Neubau eines Geräteschuppens mit Laufstall und Freilaufgehege beziehe. Der vom Bauwerber zuvor am 28. Jänner 2009 eingebrachte Antrag auf baupolizeiliche Bewilligung für die Sanierung des Wohn- und Landwirtschaftsteiles sei ein eigenständiger Antrag.

Aus den erstbehördlich genehmigten Planunterlagen sei ohne Zweifel ersichtlich, dass die Mindestabstände und Abstandsflächen zu den Gst.-Nr. 2062 (bzw. 2176) die nach den §§ 5 und 6 Baugesetz geforderten Maße weit überstiegen. Der Beschwerdeführer sei daher in seinem subjektiv-öffentlichen Interesse auf Einhaltung der genannten Bestimmungen nicht verletzt, weil alle gesetzlich vorgeschriebenen Abstände eingehalten würden.

Die Baubehörde habe im Berufungsbescheid genauestens angeführt, auf Grund welcher Plan- und Beschreibungsunterlagen ein positiver Baubescheid für das vorliegende Bauvorhaben erlassen worden sei. Auch führe sie aus, dass im darin enthaltenen Abstandflächenplan die Bauabstände zu den unmittelbaren Nachbargrundstücken dargestellt seien. Damit seien die wesentlichen Sach- und Rechtsfragen schlüssig und nachvollziehbar behandelt und sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in angemessenem Ausmaß eingegangen worden.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer (inhaltlich begründeten) Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig (Ersatz des Vorlageaufwandes) abzuweisen.

Der Bauwerber und die zweitmitbeteiligte Gemeinde haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Zur Darstellung der maßgeblichen Rechtslage kann auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. 2011/06/0148, verwiesen werden, das ein weiteres Vorhaben des Bauwerbers auf dem Gst.Nr. .150, betraf, gegen das der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben hatte.

5.2. Der Beschwerdeführer bringt - soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren wesentlich - vor, selbst wenn die belangte Behörde eine umfangreiche Berechnung und Darstellung des Verlaufes der Abstandslinien anstelle, könne diese die mangelnde Ermittlungstätigkeit der Baubehörde nicht sanieren, weil eben ohne Feststellung der Lage der Grenzen eine "Inbezugsetzung" mit den Abstandslinien gänzlich unmöglich sei.

Die belangte Behörde lasse "völlig außen vor", bestehende Grenz- und Abstandslinien zu überprüfen. Das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in diesem entscheidenden Punkt sei eine qualifizierte Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der bekämpfte Vorstellungsbescheid entbehre wie zuvor die Bescheide der Baubehörden jeglicher substantiierter Sachverhaltsgrundlage. Die Plandarstellungen der F GmbH vom 18. März 2011 sowie der Deckplan des DI W M vom 23. September 2010 deckten sich zwar, doch bleibe die Tatsache bestehen, dass im gegenständlichen Ermittlungsverfahren der Grenzverlauf zwischen den betroffenen Liegenschaften nicht festgestellt worden sei.

Selbst bei der amtswegigen Ermittlung des Inhaltes des von der belangten Behörde zitierten und dem Bauverfahren zugrunde gelegten Vergleiches vom 8. Oktober 2009 zu 8 C 1138/08d des Bezirksgerichtes B übernehme die belangte Behörde offenbar unüberprüft die Feststellungen der Baubehörde, andernfalls hätte sie erkennen müssen, dass der Vergleich einen gänzlich anderen, dem Bauverfahren nicht dienlichen Inhalt habe. Diesem Vergleich sei der Plan des Sachverständigen DI Dr. M zugrunde gelegen. Dieser Plan diene einzig der Lagebestimmung, keinesfalls aber der verbindlichen und rechtsgültigen Grenzfestlegung.

Die belangte Behörde bediene sich im Rahmen ihrer Begründung mehrfach des Verweises auf die im Zuge des Zivilverfahrens von DI Dr. M erstellte Planurkunde vom 29. April 2009. Dabei werde gänzlich übersehen, dass aus der genannten Planurkunde die Mindestabstände und Abstandsflächen nicht ersichtlich seien. Die belangte Behörde begründe ihre Entscheidung bezüglich der Einhaltung der Bauabstände einerseits mit der Planurkunde des DI Dr. M, welche auf Basis völlig anderer Parameter und zu einem gänzlich anderen Zweck erstellt worden sei und folglich einer Darstellung von Abstandslinien entbehre, anderseits mit einem Plan der F GmbH, welchem wiederum ein strittiger Grenzverlauf zugrunde liege. Darüber hinaus werde auf den unveränderten Naturbestand verwiesen, sodass drei mit sich widersprüchliche Argumente zur Begründung des für die belangte Behörde nicht gegebenen Verstoßes gegen die dem Schutz des Beschwerdeführers dienenden Mindestabstände und Abstandsflächen gemäß den §§ 5 bis 7 Vlbg BauG 2001 herangezogen würden.

5.3. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es sei ohne die Feststellung der Lage der Grenze eine "Inbezugsetzung" mit den Abstandslinien gänzlich unmöglich (und die Überprüfbarkeit der zum Schutz des Nachbarn normierten Mindestabstände und Abstandsflächen nicht möglich), tritt er damit den sich auf die abgegebenen Stellungnahmen des Amtssachverständigen Ing. L vom 2. Oktober 2010 und vom 27. Juli 2011 sowie auf die Deckpläne des DI W M vom 23. September 2010 und der F GmbH vom 18. März 2011 (die beide von dem vom Beschwerdeführer als Grundstücksgrenze genannten Zaun mit Pfosten ausgingen und davon ausgehend die Einmessungen vornahmen) stützenden Feststellungen der belangten Behörde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Nach den Darlegungen des Amtssachverständigen Ing. L im Zusammenhalt mit den genannten Deckplänen werden die vom Gesetz vorgeschriebenen Abstände zu den Grundstücken des Beschwerdeführers eingehalten.

Ein mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, somit auf gleicher fachlicher Ebene (durch Einholung eines Gutachten eines Privatsachverständigen), bekämpft werden. Widersprüche zu den Erfahrungen des Lebens und zu den Denkgesetzen können aber auch ohne sachverständige Untermauerung aufgezeigt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2001/12/0195).

Der Beschwerdeführer kann mit seinen allgemein gehaltenen Ausführungen keine Widersprüche im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung aufzeigen.

6. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 16. Oktober 2014

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