VwGH 2012/06/0001

VwGH2012/06/000122.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Beschwerdesache des Vereines N, vertreten durch MMag. rer.soc.oec Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Rathausplatz 3, gegen den Bescheid des Umweltsenates, betreffend Parteistellung in einem Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000, über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs2 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs2 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Dem Wiedereinsetzungsantrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Die Steiermärkische Landesregierung stellte mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 fest, dass für ein bestimmtes Straßenbauvorhaben ("Knoten Trautenfels" - Niveaufreie Ausgestaltung der Kreuzung durch Errichtung eines Kreisverkehrs, Absenkung der Fahrbahn der B 320, die unter dem Kreisverkehr hindurchgeführt wird, Zulegung von Fahrstreifen, Umgestaltung der Ortsanbindung Stainach West und Einbindung in den Verteilerkreis, Neuerrichtung von zwei Erschließungsstraßen) keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung wurde ein Antrag des Beschwerdeführers und eines weiteren Vereines auf Zuerkennung der Parteistellung im Feststellungsverfahren zurückgewiesen, weil eine solche Parteistellung in § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht vorgesehen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung mit der wesentlichen Begründung als unbegründet abgewiesen, die Aufzählung der Parteien in § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 sei erschöpfend. Eine Erweiterung sei europarechtlich nicht geboten; es sei im Rahmen der materienrechtlichen Verfahren eine de facto UVP durchzuführen, dabei komme der "betroffenen Öffentlichkeit" eine Mitwirkungsmöglichkeit zu.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den angefochtenen Bescheid zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 19. September 2011, B 953/11-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2011 wurde dem Beschwerdeführer die Verbesserung der Beschwerde in verschiedenen Punkten aufgetragen; der Beschwerdeführer brachte zwar eine Beschwerdeergänzung ein, kam dem Verbesserungsauftrag aber nicht vollständig nach, weil das Original der Beschwerde nicht wieder vorgelegt wurde. Demgemäß wurde mit dem hg. Beschluss vom 7. Dezember 2011, Zl. 2011/06/0152- 6, das Beschwerdeverfahren eingestellt.

Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 19. Dezember 2011 zugestellt.

Mit dem nun gegenständlich am 2. Jänner 2012 (somit rechtzeitig) zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur (vollständigen) Ergänzung der Beschwerde und bringt zusammengefasst vor, es sei nach der Kontrolle durch den Rechtsanwalt der vorbereitete Verbesserungsschriftsatz (mit zahlreichen Ausfertigungen und Beilagen) zur Post gebracht worden, wobei sich nun herausgestellt habe, dass das bei der Kontrolle durch den Rechtsanwalt noch beim Konvolut befindliche Original der Beschwerde sichtlich durch ein manipulatives Versehen nicht mit zur Post gegeben wurde, sondern nur insofern zahlreiche Ablichtungen der Originalbeschwerde.

Es sei aber weder dem Beschwerdevertreter noch der mit der Sache befassten Sekretärin (K.) mehr nachvollziehbar, wann zwischen dem Kuvertieren der Ergänzung der Beschwerde und der Postaufgabe der "Originalbescheid" (gemeint: das Original der Beschwerde) aus dem Konvolut abhanden gekommen sei. Nach Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 7. Dezember am 19. Dezember habe der Beschwerdevertreter Rücksprache mit der Sekretärin gehalten, die beteuert habe, sie könne sich noch erinnern, dass bei der gemeinsamen Überprüfung des "aufgegebenen" (gemeint: aufzugebenden) Konvolutes die Originalbeschwerde angeschlossen gewesen sei. Deshalb habe der Beschwerdevertreter einige Tage nach der Zustellung des Beschlusses Rücksprache mit der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes gehalten und um Nachschau gebeten, ob sich die Originalbeschwerde nicht doch im übermittelten Konvolut befände, was aber von der Geschäftsstelle verneint worden sei. Danach seien die umfangreichen Akten betreffend den Beschwerdeführer durchsucht worden, und es sei die Originalbeschwerde "in einem Akt" des Beschwerdeführers gefunden worden.

Es bestehe nun die Möglichkeit, dass die Originalbeschwerde zwischen der Kontrolle der an den Verwaltungsgerichtshof zu übermittelnden Unterlagen, "deren Unterfertigung" (der Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes) und der Anfertigung von Kopien der Ergänzungen der Beschwerde und der Unterlagen beim Kopieren versehentlich aus dem Konvolut herausgerutscht sei. Da es sich doch "um ein sehr ansehnliches Konvolut" gehandelt habe, sei es auch möglich, dass das Original bei der Postaufgabe aus dem Konvolut herausgerutscht sei. In beiden Fällen sei es nicht auszuschließen, dass das Original der Beschwerde von der damit befassten Sekretärin (K.) oder einer anderen Sekretärin wieder "in einen Akt" betreffend den Beschwerdeführer, weil die Sekretärin K. oder aber eine andere Sekretärin "offensichtlich annahm, dass es sich bei diesem Original der Beschwerde um ein bereits abgefertigtes Schriftstück handelte, das zudem an den Verfassungsgerichtshof gerichtet war und die Ergänzung der Beschwerde laut Postaufgabebuch an den Verwaltungsgerichtshof zu richten war, und damit nicht abzusenden gewesen wäre". Dazu komme, dass gleichzeitig mit dieser Beschwerde (gemeint: des Verbesserungsschriftsatzes) auch zahlreiche andere Stücke bei der Post aufgegeben worden seien, sodass es wahrscheinlich sei, dass bei der Aufgabe des umfangreichen Konvoluts beim Postamt die Originalbeschwerde aus dem Verbesserungsschriftsatz gerutscht sei. Frau K. könne auch nicht ausschließen, dass das Konvolut nicht in die vorhandenen Briefkuverts gepasst habe, sie am 21. November 2011 bei der Post ein entsprechendes Kuvert erworben habe, und beim Einkuvertieren bei der Post die Originalbeschwerde versehentlich nicht mitgeschickt worden sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 leg. cit. binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Im Beschwerdefall wird ein manipulatives Versehen im Kanzleibetrieb behauptet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Kanzleibetrieb muss so organisiert sein, dass die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom 8. Juni 2011, Zl. 2011/06/0086, mwN.).

Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG beginnt mit dem "Aufhören des Hindernisses". Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, dass die Fristeinhaltung verhindert hat. Beruht die Versäumung der Frist auf einem Versehen, hört das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG in jenem Zeitpunkt auf, zu welchem dieses Versehen als solches erkannt werden konnte und musste (vgl. dazu beispielsweise den hg. Beschluss vom 18. Februar 2009, Zl. 2009/08/0003 - d.h. in dem Zeitpunkt, indem das Versehen erkannt wurde oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkannt werden müssen).

Im gegenständlichen Fall ist das Original der Beschwerde nicht mit dem Verbesserungsschriftsatz (samt Gleichschriften und Beilagen) dem Verwaltungsgerichtshof rückgemittelt worden. Aus dem Vorbringen ist nicht ersichtlich, wie das Original (mit Vermerken des Verfassungsgerichtshofes) in einen Akt betreffend den Beschwerdeführer gelangen konnte und erst aufgrund der Nachforschungen nach Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 7. Dezember 2011 aufgefunden wurde (werden konnte), das heißt, weshalb das die laut Vorbringen versehentlich unterbliebene Rückmittlung des Originals an den Verwaltungsgerichtshof nicht früher aufgefallen ist.

Damit wurde einerseits kein wirksames Kontrollsystem aufgezeigt, das verhindert hätte, dass unergründlich aufgefundene Schriftsätze ganz einfach in irgendeinen Akt gelegt werden, mag dieser auch den Beschwerdeführer betreffen, andererseits aber auch nicht dargetan, dass bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt das Versehen erst so spät entdeckt werden konnte, womit auch die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht aufgezeigt wird (zu all dem vgl. den zuvor genannten hg. Beschluss vom 8. Juni 2011, mwN.).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 22. Februar 2012

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