VwGH 2012/05/0188

VwGH2012/05/018818.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der Gartensiedlung "A" in W, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Krugerstraße 4/4a, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. September 2012, Zl. BOB-262/12, betreffend einen Bauauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §297;
ABGB §417;
ABGB §418;
ABGB §434;
ABGB §435;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
BauRG 1912 §6;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ABGB §297;
ABGB §417;
ABGB §418;
ABGB §434;
ABGB §435;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
BauRG 1912 §6;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeit auf einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 2 und Abs. 4 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt,

"(d)ie auf ihrer gesamten Länge von ca. 27 m schadhafte Einfriedungsmauer und Stützmauer entlang der T(...)gasse (...) instand setzen zu lassen".

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, vom bautechnischen Sachverständigen sei festgestellt worden, dass die ca. 27 m lange Stützmauer schadhaft sei. In den Beton der Mauer sei Wasser eingedrungen und durch chemische Zerstörung und Frosteinwirkung seien Teile aus der Mauer gebrochen sowie Risse entstanden. Weiters habe sich die Mauer vom Lot in Richtung Garten geneigt, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese umfällt. Dadurch könnten Personen verletzt werden bzw. könnte die Straße ebenfalls in Richtung Garten abrutschen. Da entlang der Straße die Krone der Stützmauer öffentlich zugänglich sei, bestehe eine Stolper- und Sturzgefahr für Passanten, weshalb ein Baugebrechen vorliege. Gemäß § 129 Abs. 2 BO habe der Eigentümer dafür zu sorgen, dass die Bauwerke in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Auf den im Verwaltungsakt befindlichen Fotos sei ersichtlich, dass die Stützmauer in einem Zug mit der die Liegenschaft erschließenden Stiegenanlage errichtet worden sei und gleichzeitig als Fundament für die Einfriedung diene. Aus einem Aktenvermerk der erstinstanzlichen Behörde gehe hervor, eine Abfrage im Vereinsregister habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg sei. Diese Genossenschaft habe die vor der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft befindliche Verkehrsfläche T.gasse in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts hergestellt. Gemäß dem näher bezeichneten Aufschließungs- und Aufteilungsplan der Magistratsabteilung 54 vom 18. Dezember 1933 scheine die Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg als Pächterin auf, welcher der Auftrag zur Herstellung der Verkehrsfläche bis zum 31. Dezember 1934 erteilt worden sei. Sowohl vom bautechnischen Amtssachverständigen als auch von der Behörde erster Instanz sei festgestellt worden, dass es sich aus technischen Gründen bei der Herstellerin der Straße gleichzeitig um die Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Stützmauer handeln müsse, da bei der Herstellung einer Straße auf einem quer zur Fahrtrichtung geneigten Gelände an der Talseite eine Stützmauer oder Böschung erforderlich werde.

Verfahrensgegenständlich seien sowohl eine Böschung als auch eine Stützmauer vorhanden. Außerdem sei auszuschließen, dass die Stadt Wien eine private Stiegenanlage hergestellt habe, die in einem Zug mit der Stützmauer entstanden sei. Dass diese Stützmauer gleichzeitig als Fundament für eine Einfriedung genutzt worden sei, ändere nichts an der Verpflichtung gemäß § 129 BO, die Stützmauer in einem der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechenden Zustand zu erhalten. Abschließend werde die Erfüllungsfrist auf zwölf Monate erstreckt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG, BGBl. I Nr. 122/2013, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden sind.

2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien, idF LGBl. 25/2009 (BO), lauten:

"Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauwerke

§ 129

(1) ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.

(3) ...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der

Erteilung des Bauauftrages. ... Aufträge sind an den Eigentümer

(jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; ..."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) lauten:

"§ 297

Eben so gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, als: Häuser und andere Gebäude mit dem in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraume; ferner: nicht nur Alles, was erd- mauer- niet- und nagelfest ist, als: Braupfannen, Branntweinkessel und eingezimmerte Schränke, sondern auch diejenigen Dinge, die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind: z.B. Brunneneimer, Seile, Ketten, Löschgeräthe und dergleichen.

§ 434

Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuche eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde.

§ 435

Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen, soferne sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind."

3. Die Beschwerde ist begründet.

3.1. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde gehen davon aus, dass die Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg die verfahrensgegenständliche Stützmauer errichtet hat. Die Beschwerdeführerin bestreitet jedoch, Eigentümerin der baulichen Anlage zu sein, und bringt im Wesentlichen vor, die Stadt Wien sei als Eigentümerin des Grundstückes, auf welchen sich die Stützmauer befinde, nach der sachenrechtlichen Grundregel des § 297 ABGB Eigentümerin der Mauer. Die Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der Errichter des Bauwerks auch Bauwerkseigentümer sei, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Stützmauer in der Absicht errichtet worden wäre, nicht stets auf ihrem Standort zu verbleiben. In Verkennung der Rechtslage habe sie keinerlei Feststellungen zum allfälligen Superädifikatseigentum des seinerzeitigen Bauwerkserrichters getätigt.

Darüber hinaus ergebe sich aus demVereinsregisters keine Rechtsnachfolge der Beschwerdeführerin nach der Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg; die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Berufungsvorbringen, wonach die Beschwerdeführerin keinesfalls Rechtsnachfolgerin des "Generalpächters" sei, auseinander zu setzen. Die verfahrensgegenständliche Stützmauer sei - soweit überhaupt noch nachvollziehbar - um 1934 von der damaligen Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg errichtet worden, welche im Dritten Reich ihre Rechte dem Landesbund Donauland der Kleingärtner e.V. im Reichsbund deutscher Kleingärtner e.V. abtreten habe müssen. Seither bestehe die Genossenschaft nicht mehr. Die Beschwerdeführerin sei nicht Rechtsnachfolgerin des Reichsbundes.

3.2. Gemäß § 129 Abs. 2 erster Satz BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnungen entsprechendem Zustand erhalten werden. Nach Abs. 4 erster Satz leg. cit. hat die Behörde nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen.

Der Frage, wer Eigentümer des Bauwerkes ist, für das ein Bauauftrag erlassen werden soll, kommt somit erhebliche Bedeutung zu: Der Bestandnehmer eines Grundstückes kann Eigentümer des von ihm errichteten Gebäudes sein, sofern es sich hierbei um ein Superädifikat handelt. Ist der vom Grundeigentümer verschiedene Adressat eines baubehördlichen Auftrages jedoch nicht Superädifikatseigentümer (und auch nicht Baurechtsinhaber), ist eine Auftragserteilung an ihn rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, Zl. 2006/05/0165).

Dass die Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft der Kleingärtner am Heuberg die Stützmauer auf einem Grundstück errichtet hat, das im Eigentum der Stadt Wien steht, wurde von der belangten Behörde festgestellt und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Behörde ging aufgrund der aus 1933 stammenden Verpflichtung der Wirtschafts- und Siedlungsgenossenschaft als Pächterin zur Herstellung der Verkehrsfläche T.gasse davon aus, dass die Herstellerin der Straße aus technischen Gründen gleichzeitig Eigentümerin der Stützmauer sein müsse. Dabei verabsäumte die belangte Behörde festzustellen, ob es sich bei der Mauer um ein Superädifikat handle, und zu begründen, weshalb § 297 ABGB nicht zur Anwendung gelange. Die Behörde verkannte zudem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: Gemäß § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, dass sie stets darauf bleiben sollen, insbesondere alles, was erd-, mauer-, niet- und nagelfest ist. Für auf Dauer bestimmte Bauwerke werden unselbständige Bestandteile der Liegenschaft. Gemäß § 435 ABGB sind Überbauten (Superädifikate) Bauwerke, die auf fremden Grund in der Absicht aufgeführt werden, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen. Entscheidend für die Qualifikation als Überbau ist somit in erster Linie die Absicht des Erbauers, das Bauwerk nicht dauernd auf dem Grund zu belassen; die Beschränkung des Grundbenützungsrechtes ist nur ein Indiz für diese Absicht. Ein Superädifikat liegt also nur dann vor, wenn dem Erbauer erkennbar die Belassungsabsicht fehlt, welche im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks hervortritt, aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2006/05/0027). Es kann im Beschwerdefall keinem Zweifel unterliegen, dass die Mauer auf Dauer errichtet wurde. Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der Errichterin der Mauer ist.

Die im Zuge der Erstattung einer Gegenschrift getätigten Ausführungen der belangten Behörde zur Annahme eines Superädifikates ändern an den diesbezüglich mangelnden Feststellungen der belangten Behörde nichts. Die Gegenschrift dient nämlich nicht zur Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2014. Zl. 2011/04/0168).

4. Vor diesem Hintergrund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff iVm § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 18. November 2014

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