VwGH 2012/05/0174

VwGH2012/05/017430.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou; über die Beschwerde 1. des H L und 2. der T L, beide in Gmunden, beide vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. August 2012, Zl. IKD(BauR)-014438/1-2012-Hc/Wm, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. I Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft reg. Gen.m.b.H., vertreten durch Puttinger, Vogl und Partner Rechtsanwälte GmbH in R;

2. Gemeinde E), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauTG OÖ 1994 §5;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauTG OÖ 1994 §5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 4. August 2010 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für eine Wohnanlage mit zehn Wohneinheiten auf einer näher genannten Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde.

Bei der Bauverhandlung am 31. August 2010 erhoben unter anderem die Beschwerdeführer als Nachbarn Einwendungen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Mai 2011 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

Dagegen erhoben unter anderem die Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. Februar 2012 wurde unter anderem die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben unter anderem die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde unter anderem die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der Vorschriften über die Beachtung des Orts- und Landschaftsbildes kein Nachbarrecht bestehe. Soweit die Beschwerdeführer rügten, dass ihnen das Gutachten des Ortsbildsachverständigen nicht zugestellt worden sei, sei zu bemerken, dass die verfahrensrechtlichen Ansprüche der Nachbarn nicht weitergingen als ihre materiellen Rechte. Aus dem bewilligten Einreichplan Nr. 003 (Ansichten) ergebe sich bezüglich der hier maßgeblichen Nordwestansicht, dass der vom Hauptkörper vorspringende Eingangsbereich eine maximale Höhe von ca. 8,46 m aufweise. Nach dem bewilligten Einreichplan Nr. 001 (Lageplan) liege der Eingangsbereich in einem Abstand von 3,5 m zur Nachbargrundgrenze der Beschwerdeführer, sodass die Bestimmung des § 5 Z. 1 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes (BTG) - Mindestabstand von 3 m - erfüllt sei. Aus dem bewilligten Einreichplan Nr. 003 (Ansichten) ergebe sich bezüglich der Nordwestansicht weiters, dass der hinter den Eingangsbereich zurückspringende Hauptkörper eine maximale Höhe von ca. 10,41 m habe. Nach dem Lageplan Nr. 001 habe der Hauptkörper einen Abstand von 9,52 m zur Nachbargrundgrenze der Beschwerdeführer, sodass § 5 Z. 2 BTG (Abstand eines Drittels der Höhe, also 3,47 m) erfüllt sei. Auch das 2,45 m hohe Nebengebäude für Müllcontainer halte einen Abstand von 3,49 m zur Nachbargrundgrenze ein und entspreche daher den erforderlichen Abstandsbestimmungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, bezüglich der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes sowie der bestehenden angrenzenden Bebauung sei sehr wohl ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Beschwerdeführer gegeben, die als Eigentümer eines unmittelbar angrenzenden Grundstückes durch die Missachtung dieser gesetzlichen Bestimmungen massiv beeinträchtigt würden. Das im angefochtenen Bescheid erstmals erwähnte ortsbildtechnische Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. F vom 31. März 2010 sei den Beschwerdeführern nicht bekannt. Damit sei das Prinzip des Parteiengehörs massiv verletzt worden. Auch die Einwendungen betreffend den Mindestabstand seien nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Nach dem eingereichten Projekt betrage der Abstand des Bauvorhabens zum angrenzenden Grundstück lediglich 3,5 m. Angesichts der Höhe des Bauvorhabens mit zwei "Vorgeschossen" sei dieser Abstand wesentlich zu gering. Mit diesen Einwendungen habe sich die belangte Behörde wenigstens konkret auseinandergesetzt. Wie sie allerdings zu ihren Feststellungen gelangt sei, sei nicht nachvollziehbar. Jedenfalls sei die Vorstellungsbehörde erwiesenermaßen kein bautechnischer Sachverständiger. Mangels der erforderlichen fachlichen Kenntnisse sei sie somit zur Beurteilung der Fragen der Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestabstände nicht befähigt und auch nicht befugt. Der neuerliche Verzicht auf die Einholung eines nachvollziehbaren Gutachtens eines bautechnischen Sachverständigen zur Frage, ob das gegenständliche Bauvorhaben die gesetzlichen Mindestabstände zu den unmittelbar angrenzenden Nachbarliegenschaften einhalte, bewirke einen weiteren Verfahrensmangel. Die Beschwerdeführer hätten im Übrigen zum ersten Mal in der Bauverhandlung selbst diese Pläne gesehen. Die Ausschreibung der Bauverhandlung sei daher gesetzwidrig erfolgt, weil den Beschwerdeführern mangels Kenntnis der tatsächlich der Verhandlung und der Baubewilligung zugrundegelegenen Baupläne nicht die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzeit zur Vorbereitung auf die Bauverhandlung zur Verfügung gestanden sei.

§ 31 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66

idF LGBl. Nr. 96/2006 (BO), lautet auszugsweise:

"§ 31

Einwendungen der Nachbarn

...

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. ...

..."

§ 5 BTG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 35/2013 lautet

auszugsweise:

"§5

Lage und Höhe der Gebäude, Abstandsvorschriften,

Vorgarten

Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden:

1. Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

2. Im übrigen muß dieser Abstand bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen.

..."

Dem Nachbarn kommt im Hinblick auf den Ortsbildschutz kein Mitspracherecht im Sinne des § 31 Abs. 4 BO zu, weshalb das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde insgesamt ins Leere geht (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2011, Zl. 2009/05/0017, mwN).

Soweit in der Beschwerde die mangelnde Vorbereitungszeit für die Bauverhandlung gerügt wird, wird nicht dargelegt, was die Beschwerdeführer bei ausreichender Vorbereitungszeit in der Bauverhandlung vorgebracht hätten. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht aufgezeigt.

Im Übrigen bemängelt die Beschwerde zwar, dass kein Sachverständigengutachten hinsichtlich der Feststellungen der belangten Behörde über die Gebäudehöhe und die Seitenabstände eingeholt worden sei. Die Beschwerdeführer behaupten aber nicht, dass diese Feststellungen unzutreffend wären. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen aus den Einreichplänen nicht direkt und ohne Sachverständigengutachten ableitbar wären. Es führt daher auch das Vorbringen betreffend die Gebäudehöhe die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 VwGG iVm § 79 Abs. 1 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. Jänner 2014

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