Normen
AVG §10 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2012050157.X00
Spruch:
I.) den Beschluss gefasst:Der Wiedereinsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
II.) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde trug der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 10. November 2011 gemäß § 49 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) auf, einen bewilligungslos errichteten Holzpavillon zu beseitigen. Begründend heißt es, bei einem Lokalaugenschein Mitte Juni 2011 sei die Ausführung einer anzeigepflichtigen baulichen Anlage in Form eines Holzpavillons festgestellt worden, für den jedoch weder eine rechtskräftige Bewilligung noch eine zur Kenntnis genommene Anzeige erwirkt worden sei. Nach der maßgeblichen Rechtslage könne eine nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung für den konsenslos errichteten Holzpavillon auf Grund des Widerspruchs zum rechtskräftigen Flächenwidmungsplan Nr. 04/2004 nicht erfolgen, weil das verfahrensgegenständliche Grundstück als "Grünzug-Seeufer Gz1" gewidmet und die Errichtung von Neubauten nicht zulässig sei.
Der Gemeinderat gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 keine Folge und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters. In seiner Begründung hielt der Gemeinderat unter Verweis auf den maßgeblichen Flächenwidmungsplan - soweit für das weitere Verfahren wesentlich - fest, dass auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Gartenlaube sei ohne feste Bodenbefestigung aufgestellt worden und werde in ca. zwei Jahren durch Hainbuchen und Trauerweiden nicht mehr sichtbar sein, unerheblich sei, weil dies keinerlei Auswirkungen auf die festgestellte Anzeigepflicht nach § 25 Abs. 1 Z 9 BO habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Hiezu führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es für die Beurteilung der Zulässigkeit des Holzpavillons bzw. des gegenständlichen Beseitigungsauftrages dahingestellt bleiben könne, ob es sich um ein anzeige- oder bewilligungspflichtiges Gebäude handle, weil § 49 BO auf bewilligungs- und anzeigepflichtige und gemäß seinem Abs. 6 sogar auf bewilligungsfreie bauliche Anlagen anzuwenden sei. Beim bestehenden Holzpavillon in Form eines (ovalen) Zehneckes mit einem Durchmesser von 3 m bzw. 5 m und einer Höhe von etwa 2,5 m handle es sich um ein Gebäude iSd § 2 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes 1994 (im Folgenden: BauTG) und damit um einen Neubau iSd § 2 Z 32a BauTG. Nach der im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan vorgenommenen Festlegung sei für den hier zu beurteilenden Grünzug-Seeufer-Bereich die Errichtung von (weiteren) Neubauten eindeutig und ausnahmslos ausgeschlossen, weshalb eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden könne und die Vorschreibung der Beseitigung rechtmäßig erfolgt sei.
Laut der im Verwaltungsakt einliegenden Zustellnachweise wurde der angefochtene Bescheid - wie in der Zustellverfügung angeordnet - der Beschwerdeführerin zu Handen der Beschwerdevertreter und der mitbeteiligten Marktgemeinde jeweils am 26. Juni 2012 zugestellt (wobei im Beschwerdeverfahren die Rechtmäßigkeit der Zustellung an die Beschwerdevertreter in Frage steht).
Gegen den angefochtenen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Postaufgabe am 22. August 2012), sollte die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdevertreter mit der Wirkung als rechtmäßig angesehen werden, dass damit die Beschwerdefrist versäumt wäre.
Die Beschwerdeführerin bringt hiezu (zusammengefasst) vor, sie habe im Bauauftragsverfahren ohne anwaltliche Vertretung agiert, weshalb die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die nunmehrige Rechtsvertretung nicht rechtswirksam habe erfolgen können (Anmerkung: im komplementären Bauanzeigeverfahren wurde schon die Berufung im gemeindebehördlichen Verfahren durch die Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführerin eingebracht, was auch für die Vorstellung gilt; siehe dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/05/0208). Der angefochtene Bescheid sei den Beschwerdevertretern am 26. Juni 2012 "zugestellt" worden. Die Rechtsmittelfrist sowohl am Bescheid selbst als auch im Fristenkalender sei durch Frau S, einer seit 30 Jahren in der Kanzlei beschäftigten Mitarbeiterin, eingetragen und durch eine weitere Mitarbeiterin, Frau E., kontrolliert worden. Beiden sei aber ein Rechenfehler mit der Folge unterlaufen, dass das Fristende mit dem 27. August 2012 und nicht mit dem 7. August 2012 angenommen worden sei (wird unter Vorlage der Ablichtung der ersten Seite des Bescheides mit der Fristberechnung näher dargelegt). Dies sei nicht aufgefallen.
In der Folge habe die in der Anwaltsgemeinschaft mit der Bearbeitung des Falles betraute Anwältin den Bescheid telefonisch mit der Beschwerdeführerin besprochen und es sei "grundsätzlich ein Rechtsmittel" erwogen worden, wobei die bearbeitende Rechtsanwältin aber "von einer ordnungsgemäßen Direktzustellung" an die Beschwerdeführerin ausgegangen sei. Eine Woche "vor Ende der (vermeintlichen) Frist sei eine Rücksprache mit der Beschwerdeführerin erfolgt, die konkret die Einbringung einer Beschwerde gewünscht, allerdings mitgeteilt habe, dass ihr selbst (noch) kein Bescheid zugestellt worden sei. Bei der Ausarbeitung der Beschwerde durch die mit der Sache betraute Rechtsanwältin habe diese den unrichtigen Rechenvorgang erkannt. Ein solcher Fehler sei den (zuverlässigen) Bearbeitern bislang nie unterlaufen (wird näher ausgeführt).
Die belangte Behörde führt hiezu in ihrer Gegenschrift aus, sie habe am 21. Juni 2012 vor Absendung des angefochtenen Bescheides telefonisch die (Kanzlei der) Beschwerdevertreter kontaktiert und von der Mitarbeiterin Frau S. die Auskunft erhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht nur im (oben genannten) Verfahren zur Untersagung der Bauausführung, sondern auch im Vorstellungsverfahren betreffend den Beseitigungsauftrag durch die Kanzlei vertreten werde. Es habe daher angenommen werden können, dass sich die Kanzlei iSd § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG dadurch auf die ihr erteilte Vollmacht berufe, weshalb der Bescheid rechtmäßig nur an die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zugestellt habe werde können.
§ 10 AVG regelt die Vertretungsbefugnis im Verfahren vor Verwaltungsbehörden, wobei eine allgemeine Vertretungsvollmacht iSd § 10 AVG im Allgemeinen die Zustellbevollmächtigung einschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2011, Zl. 2010/18/0365).
Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis; diesfalls ist eine schriftliche Vollmacht entbehrlich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0115).
Die auf telefonische Nachfrage der belangten Behörde am 21. Juni 2012 durch die Kanzleimitarbeiterin der Beschwerdevertreter der belangten Behörde erteilte Auskunft, die Beschwerdeführerin werde "auch in diesem Verfahren von ihnen vertreten", erweist sich nach dem nunmehrigen Verfahrensstand (wohl aufgrund eines Versehens) als unzutreffend. Diese (unzutreffende) Auskunft hatte nicht die Wirkung, dass die belangte Behörde an die (nunmehrigen) Vertreter zuzustellen hatte. Die Berufung auf die Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG kann etwa durch die Klausel "Vollmacht erteilt" auf einem Schriftsatz oder dadurch erfolgen, dass ein Rechtsmittel "namens und auftrags meiner Mandantschaft" eingebracht wird (s. hiezu Hengstschläger/Leeb, AVG I, S. 103, Rz 13). Voraussetzung für die Begründung eines (hier) für die belangte Behörde maßgeblichen Vertretungsverhältnisses iSd § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG ist allerdings, dass sich der neue Vertreter (selbst) gegenüber der Behörde auf die ihm erteilte Vollmacht beruft, weshalb die lediglich durch die Kanzleimitarbeiterin erfolgte (hier unrichtige) telefonische Mitteilung ein solches Vertretungsverhältnis im Verfahren vor der belangten Behörde nicht zu begründen vermochte.
Damit erweist sich die an die Beschwerdevertreter vorgenommene "Zustellung" des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Beschwerdeführerin als unwirksam.
Gemäß § 26 Abs. 2 VwGG kann die Beschwerde aber auch erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Falle der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat.
§ 26 Abs. 2 VwGG hat im Mehrparteienverfahren Bedeutung. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten Bescheid ist, dass dieser Bescheid an andere Verfahrensparteien ergangen ist und dass der Bescheid seinem Inhalt nach in die Rechtssphäre der Partei eingreift (s. die hg. Beschlüsse vom 12. November 2012, Zl. 2010/06/0235, und vom 30. Jänner 2013, Zl. 2012/03/0182, mwH.).
Da der nun angefochtene Bescheid - wie dargelegt - zwar der Beschwerdeführerin nicht rechtswirksam zugestellt wurde, die Zustellung an die mitbeteiligte Gemeinde, der im aufsichtsbehördlichen Verfahren über eine Vorstellung einer Partei selbst Parteistellung zukommt (siehe § 109 Abs. 2 der Oö. Gemeindeordnung 1990), hingegen korrekt erfolgte, ist die Rechtzeitigkeit der am 22. August 2012 zur Post gegebenen Beschwerde vor dem Hintergrund des § 26 Abs. 2 VwGG zu beurteilen, wobei, ausgehend von der Postaufgabe am 22. August 2012, die Sechswochenfrist im Sinne des § 26 Abs. 2 VwGG am 11. Juli 2012 zu laufen begann.
Bei der gegebenen Verfahrenslage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin (der ja der angefochtene Bescheid nicht zugestellt worden war) schon vor dem 11. Juli 2012 im Sinne des § 26 Abs. 2 VwGG "Kenntnis" vom angefochtenen Bescheid hatte, nämlich von seinem wesentlichen (rechtlichen) Inhalt (siehe dazu beispielsweise den hg. Beschluss vom 22. April 1998, Zlen. 94/12/0056, 97/12/0377, Slg. Nr. 14.878/A, mwN., und schon Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 34 Anm. 3).
Bei der gegebenen Verfahrenslage ist daher die Beschwerde als rechtzeitig anzusehen, womit der Wiedereinsetzungsantrag mangels Fristversäumung zurückzuweisen ist.
Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt (zusammengefasst) die Auffassung, der Pavillon sei kein Gebäude, weshalb der Beseitigungsauftrag zu Unrecht ergangen sei. Wie aber in dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/05/0208, näher dargelegt wurde und auf das daher verwiesen werden kann, handelt es sich bei diesem Pavillon um ein Gebäude, dies auch dann, wenn die Türen entfernt wurden. Angesichts dessen erging der Beseitigungsauftrag zu Recht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Mai 2013
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