Normen
ABGB §1311;
ABGB §1336 Abs1;
ABGB §1447;
ABGB §863;
ABGB §911;
BVergG §108 Abs2;
BVergG §129 Abs1 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §1311;
ABGB §1336 Abs1;
ABGB §1447;
ABGB §863;
ABGB §911;
BVergG §108 Abs2;
BVergG §129 Abs1 Z7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
2. Aus dem angefochtenen Bescheid ergeben sich die folgenden, unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen:
2.1. Die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden "Auftraggeberin") führte ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich für die Erbringung von Dienstleistungsaufträgen, das - nach EU-weiter Ausschreibung - zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit drei konkurrierenden Unternehmen führte. Auf Basis dieser Rahmenvereinbarung sollten - nach einem Aufruf zum Wettbewerb - jeweils Einzelaufträge vergeben werden. Gegenstand der zu vergebenden Aufträge waren Beratungsleistungen ("Syntegrationsleistungen"), wobei als Leistungsempfänger jeweils erst im Rahmen der Einzelauftragsvergabe von der Auftraggeberin zu benennende Gebietskörperschaften vorgesehen waren.
Punkt 9.8. der Ausschreibungsbedingungen zur Rahmenvereinbarung lautete:
"Mangelnde Mitwirkung
Für den Fall, dass die Gebietskörperschaft, in welcher die Syntegration durchgeführt werden soll, die erforderlichen und verfügbaren Unterlagen, Informationen etc. nicht vollständig zugängig macht, und/oder Personen, die nach Ansicht des Auftragnehmers in den Syntegrations-Prozess einzubinden sind, an diesem Prozess nicht mitwirken, hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber hiervon unverzüglich und schriftlich Mitteilung zu machen.
Der Auftraggeber wird versuchen, die Gebietskörperschaft zu einer entsprechenden Mitarbeit zu bewegen, gelingt dies nicht, so hat der Auftraggeber das Recht, eine andere Gebietskörperschaft namhaft zu machen, bei welcher dann der Syntegrations-Prozess durchzuführen ist."
2.2. Basierend auf dieser bestandsfesten Rahmenvereinbarung erging an die drei teilnahmeberechtigten Unternehmen ein Aufruf zum Wettbewerb betreffend die beschwerdegegenständliche Vergabe zweier - getrennt zu vergebender - Einzelaufträge für Beratungsleistungen auf Gemeindeebene. Als - im Verhältnis zueinander unterschiedlich gewichtete - Zuschlagskriterien waren im Aufruf zum Wettbewerb für beide Einzelaufträge das im jeweiligen Angebot enthaltene Nettohöchsthonorar, der vorgesehene Terminplan und die anzubietende Pönale bestimmt.
2.3. Die bestandfesten Bedingungen im Aufruf zum Wettbewerb enthielten gleichlautend - den beiden Einzelaufträgen jeweils zugeordnet - in den Punkten 4.1.5 ("Pönale 25 %") und 4.2.5.1 ("Höhe der Pönale") folgende Bestimmung:
"Der Bieter hat im Angebotsblatt die Pönale in Prozenten vom Nettohöchsthonorar anzubieten, zu deren Zahlung sich der Vertragspartner verschuldensunabhängig verpflichtet, wenn die Durchführung der Syntegration und die Erstellung des Maßnahmenkataloges, samt monetärer Bewertung der Einzelmaßnahme sowie des Umsetzungszeitplanes unter Angabe der Umsetzungsverantwortlichen auf Gemeindeebene, nicht innerhalb der angebotenen Leistungsfrist erbracht wird.
Diese Pönale unterliegt nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht und ist der Höhe nach unbeschränkt."
Unter Punkt 6. ("Sonstiges") ist in den Bedingungen folgendes festgehalten:
"(...)
Die jeweilige Leistungserbringung setzt einen entsprechenden Beschluss der zuständigen Gremien voraus, die tatsächliche Auftragserbringung ist diesbezüglich aufschiebend bedingt.
Sollte der entsprechende Beschluss der zuständigen Gremien zum Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nicht gefasst worden sein, so verschieben sich die angebotenen Fertigstellungstermine gemäß Punkt 1.2. und Punkt 2.2. des Angebotsformblattes entsprechend, und verlängern sich um jenen Zeitraum, der zwischen Bekanntgabe des Zuschlages und dem Zustandekommen des betreffenden Beschlusses der zuständigen Gremien liegt.
Auszufüllen, zu unterfertigen und zu übermitteln ist ausschließlich Anlage ./1 (Anm.: Angebotsformblatt), der sämtliche geforderten Nachweise, Bescheinigungen etc. anzuschließen sind."
2.4. Das von der Auftraggeberin als Anlage ./1 zur Verfügung gestellte Angebotsformblatt enthielt betreffend die Einzelaufträge unter den Punkten 1.3. bzw 2.3. jeweils folgenden Text:
"Pönale
Für den Fall, dass die Teilleistungen bis zu dem unter Punkt 1.2. (Anm.: bzw Punkt 2.2.) genannten Zeitpunkt nicht vollständig erbracht und der Maßnahmenkatalog samt Umsetzungszeitpunkt an den Auftraggeber übergeben worden ist, verpflichten wir uns zur Bezahlung einer Pönale in Höhe von (...) des Nettohöchsthonorars gemäß Punkt 1.1. (Anm.: bzw 2.1) pro Kalendertag.
Die Pönale beginnt mit dem Kalendertag, der auf den im Punkt 1.2. (Anm.: bzw Punkt 2.2.) genannten Kalendertag folgt, zu laufen und endet mit dem Ablauf jenes Kalendertages, an welchem die Leistungen vollständig erbracht worden sind und der Maßnahmenkatalog sowie der Umsetzungszeitplan beim Auftraggeber eingelangt sind."
2.5. Jeweils bezogen auf diese gleichlautenden Bestimmungen des Angebotsformblattes enthielt das von der Beschwerdeführerin übermittelte Angebot den folgenden Vermerk:
"Verzögerungen, die in der Sphäre des Auftraggebers bzw der Stadtgemeinde liegen bzw durch diesen verursacht werden, wie beispielsweise nicht rechtzeitige Bereitstellung von Unterlagen, Nicht-Verfügbarkeit von erforderlichen Personen für die Durchführung der Syntegrationsleistungen/Workshops sowie vor- und nachbereitender Tätigkeiten, Bereitstellung von Räumlichkeiten, Findung von Terminen für die Workshops verlängern die Frist zur Leistungserbringung durch den Auftragnehmer und sind daher nicht pönalewirksam. In diesen Fällen werden wir den Auftraggeber gem 9.8. der Angebotsunterlagen unverzüglich schriftlich informieren."
2.6. Mit Schreiben des Rechtsvertreters der Auftraggeberin vom 22. November 2011 wurde die Beschwerdeführerin - unter Berufung auf § 152 Abs. 6 Z 4 iVm § 131 Abs. 2 Z 3 BVergG 2006 ohne vorherige Bekanntgabe einer Zuschlagsentscheidung - in Kenntnis gesetzt, dass der Zuschlag auf das Angebot der erstmitbeteiligten Partei erfolgt sei. Das Angebot der Beschwerdeführerin habe wegen des (unter Punkt 2.5. wiedergegebenen) Vermerks den Angebotsbedingungen widersprochen und sei aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen gewesen.
3. Nach Abschluss des gemäß den Bestimmungen des NÖ Vergabenachprüfungsgesetzes vorgeschalteten Schlichtungsstellenverfahrens stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde den Antrag, festzustellen, dass der Zuschlag aufgrund der Rahmenvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen die §§ 152 Abs. 4 bis 6, 158 Abs. 2 bis 5 BVergG 2006 rechtswidrig gewesen sei, in eventu, dass der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anzuwendendes Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei.
Weiter beantragte die Beschwerdeführerin, "den jeweiligen dem Aufruf zum Wettbewerb zugrunde liegenden Vertrag" für nichtig zu erklären, in eventu auszusprechen, dass der "dem Aufruf zum Wettbewerb jeweils zugrunde liegende Vertrag" nur soweit aufgehoben werde, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar seien.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde sämtliche Anträge als unzulässig zurück. Ausgehend von den unter Punkt 2. dieses Bescheides - auszugsweise - wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen führt die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Begründung zusammengefasst aus, ein Bieter habe sich zwingend an die Ausschreibungsvorgaben zu halten. Die Beschwerdeführerin habe zu den Punkten 4.1.5. und 4.2.5. des Aufrufes zum Wettbewerb einen Korrekturvermerk angebracht und so ihr Angebot ergänzt und sohin abgeändert. Auch im Falle eines Abweichens eines Angebotes von den Ausschreibungsbedingungen gelte die Bindung des Bieters an die Ausschreibungsunterlagen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter erlaube hier keinen Handlungsspielraum. Eine Ausschreibungsbestimmung werde mangels Anfechtung bestandfest. Eine allfällige Sittenwidrigkeit der Ausschreibungsbedingungen könne nicht mehr releviert werden. Da die Beschwerdeführerin ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot gelegt habe, sei diese gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 zwingend auszuscheiden gewesen. Die Nichtberücksichtigung des Angebots durch die Auftraggeberin sei daher nicht rechtswidrig gewesen, weshalb die Beschwerdeführerin nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt worden sein könne. Da das Angebot der Beschwerdeführerin grundsätzlich nicht geeignet sei, für den Zuschlag in Betracht gezogen zu werden, sei ihre Antragslegitimation zu verneinen und von einer Unzulässigkeit des Feststellungsantrages auszugehen.
Zu einer Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung mit Gewährung einer Stillhaltefrist sei die Auftraggeberin nicht verpflichtet gewesen. Zudem sei auf die Subsidiarität des Feststellungsverfahrens gegenüber einem Nachprüfungsverfahren zu verweisen.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf eine Gegenschrift.
Die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihren Gegenschriften jeweils die Abweisung der Beschwerde.
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6.1. Die relevanten Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 17/2006, lauten:
"§ 108.
(...)
(2) Mit der Abgabe seines Angebotes erklärt der Bieter, dass er die Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen kennt, dass er über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, dass er die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt, und dass er sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.
(...)
§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
(...)
7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind; ...
§ 152.
(...)
(4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern gemäß § 151 Abs. 3 abgeschlossen, so ist der Zuschlag für die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge
(...)
2. nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb zu erteilen.
(...)
(6) Bei einem erneuten Aufruf der Parteien zum Wettbewerb gemäß Abs. 4 Z 2 kann der Auftraggeber den Zuschlag entweder nach Durchführung einer elektronischen Auktion gemäß den §§ 146 bis 149 oder nach Durchführung des nachfolgenden Verfahrens erteilen:
(...)
4. Der Zuschlag ist dem gemäß dem oder den auf der Grundlage der Ausschreibungsunterlagen der Rahmenvereinbarung festgelegten Zuschlagskriterium bzw. Zuschlagskriterien am besten bewerteten Angebot zu erteilen. Die Gründe für die Zuschlagsentscheidung sind schriftlich festzuhalten. Hinsichtlich der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung, der Wirksamkeit des Zuschlages und der Form des Vertragsabschlusses gelten die §§ 131 bis 134.
(...)"
Die relevante Bestimmung des Niederösterreichischen Vergabe-Nachprüfungsgesetzes, LGBl. 7200-0 idF LBGl. 7200-2, lautet:
"Einleitung des Feststellungsverfahrens
§ 6 (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, die Feststellung beantragen, dass
(...)
5. der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung aufgrund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen die §§ 152 Abs. 4 bis 6, 158 Abs. 2 bis 5 oder 290 Abs. 2 bis 5 des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2013, rechtswidrig war."
Die relevante Bestimmung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) lautet wie folgt:
"Bedingung des Vergütungsvertrages (Conventional-Strafe) § 1336. (1) Die vertragschließenden Teile können eine
besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle (§ 912). Der Schuldner erlangt mangels besonderer Vereinbarung nicht das Recht, sich durch Bezahlung des Vergütungsbetrages von der Erfüllung zu befreien. Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden.
(...)"
6.2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, ihr Angebot stehe in Widerspruch mit der Ausschreibung, weshalb der Ausscheidenstatbestand des § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 verwirklicht sei, und bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, aus § 108 Abs. 2 BVergG 2006 ergebe sich, dass der Bieter mit der Abgabe des Angebotes die Ausschreibungsbedingungen anerkenne. Zudem seien die Bestimmungen in der Ausschreibung gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass die von den Bietern geforderte verschuldensunabhängige Pönale nicht fällig werde, falls die Ursache für die Leistungsverzögerung aus der Sphäre der Auftraggeberin stamme. Dies stehe nicht in Widerspruch zu dem ausschreibungsgemäß geforderten Angebot einer verschuldensunabhängigen Pönale.
6.3.1. Ausschreibungsbestimmungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 2011, Zl. 2008/04/0087, mit weiteren Nachweisen auf die Vorjudikatur). Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen, hier - fallbezogen geht es um die als Ausscheidensgrund herangezogene Angebotsklausel betreffend die Pönale - des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), zu lesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2010, Zl. 2007/04/0136, dort in Bezug auf § 32 GewO 1994).
6.3.2. Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr - wie bereits oben erwähnt - der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/04/0144).
Ein Widerspruch liegt vor, wenn der Bieter in seinem Angebot erklärt, den zu vergebenden Vertrag nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung, sondern zu anderen Bedingungen abschließen zu wollen. Dabei kommt es immer auf den objektiven Erklärungswert des Angebotes an und nicht darauf, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen will (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006 (2009), § 129, Rz 72).
6.3.3. Gemäß § 1336 Abs. 1 erster Satz ABGB können die vertragsschließenden Teile eine besondere Übereinkunft treffen, dass auf den Fall des zu spät erfüllten Versprechens anstatt des zu vergütenden Nachteils ein bestimmter Geldbetrag entrichtet werden solle. Die Vertragsstrafe ist eine Vorauspauschalierung künftig möglichen Schadens und dient dazu, die meist schwierigen Schadensfeststellungen zu vermeiden und vertragsbestärkend zu wirken. Sie ist von der Höhe des wirklich eingetretenen Schadens unabhängig, gebührt also an sich auch dann, wenn kein Schaden eingetreten ist. Ist die Erfüllung durch Zufall unmöglich geworden (§§ 911, 1311 und 1447 ABGB), so verfällt die Vertragsstrafe nicht; regelmäßig ist die Pflicht zu ihrer Entrichtung eine abhängige Verbindlichkeit, die erlischt, wenn die Hauptverbindlichkeit wegen Unmöglichkeit der Leistung wegfällt. Umso weniger verfällt der Vergütungsbetrag, wenn der Versprechende wegen einer Leistungsstörung durch den anderen Vertragspartner nicht erfüllen kann (OGH vom 23. Februar 1999, 1 Ob 58/98f, mit Verweis auf Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgem. Teil3 215, 216 (FN 10) mwN; ebenso OGH vom 18. Dezember 2006, 8 Ob 156/06h). Wurde eine Konventionalstrafe nicht ausdrücklich auch für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbart, ist sie nur bei Verschulden zu zahlen (RIS-Justiz RS0017471). Wird eine Vertragsstrafe ohne Rücksicht auf das Verschulden an einer Vertragsverletzung festgelegt, so wird sie doch nicht geschuldet, wenn der Gläubiger die Erfüllung verhindert. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es nämlich, aus dem eigenen vertragswidrigen Verhalten Rechte ableiten zu wollen (vgl. Mayrhofer, aaO, 21, mit Verweis auf MietSlg. 31.396).
6.4. Wendet man diese Grundsätze fallbezogen auf die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb an, so ergibt sich aus der Klausel betreffend das erforderliche Angebot der Zahlung einer verschuldensunabhängigen Pönale durch den Vertragspartner (= Auftragnehmer) für den Fall der verspäteten Leistungserbringung laut den Punkten 4.1.5. und 4.2.5.1. (siehe oben 2.3.), dass sich dieser - um den Bedingungen des Aufrufs zum Wettbewerb zu entsprechen - für den Fall einer Verzögerung zur Zahlung der Pönale zu verpflichten hat, ohne sich in solchem Fall durch den Einwand des mangelnden Verschuldens von seiner Zahlungspflicht befreien zu können. Dass sich ein Bieter über den Fall des objektiven Verzugs hinaus zur Zahlung der Pönale auch für den Fall zu verpflichten habe, dass die Verzögerung der Leistungserbringung auf ein Verhalten des Auftraggebers - etwa auf eine Verletzung seiner eigenen oder seiner Sphäre zuzuordnender Mitwirkungspflichten - zurückzuführen sei, ist den Bestimmungen des Aufrufs zum Wettbewerb ausgehend von dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert, der sich hier an den oben unter Punkt 6.3.3. dargestellten Grundsätzen des Privatrechts zu orientieren hat, nicht zu unterstellen.
Dieses Ergebnis unterstützt Punkt 9.8. der dem Aufruf zum Wettbewerb zugrunde liegenden Rahmenvereinbarung, der für den Fall der mangelnden Mitwirkung der - in diesem Vertragsverhältnis - der Auftraggeberin zuzurechnenden Gebietskörperschaft eine bestimmte Vorgehensweise - namentlich die Information durch den Auftragnehmer und allenfalls Namhaftmachung einer anderen Gebietskörperschaft durch die Auftraggeberin - vorsieht. Dass bei gänzlich in der Hand der Auftraggeberin liegender nachträglicher Namhaftmachung einer anderen zu beratenden Gebietskörperschaft die damit einhergehende Leistungsverzögerung nicht gleichzeitig auch pönalewirksam sein kann, liegt auf der Hand.
6.4.1. Die von der belangten Behörde als Begründung für das Vorliegen eines Ausscheidensgrundes herangezogene Beifügung der Beschwerdeführerin, Verzögerungen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen, seien nicht pönalewirksam, führt nicht zu einer Einschränkung der verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe im Falle objektiven Schuldnerverzugs. Aufgrund der oben dargestellten Auslegung der Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb folgt vielmehr, dass die von der Beschwerdeführerin dem Angebotsformblatt beigefügte Klausel, der Bedeutung der Pönalebestimmung in einer dem objektiven Erklärungswert der Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb betreffend die Forderung einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe im Falle der Leistungsverzögerung nicht widerspricht.
Zudem ist wie sich aus dem hg. Erkenntnis 21. März 2011, Zl. 2007/04/0007, - mit Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 2011, Zl. 2006/04/0200, und dem dort verwiesenen Erkenntnis vom 19. November 2008, Zl. 2004/04/0102, - ergibt, vor dem Hintergrund des § 108 Abs. 2 BVergG 2006 die Annahme, ein Bieter wolle ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen, nur dann gerechtfertigt, wenn er dies - klar - zum Ausdruck bringt. Das ist hier aufgrund der mit den Ausschreibungsbestimmungen in Einklang zu bringenden Formulierung der Pönalebestimmung im Angebot der Beschwerdeführerin nicht der Fall.
7. Die Beschwerde wendet sich aus diesen Gründen zurecht gegen die Beurteilung, das Angebot der Beschwerdeführerin sei wegen Beisetzung der Klausel zur Pönalebestimmung ausschreibungswidrig gewesen. Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die Beschwerdeführerin sei aus diesem Grund bereits nicht legitimiert, den gegenständlichen Nachprüfungsantrag zu stellen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 27. Oktober 2014
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