Normen
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, heiratete am 18. Dezember 2006 einen österreichischen Staatsbürger. Unter Berufung auf diese Ehe beantragte sie in der Folge die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger", der ihr zunächst mit einer Gültigkeit bis zum 26. November 2008 ausgestellt wurde.
Mit Bescheid vom 20. November 2008 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über die Beschwerdeführerin gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 2009 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
Die belangte Behörde stützte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids auf einen Erhebungsbericht vom 22. Jänner 2007, einen Abschlussbericht vom 8. Juli 2008 sowie die niederschriftlichen Angaben des Ehemanns der Beschwerdeführerin bei seiner Einvernahme am 7. Juli 2008. Bei dieser habe er - zusammengefasst - angegeben, aus Mitleid die Scheinehe eingegangen zu sein, damit die Beschwerdeführerin "bei ihrem Mann" (dem Vater ihrer Kinder) und ihren drei Kindern in Österreich bleiben könne. Mit diesen habe sie auch nach der Eheschließung ständig zusammengelebt. Die Ehe sei nie vollzogen worden und nur "auf ein Visum gerichtet" gewesen.
Am 26. Jänner 2009 sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin vom Bezirksgericht Favoriten wegen des Vergehens nach § 117 Abs. 1 FPG rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am 18. Dezember 2006 die Ehe mit der Beschwerdeführerin eingegangen sei, ohne mit ihr ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK führen zu wollen, wobei er gewusst habe, dass sie sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen werde.
Die belangte Behörde kam auf Grund ihrer - im Wesentlichen auf die Aussage des Ehemanns der Beschwerdeführerin und seine rechtskräftige Verurteilung gestützten - Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Sie habe somit die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, ohne mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Von der Einvernahme in der Berufung beantragter weiterer Zeugen nahm die belangte Behörde mit der Begründung Abstand, dass es bei Aufenthaltsehen "gängige Praxis" sei, dass die Aufenthaltsehepartner dritten Personen gegenüber versuchten, den Eindruck eines gemeinsamen Familienlebens vorzutäuschen. Es werde daher gar nicht in Abrede gestellt, dass die beantragten Zeugen die in der Berufung angeführten Wahrnehmungen tatsächlich zu Protokoll geben würden. Diese seien angesichts des eindeutigen Erhebungsergebnisses, der Aussage des Ehemanns der Beschwerdeführerin und seiner Verurteilung nach § 117 Abs. 1 FPG jedoch nicht geeignet, die zweifelsfrei erwiesene Aufenthaltsehe zu widerlegen.
Rechtlich kam die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst zum Schluss, dass auf Grund der dargestellten Umstände die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben seien. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher nach § 66 FPG zulässig. Die Beschwerdeführerin habe nur auf Grund ihrer durch die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Die erzielte Integration werde dadurch wesentlich gemindert, sodass bei einer Abwägung die persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wiegen würden als das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin sei ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes auch nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums zu erwarten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (April 2009) geltende Fassung.
Die Beschwerdeführerin ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers. Für sie gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG -
eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2012, Zl. 2011/23/0135).
In der Beschwerde wird - unter anderem - gerügt, dass die Niederlassungsbehörde der Beschwerdeführerin am 22. November 2008 erneut einen befristeten Aufenthaltstitel erteilt habe, obwohl sie bereits mit dem Verdacht auf eine Scheinehe konfrontiert und von der Anhängigkeit des fremdenpolizeilichen Verfahrens in Kenntnis gewesen sei. Die belangte Behörde habe es gänzlich unterlassen, zu diesem Sachverhalt Feststellungen zu treffen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.
Gemäß § 61 Z 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. § 54 Abs. 1 FPG sieht vor, dass Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, dann mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z 2).
Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass das Amt der Wiener Landesregierung - Magistratsabteilung 35 bereits mit Schreiben vom 8. Mai 2008 die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 37 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz darüber verständigt hat, dass bei ihr als Niederlassungsbehörde der Verdacht bestehe, dass es sich (auch) bei der Ehe der Beschwerdeführerin um eine Aufenthaltsehe handle. Diesem Schreiben zufolge soll ein Verwaltungsakt angeschlossen gewesen sein. Dennoch wurde - dem im Akt erliegenden Auszug aus der Fremdeninformationsdatei zufolge - der Beschwerdeführerin am 27. November 2008 - und damit nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides - vom "Magistrat der Stadt Wien" im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel für den Zweck "Familienangehöriger" mit Gültigkeit bis zum 27. November 2009 ausgestellt.
Zu diesen im vorgelegten Verwaltungsakt aufscheinenden Vorgängen hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil ein Aufenthaltsverbot dann nicht erlassen werden darf, wenn in Kenntnis der Sachlage ein (noch gültiger) Aufenthaltstitel erteilt worden ist (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 24. Februar 2009, Zl. 2008/22/0900, mwN).
Der angefochtene Bescheid war somit bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Gemäß § 59 Abs. 1 VwGG war mangels eines darauf gerichteten Antrags ein Aufwandersatz nicht zuzusprechen.
Wien, am 17. September 2012
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