VwGH 2011/23/0156

VwGH2011/23/015613.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der B, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Oktober 2007, Zl. E1/464.638/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste laut eigenen Angaben Ende Mai 2007 mit einem von der deutschen Botschaft in Peking ausgestellten "Schengenvisum", gültig vom 2. Mai bis zum 27. Juni 2007, nach Österreich ein. Ab dem 17. September 2007 war sie an der Adresse C-Gasse, 1050 Wien, behördlich gemeldet.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. Oktober 2007 erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 7 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, weil sie den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe.

Einleitend verwies die belangte Behörde auf einen Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Oktober 2007 über eine am Vortag an der Meldeadresse der Beschwerdeführerin durchgeführte Erhebung. Nach diesem Bericht seien an dieser Adresse der österreichische Staatsbürger G sowie dessen Mutter X wohnhaft. G habe angegeben, die Beschwerdeführerin im Urlaub kennengelernt zu haben; sie lebe in Deutschland und "sei jetzt hier", um mit ihm am 7. November 2007 die Ehe zu schließen. Dokumente und persönliche Sachen der Beschwerdeführerin habe er nicht vorweisen können. X habe zwar angegeben, die Beschwerdeführerin zu kennen, aber bestritten, dass diese dort wohne. Von den erhebenden Beamten hätten keine Anzeichen festgestellt werden können, die auf ein Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit G an der gegenständlichen Anschrift hätten schließen lassen.

Weiters verwies die belangte Behörde auf die niederschriftlichen Einvernahmen der Beschwerdeführerin am 18. und 19. Oktober 2007. Dabei habe die Beschwerdeführerin angegeben, zu touristischen Zwecken nach Österreich eingereist zu sein und hier ihren nunmehrigen Freund G kennengelernt zu haben, den sie am 7. November 2007 heiraten wolle. Sie habe an der Meldeadresse in 1050 Wien Unterkunft genommen, ihre Effekten befänden sich aber bei einer Bekannten in der Pilgramgasse. Sie sei verwitwet und habe zwei (15 bzw. 19 Jahre alte) Kinder, ihre Familie und ihre Eltern würden in China leben. In Wien lebe eine Cousine, mit der sie sporadischen Kontakt habe. Weiters habe die Beschwerdeführerin bei ihrer ersten Einvernahme angegeben, über EUR 30,-- zu verfügen und keiner Beschäftigung nachzugehen; ihr sei bewusst gewesen, dass sie sich illegal in Österreich aufhalte, sie sei aber der Ansicht gewesen, dass sie nach der Heirat ein neues Visum bekommen würde.

Das in der Berufung vom 21. Oktober 2007 (gegen die erstinstanzliche Verhängung des Aufenthaltsverbotes vom 19. Oktober 2007) erstattete Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei selbständig erwerbstätig und betreibe gemeinsam mit ihrer Schwester ein Lokal in 1050 Wien, erachtete die belangte Behörde - angesichts ihrer ursprünglichen Aussage, wonach sie keiner Beschäftigung nachgehe und außer einer Cousine keine in Österreich lebenden Angehörigen habe - als unglaubwürdig. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe nach der Eheschließung einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, hielt die belangte Behörde entgegen, dass die Beschwerdeführerin noch nicht verheiratet sei. Die Beschwerdeführerin habe somit nicht nachweisen können, über die erforderlichen Mittel zu ihrem Unterhalt zu verfügen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG sei daher erfüllt. Da aus der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin die Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiere, gefährde ihr Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung iSd § 60 Abs. 1 FPG.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass - unter der Annahme, es bestehe eine Beziehung zu einem österreichischen Freund, "inklusive Heiratsabsichten" - mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin verbunden sei. Dem aus dieser Bindung resultierenden Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet stehe aber das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Die Beschwerdeführerin halte sich erst seit Ende Mai 2007 im Bundesgebiet auf, seit dem 28. Juni 2007 sei ihr Aufenthalt unrechtmäßig. Sie sei mittellos und eine berufliche Integration sei nicht als gegeben anzunehmen. Vor diesem Hintergrund würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wiegen als das gegenläufige öffentliche Interesse an seiner Erlassung.

Mangels besonderer, zugunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin sei auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2008, B 2302/07, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Oktober 2007 geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 7 FPG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Die Beschwerdeführerin bringt diesbezüglich vor, die belangte Behörde hätte eine Zukunftsprognose durchführen und von Amts wegen prüfen müssen, ob sie bis zur geplanten Eheschließung (und somit bis zur Begründung eines Unterhaltsanspruchs) mit ihren Mitteln auskomme bzw. ob ihr Verlobter sie bis dahin unterstütze. Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).

Die Beschwerdeführerin hat in keiner Weise dargelegt, über welche Mittel ihr Freund G verfüge und ob diese ausreichend seien, um ihren Unterhalt zu sichern. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde im Ergebnis davon ausging, die Beschwerdeführerin habe den Besitz der erforderlichen Mittel für ihren Unterhalt nicht nachgewiesen. Das gilt auch für die Zeit nach einer allfälligen Eheschließung. Aus dem gleichen Grund ist auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihre Tätigkeit als Mitbetreiberin eines Lokals nicht zielführend, zumal sie auch in dieser Hinsicht der Verpflichtung zum initiativen Nachweis der zur Verfügung stehenden Mittel nicht nachgekommen ist.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt sei, begegnet somit keinen Bedenken. Auch die weitere Beurteilung, dass aus der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiere und daher die Gefährdungsannahme nach § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, ist nicht zu beanstanden (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0152).

Nach § 60 Abs. 6 FPG gilt § 66 FPG auch für Aufenthaltsverbote. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, mit dem in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, ist daher nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Es darf jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden und seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat - ausgehend von der Beziehung der Beschwerdeführerin zu einem österreichischen Staatsbürger und der beabsichtigten Eheschließung - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privatleben anerkannt. Die Beschwerde verweist in diesem Zusammenhang zwar wiederholt auf die geplante Eheschließung, sie tritt aber der behördlichen Annahme, dass bei der durchgeführten Wohnungserhebung keine Anzeichen für ein bestehendes Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit G an der gemeinsamen Meldeadresse hervorgekommen seien, nicht substantiiert entgegen. Die belangte Behörde hat auch zu Recht berücksichtigt, dass sich die Beschwerdeführerin erst seit Ende Mai 2007 (somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst seit fünf Monaten) im Bundesgebiet aufhalte, wobei der Aufenthalt ab dem 28. Juni 2007 unrechtmäßig gewesen sei. Ebenfalls durfte herangezogen werden, dass die Eltern der Beschwerdeführerin und ihre Kinder in China leben. Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde keine berufliche Integration der Beschwerdeführerin angenommen und das nicht weiter substantiierte Berufungsvorbringen hinsichtlich des Betreibens eines Lokals nicht als glaubwürdig angesehen hat. In Anbetracht der (bereits dargestellten) aus der Mittelosigkeit der Beschwerdeführerin resultierenden Gefahr sowie vor dem Hintergrund des unrechtmäßigen Verbleibs der Beschwerdeführerin in Österreich nach Ablauf der Gültigkeit ihres Visums und der erst seit kurzem bestehenden Beziehung zu ihrem österreichischen Freund ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens iSd § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Die Beschwerde wendet sich zwar (unsubstantiiert) gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes, sie legt aber nicht dar, auf Grund welcher Umstände von einem früheren Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe auszugehen gewesen wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. September 2012

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