Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, brachte am 19. August 2002 einen Asylantrag ein, den er zusammengefasst damit begründete, dass er in seiner Heimatgemeinde Probleme mit dem Bürgermeister gehabt habe, der über gute Verbindungen zu einem Abgeordneten und einem Minister verfüge. Der Dorfvorsteher habe sich das Unternehmen und die Ländereien des Beschwerdeführers aneignen wollen und deshalb vermutlich die Schweine des Beschwerdeführers vergiftet. Bei einer Polizeikontrolle seien dem Beschwerdeführer Waffen untergeschoben worden. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Sohn des Bürgermeisters und wegen der Furcht, dass ihm Waffenhandel vorgeworfen werden könnte, sei er geflohen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. September 2003 wurde dieser Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien gemäß § 8 leg. cit. für zulässig erklärt.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 13 Abs. 2 AsylG" ab, ohne über die erstinstanzliche Refoulemententscheidung abzusprechen.
Die belangte Behörde führte dazu begründend aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. März 2003 wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 3 Fremdengesetz 1997 (FrG) und des Verbrechens der kriminellen Organisation gemäß § 278a Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt, verurteilt worden sei. Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 6. Oktober 2004 sei der Beschwerdeführer erneut wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Schlepperei gemäß § 104 Abs. 1 und 3 FrG und § 15 StGB und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Unter einem sei die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen worden. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie seiner Beschwerde habe das Oberlandesgericht Wien nicht Folge gegeben.
Gemäß § 13 Abs. 2 AsylG sei Asyl ausgeschlossen, wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellten oder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden seien und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuteten. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof die Deliktstypen der kriminellen Organisation und der Schlepperei in seiner Rechtsprechung zur Auslegung von § 13 Abs. 2 AsylG nicht ausdrücklich nenne, so könne alleine daraus noch nicht geschlossen werden, dass diese nicht als besonders schweres Verbrechen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu sehen wären. Gegenwärtig sei davon auszugehen, dass das Verbrechen der Schlepperei nach übereinstimmender Bewertung innerhalb der Staatengemeinschaft den Straftaten mit dem schwerwiegendsten Unrechtscharakter zuzurechnen sei, was sich auch in internationalen Abkommen zur Verhinderung der Schlepperei widerspiegle. Auch in der österreichischen Rechtsordnung sei der Schlepperei vom Gesetzgeber im Laufe der Zeit, zuletzt durch das Fremdenpolizeigesetz 2005, ein immer größerer Unwertgehalt zugemessen worden, was sich vor allem aus der sukzessiven Erhöhung der Strafdrohung ergebe.
Die vom Beschwerdeführer gesetzten Aktivitäten als Schlepper im Rahmen einer kriminellen Organisation seien daher als besonders schwere Verbrechen anzusehen. Der Beschwerdeführer habe diese Delikte relativ kurz nach seiner illegalen Einreise nach Österreich bis zu seiner Verhaftung und in weiterer Folge unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Strafhaft begangen. Dies sei bei der Strafbemessung auch als erschwerend gewertet worden. Mildernde Umstände seien im Urteil des Landesgerichts Korneuburg hingegen nicht angeführt worden. Die Straftaten erwiesen sich daher sowohl objektiv als auch subjektiv als besonders schwerwiegend. Eine Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer falle negativ aus. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Beschwerdeführer auch weiterhin Straftaten derselben Art begehen werde und somit eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Entsprechend habe das Oberlandesgericht Wien in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2004 ausgeführt, dass die Art der neuerlichen Verfehlung im Rahmen der zu erstellenden Zukunftsprognose einen schweren Charakterfehler des Beschwerdeführers, eine extrem negative Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten und damit die erhebliche Gefahr eines weiteren kriminellen Rückfalls zeige.
Aber selbst wenn man nicht vom Vorliegen eines Asylausschlussgrundes ausgehe, sei dem Beschwerdeführer kein Asyl zu gewähren, weil das von diesem erstattete Vorbringen weder auf einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Fluchtgrund beruhe, noch der Heimatstaat dem Beschwerdeführer aus einem dieser Gründe seinen Schutz verweigert habe.
Zum Refoulement traf die belangte Behörde keine ergänzenden Feststellungen und beschäftigte sich in ihrer rechtlichen Beurteilung damit lediglich hypothetisch.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens und Vorlage der Akten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, erwogen hat:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf:
Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" nach § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG vorliegt, ist eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. das bereits zum Asylgesetz 2005 ergangene hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0626, mwN).
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich bei dem Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei und jenem der kriminellen Organisation nicht per se, ohne Hinzutreten besonderer Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass sich die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte auch subjektiv als besonders schwer wiegend erweisen würden, um ein "besonders schweres Verbrechen" im Sinne des § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG. Zur Begründung wird hiezu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 2006, Zl. 2003/20/0050, verwiesen, dem ebenfalls die Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei und der kriminellen Organisation zugrunde lagen, und das die in der Vorjudikatur entwickelten Kriterien darstellt.
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer zunächst nur zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt; die mit dem zweiten Urteil verhängte Haftstrafe bewegte sich im unteren Bereich der möglichen Strafdrohung (von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe). Die als erschwerend angenommenen Umstände (Tatwiederholung, Zusammentreffen zweier Verbrechen, einschlägige Vorstrafe und rascher Rückfall während der Probezeit) kamen dabei bereits in der Höhe der verhängten Strafen zum Ausdruck. Hingegen ließ die belangte Behörde - auf Grund des Hinweises, dass mildernde Umstände nicht angeführt worden seien - offenbar gänzlich unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer nach den Ausführungen in den Strafurteilen in beiden Fällen an den Straftaten nur in untergeordneter Stellung beteiligt war, was bei der Strafzumessung (neben dem reumütigen Geständnis) als mildernd gewertet wurde. Auch das Verhalten des Beschwerdeführers nach seiner Haftentlassung wurde von der belangten Behörde nicht erkennbar in ihre Erwägungen miteinbezogen.
Da die belangte Behörde eine nähere Auseinandersetzung mit den aufgezeigten Umständen, aus welchen geschlossen werden könnte, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr für die Gemeinschaft darstellen würde, unterließ (siehe dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 2006), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit relevanten Begründungsmängeln.
Dieser Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides kommt - ungeachtet der von der belangten Behörde herangezogenen Eventualbegründung der mangelnden Asylrelevanz des Fluchtvorbringens - aus den im hg. Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2001/20/0649, dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, auch Relevanz zu.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 24. März 2011
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