VwGH 2011/18/0020

VwGH2011/18/00206.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der M S in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Dezember 2010, Zl. E1/4.037/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei von 1992 bis 2004 mit dem serbischen Staatsangehörigen P verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe entstammten drei noch minderjährige Kinder. Im Mai 2004 hätten sich die Beschwerdeführerin und P scheiden lassen. Im Februar 2005 sei die Beschwerdeführerin in Österreich eingereist und habe im März 2005 mit dem österreichischen Staatsbürger S, der Notstandshilfebezieher und ansonsten mittellos sei, eine Aufenthaltsehe geschlossen. Auch P - der frühere Ehemann der Beschwerdeführerin - sei im Juli 2004 eine Aufenthaltsehe eingegangen. Beide Ehen seien mittlerweile wieder geschieden. Nach wie vor - nunmehr aber wieder "offiziell" - lebten die Beschwerdeführerin und ihr früherer Ehemann P im gemeinsamen Familienverband mit ihren Kindern. Auch gegen P sei ein Aufenthaltsverbot wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe erlassen worden.

Motiv für das Eingehen der Aufenthaltsehe sei gewesen, dass die Beschwerdeführerin für sich und ihre Kinder "ein besseres Leben" angestrebt habe. Zu diesem Zweck hätten sie und P jeweils eine Aufenthaltsehe geschlossen, um für sich und die Kinder den Aufenthalt in Österreich zu erschleichen und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Die Eheschließung sei allein aus dem Grund erfolgt, sich fremdenrechtliche Vorteile und Berechtigungen zu verschaffen.

Im Weiteren legte die belangte Behörde das Ergebnis von der Bundespolizeidirektion Wien durchgeführter Erhebungen sowie die Inhalte von während des Verwaltungsverfahrens getätigter Aussagen dar. In ihren beweiswürdigenden Überlegungen stellte die belangte Behörde in zentraler Weise auf das Erhebungsergebnis ab und führte zu den Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres früheren österreichischen Ehemannes S aus, dass es zwar Übereinstimmungen gegeben habe. Diese seien allerdings als verabredete Ausführungen anzusehen. Demgegenüber habe es in den Angaben der Beschwerdeführerin und S aber auch zahlreiche Widersprüche gegeben, die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Einzelnen darstellte. Bezugnehmend auf die durchgeführten Erhebungen führte die belangte Behörde zentral ins Treffen, diese hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin nicht mit S, sondern immer mit ihrem früheren Ehemann P und den gemeinsamen Kindern zusammengelebt hätte. Die auf Grund der Erhebungen dafür sprechenden Umstände wurden von der belangten Behörde ebenfalls ausführlich dargelegt.

In Anbetracht des Ergebnisses der Erhebungen und der Widersprüche in den Aussagen der Ehepartner (bezogen auf die Beschwerdeführerin und S) sei - so die belangte Behörde resümierend - den das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestreitenden und dem "vielfach nachgewiesenen völlig wahrheitswidrigen Vorbringen in Gesamtheit keinerlei Glauben zu schenken".

In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, es könne kein Zweifel bestehen, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin, eine Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile einzugehen, den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, darstelle. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im vorliegenden Fall nicht nur zulässig, sondern dringend geboten.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sei der seit Februar 2005 währende Aufenthalt der Beschwerdeführerin, ihre Erwerbstätigkeit und eine aus diesen Umständen allenfalls ableitbare Integration zu beachten. Familiäre Bindungen zum damaligen österreichischen Ehemann hätten aber nie bestanden. Im Inland lebe ihr jetziger Lebensgefährte und früherer Ehemann P sowie die gemeinsamen Kinder. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass gegen P ebenfalls ein Aufenthaltsverbot wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe erlassen worden sei. Die Kinder der Beschwerdeführerin hätten nur im Weg der Aufenthaltsehen ihrer Eltern Aufenthaltstitel für Österreich erlangt. Es sei zwar mit der gegenständlichen Maßnahme "ein gewisser Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben" der Beschwerdeführerin verbunden, eine allfällige Integration in Österreich werde allerdings in ihrer Relevanz gemindert, weil die Beschwerdeführerin ihren aktuellen Aufenthalt und den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt nur durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe und die Berufung auf diese Aufenthaltsehe im Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels habe begründen können. Eine Aus- oder Weiterbildung im Inland liege nicht vor. Es sei nicht davon auszugehen, dass eine Trennung der Familie erfolgen werde, zumal auch P mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, was einer gemeinsamen Ausreise der Familie entgegenstehen würde. Es könnten darüber hinaus auch die Kinder ausgewiesen werden, zumal deren Aufenthaltsrecht auf das verpönte Verhalten ihrer Eltern zurückzuführen sei. Dass ein Hindernis für die Rückkehr nach Serbien bestünde, sei nicht behauptet worden. Die Beschwerdeführerin habe den Großteil ihres Lebens dort verbracht. Allfällige mit der Wiedereingliederung in den Heimatstaat verbundene Schwierigkeiten seien im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet das Eingehen einer Aufenthaltsehe und wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Dazu führt sie allerdings lediglich ins Treffen, ihre Angaben sowie die ihres früheren Ehemannes würden als glaubwürdig "erscheinen". Daher sei die Behörde nicht berechtigt, das Eingehen einer Aufenthaltsehe anzunehmen.

Mit diesem unsubstantiierten Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin aber die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde, die sich ausführlich mit den im Rahmen von Vernehmungen getätigten Angaben und dem Ergebnis der Erhebungen auseinandersetzt, nicht zu erschüttern.

Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, dass ein Ehenichtigkeitsverfahren nicht eingeleitet und die Ehe auch nicht für nichtig erklärt worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass dies der Annahme der belangten Behörde, sie habe mit dem österreichischen Staatsbürger S eine Aufenthaltsehe geschlossen, nicht entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2012, Zl. 2011/23/0285, mwN).

Mit Blick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Beweiswürdigung getätigten Ausführungen kann - vor dem Hintergrund der insoweit dem Verwaltungsgerichtshof nur eingeschränkt zukommenden Prüfungsbefugnis - nicht davon ausgegangen werden, ihre beweiswürdigenden Überlegungen wären mit Unschlüssigkeit behaftet.

Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Dazu verweist sie auf ihren etwa sechs Jahre dauernden Aufenthalt in Österreich sowie auf bisheriges Wohlverhalten.

Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde die zu persönlichen Bindungen im Bundesgebiet führenden Umstände umfassend festgestellt und im Rahmen ihrer Abwägung auch ausreichend berücksichtigt hat. Auf die Dauer des bisherigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde Bedacht genommen. Anders als die Beschwerdeführerin meint, kann aber angesichts des ihr vorgeworfenen Fehlverhaltens zum - von ihr bis zuletzt bestrittenen - Eingehen einer Aufenthaltsehe nicht davon gesprochen werden, sie hätte sich während der Zeit ihres Aufenthalts im Bundesgebiet wohlverhalten.

Die belangte Behörde hat aber auch - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - in ihre Beurteilung die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin und ihre aktuellen Familienverhältnisse einbezogen. Was hingegen die belangte Behörde im Rahmen allfälliger ergänzender Erhebungen hätte feststellen können, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Es fehlt sohin an einer Darstellung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels.

Es ist nicht zu sehen, dass das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 FPG vor dem Hintergrund des oben Gesagten mit Rechtswidrigkeit behaftet wäre. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin ihren bisherigen Aufenthalt auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe gegründet und auch den Zugang zum Arbeitsmarkt nur infolge dessen erlangt hat. Somit ist es nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall den für eine Integration im Bundesgebiet sprechenden Umständen bei ihrer Abwägung keine solche entscheidungswesentliche Bedeutung beigemessen hat, dass sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Dass im vorliegenden Fall von einer dem Art. 8 EMRK widersprechenden Trennung der Familie der Beschwerdeführerin auszugehen wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 6. September 2012

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