VwGH 2011/15/0187

VwGH2011/15/018724.4.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 18. Oktober 2011, Zl. RV/0314-F/11, betreffend Einkommensteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: AV in F), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §4 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2011150187.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist in einer Buchhandlung in Vaduz angestellt. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2009 machte sie Aufwendungen für Literatur in Höhe von 834,45 EUR als Fortbildungskosten geltend. Das Finanzamt versagte den Kosten unter Hinweis auf die Begründung des für 2008 ergangenen Einkommensteuerbescheides die steuerliche Anerkennung als Werbungskosten.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwies die Mitbeteiligte gleichfalls auf ihre Berufungsschrift für das Jahr 2008. Darin hatte die Mitbeteiligte ausgeführt, Bücher, die für den Kunden von allgemeinem Interesse seien, stellten im Fall der Mitbeteiligten Fachliteratur dar, weil alle Bücher, die am Markt angeboten würden, mit Fachkenntnissen an die Kunden verkauft werden müssten. Dieses Fachwissen könne sich die Mitbeteiligte nur dadurch aneignen, dass sie sich in der Freizeit mit Neuerscheinungen und Büchern aller Art beschäftige. Ihr privates Interesse an Büchern sei demgegenüber gering.

Über Vorhalt des Finanzamtes legte die Mitbeteiligte die Einkaufsbelege vor, wobei sie anmerkte, sie beziehe die Bücher ausschließlich über ihren Arbeitgeber, der ihr einen Rabatt von ca. 30% gewähre. Zum Hinweis des Finanzamtes auf einen Studienbericht des IFES, wonach im Schnitt Literaturausgaben in Höhe von 300 EUR getätigt würden, erklärte die Mitbeteiligte, aus dieser Studie könne für ihren Fall höchstens auf einen Privatanteil von 210 EUR geschlossen werden, weil der vom Arbeitgeber gewährte Rabatt von 30% von den durchschnittlichen Literaturausgaben in Höhe von 300 EUR in Abzug zu bringen sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Begründend vertrat es die Ansicht, dass die streitgegenständlichen Bücher von allgemeinem Interesse seien. Die Aufwendungen für allgemeine Werke der Literatur bzw. Magazine, welche im Wesentlichen der Befriedigung allgemeiner Lebensinteressen dienten bzw. für einen breit gefächerten Leserkreis und nicht für die Fortbildung von Buchhändlern konzipiert seien, stellten keine Werbungskosten dar, wenn nicht besondere Umstände hinzuträten, die die nahezu ausschließliche berufliche Verwendung nahe legten. Derartiges habe die Mitbeteiligte nicht aufzuzeigen vermocht.

In ihrem Vorlageantrag entgegnete die Mitbeteiligte, infolge Wegfalls der Buchpreisbindung in Liechtenstein und der Schweiz würden vermehrt Bücher zu Billigstpreisen angeboten. Dadurch sei es für den Fachhandel schwieriger geworden, Bücher zu adäquaten Preisen abzusetzen. Der Fachhandel könne nur mit bestens ausgebildetem Fachpersonal punkten. Im Beschwerdefall komme hinzu, dass zu den Kunden ihres Arbeitgebers bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik sowie Mitglieder der Fürstenfamilie zählten, die großen Wert auf ein entsprechend hohes Niveau in puncto Sortiment, Wissen, Auftreten und fachliche Beratung legten. Die geforderte hohe Qualität könne die Mitbeteiligte nur durch ständiges Lesen quer durch die Literatur erhalten. Daraus resultierten die geltend gemachten Bücheranschaffungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die Mitbeteiligte trotz ihres Berufes als angestellte Buchhändlerin zumindest in dem Umfang wie ein durchschnittlicher Leser Bücher aus privaten Gründen anschaffe. Naturgemäß könne der Mitbeteiligten aber der Nachweis, welche Bücher sie privat und welche sie beruflich angeschafft habe, schon deshalb nicht zugemutet werden bzw. gelingen, weil sich der berufliche Zusammenhang aus dem Titel und Inhalt der angeschafften Bücher (u.a. Kriminalromane, Geschichtsbücher) nicht entnehmen lasse. Die belangte Behörde sei jedoch überzeugt, dass es für die Mitbeteiligte notwendig sei, sich ständig über Autoren, deren Neuerscheinungen und gängige Literatur auf dem Laufenden zu halten. Ob die Mitbeteiligte tatsächlich einen Teil der Bücher (und welche) aus privaten Gründen angeschafft habe, sei nicht entscheidungsrelevant, weil es der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entspreche, dass ein berufsbedingter finanzieller Aufwand, der den für die private Lebensführung üblichen übersteige, als Werbungskosten (bzw. Betriebsausgaben) zu berücksichtigen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, 94/13/0001).

In einem Fall wie dem vorliegenden sei daher vom Finanzamt zu erheben, wie hoch die üblichen Literaturausgaben "privater Leser" seien. Mögliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des üblichen Literaturaufwandes könnten Ergebnisse von Marktforschungsinstituten zum Leseverhalten liefern. Diese Rechtsansicht habe die belangte Behörde dem Finanzamt schon für das Jahr 2008 überbunden. Die belangte Behörde sehe keine Veranlassung für das Jahr 2009 nicht dieselbe Rechtsansicht weiterhin zu vertreten, da die Mitbeteiligte ausdrücklich betont habe, dass sie nach wie vor denselben Beruf ausübe und für denselben Arbeitgeber tätig sei. Die Tätigkeit der Mitbeteiligten erfordere eine weit überdurchschnittliche Auseinandersetzung mit Literatur aller Art, die ihrer Art nach unter Ausklammerung der berufsspezifischen Anforderungen dem Abzugs- und Aufteilungsverbot unterliegen würde. Der Mitbeteiligten erwachse im Vergleich zu "privaten Lesern" ein weit überdurchschnittlicher finanzieller Literaturaufwand. Die belangte Behörde erkenne keine sachliche Rechtfertigung, bei Telefonkosten oder Aufwendungen für Computer eine Aufteilung in berufliche und private Kosten im Schätzungswege vorzunehmen, bei allgemein interessierender Literatur aber ungeachtet berufsspezifischer Anforderungen von einem Aufteilungsverbot auszugehen. Die Verwertbarkeit der durch das Lesen von Büchern gewonnenen Kenntnisse über Inhalt und Autor in dem von der Mitbeteiligten ausgeübten Beruf als Buchhändlerin stehe für die belangte Behörde außer Zweifel. Dass der Arbeitgeber ein besonderes Interesse daran habe, dass die Mitbeteiligte Bücher aller Art kaufe und diese in ihrer Freizeit lese, zeige sich an dem ihr gewährten Rabatt. Die belangte Behörde schätze den Privatanteil mit 300 EUR. Entgegen der von der Mitbeteiligten im Vorlageantrag vertretenen Ansicht führe der Umstand, dass die Mitbeteiligte einen Rabatt vom Bruttokaufpreis von rund 30% erhalte, nicht zu einer Verminderung des zu berücksichtigenden Privatanteils. Vielmehr seien die von der Mitbeteiligten tatsächlich getragenen Aufwendungen um die für die private Lebensführung üblichen durchschnittlichen Literaturausgaben einer "Privatperson" zu vermindern. Der Berufung sei daher insoweit lediglich teilweise stattzugeben gewesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Diese Bestimmung enthält als wesentliche Aussage ein Abzugsverbot gemischt veranlasster Aufwendungen, dem der Gedanke der Steuergerechtigkeit insoweit zu Grunde liegt, als vermieden werden soll, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und dadurch Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann, was ungerecht gegenüber jenen Steuerpflichtigen wäre, die eine Tätigkeit ausüben, die eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen nicht ermöglicht, und die derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 2009, 2007/15/0260).

Typischerweise der Lebensführung dienende Wirtschaftsgüter, für die eine private Mitveranlassung besteht, werden von der Regelung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 erfasst (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz 3.1 zu § 20 EStG 1988, 48. Lfg.). Demnach dürfen, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 2010/15/0197, ausgesprochen hat, Aufwendungen für solche Wirtschaftsgüter grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn eine eindeutige, klar nachvollziehbare Trennung zwischen der privaten Veranlassung der Anschaffung einerseits und der betrieblichen bzw. beruflichen Veranlassung andererseits gegeben und die betriebliche bzw. berufliche Veranlassung nicht bloß völlig untergeordnet ist. Eine Aufteilung kann aber nicht vorgenommen werden, wenn mangels klarer Quantifizierbarkeit der einzelnen Veranlassungskomponenten ein objektiv überprüfbarer Aufteilungsmaßstab nicht besteht und damit ein entsprechendes Vorbringen des Steuerpflichtigen keiner Nachprüfung zugänglich ist. Ist eine derartige objektiv nachvollziehbare und einwandfreie Aufteilung nicht möglich, kommt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis für eine (zumindest beinahe) gänzliche betriebliche bzw. berufliche Veranlassung erbringt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. April 2012, 2009/15/0088).

Die belangte Behörde hat die Aufwendungen der Mitbeteiligten für die Anschaffung von Büchern nach Abzug eines (geschätzten) Privatanteils mit der Begründung als Werbungskosten anerkannt, dass keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar sei, "andere Aufwendungen (z.B. Telefonkosten, PC-Aufwendungen)", die ihrer Art nach ebenfalls eine enge Nahebeziehung zur privaten Lebensführung aufwiesen, und hinsichtlich der Trennung vergleichbare Schwierigkeiten begegneten, in berufliche und private Kosten schätzungsweise aufzuteilen, bei allgemein interessierender Literatur eine solche Aufteilung hingegen nicht vorzunehmen.

Diese Argumentation verkennt insbesondere, dass bei den angeführten Aufwendungen für Telefon oder PC im Regelfall eine klare Unterscheidung zwischen beruflicher und privater Verwendung möglich ist (vgl. auch nochmals das hg. Erkenntnis 2010/15/0197), während dies für die streitgegenständlichen Aufwendungen gerade nicht zutrifft. Das Lesen von Büchern allgemein interessierenden Inhalts stellt eine Beschäftigung dar, die in einem Vorgang der persönlichen Bereicherung dient und der Mitbeteiligten zugleich Möglichkeiten der beruflichen Nutzbarmachung im Kundengespräch eröffnet. Der Umstand, dass auf Grund der Lektüre Kaufempfehlungen gegeben werden können, bewirkt keine völlige Zurückdrängung der privaten Mitveranlassung.

Die Anschaffung von Werken der Literatur, die von allgemeinem Interesse oder für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt sind, begründen - was auch die belangte Behörde einräumt - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2002, 98/13/0206). Dass bei angestellten Buchhändlern ausnahmsweise eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Betrachtungsweise Platz greifen müsste, zeigt der angefochtene Bescheid nicht überzeugend auf. Die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, (angestellte) Buchhändler seien unter berufsspezifischen Aspekten gezwungen, einen finanziellen Aufwand für die Anschaffung von Büchern zu tätigen (Information über Neuerscheinungen), der deutlich über jenem liege, der für eine private Lebensführung als üblich bezeichnet werden könne, lässt das wirtschaftliche Interesse der Verlage und Herausgeber außer Acht, die von ihnen vertriebenen/herausgegebenen Werke dem Buchhandel bekannt zu machen, indem sie diesen mit den nötigen Informationen zu Neuerscheinungen versorgen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von dem von der belangten Behörde für ihren Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1997, 94/13/0001 (zu den Aufwendungen einer Tänzerin für den Besuch eines Fitnessstudios), und dem Erkenntnis vom 10. September 1998, 96/15/0198 (zu den Aufwendungen eines Kabarettisten für den Erwerb einer Vielzahl von Tageszeitungen).

Schließlich lässt auch der Umstand der Rabattgewährung durch den Arbeitgeber nicht auf die ausschließlich berufliche Veranlassung der über dem Durchschnitt liegenden Bücheranschaffungen schließen. Die Gewährung von Personalrabatten ist in vielen Branchen nicht unüblich und kann insbesondere dann, wenn wie im Beschwerdefall im Wohnsitzstaat der Mitbeteiligten eine Buchpreisbindung besteht, auch dafür genutzt werden, Bücher über den eigenen Bedarf hinaus für den Familien- und Freundeskreis zu erwerben. Die "statistisch überdurchschnittlichen" Aufwendungen der Mitbeteiligten für den Erwerb von Büchern stellen daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - gleichfalls kein aussagekräftiges Indiz für die ausschließlich berufliche Veranlassung des Mehraufwandes dar.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 24. April 2014

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