VwGH 2011/15/0121

VwGH2011/15/012126.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der M W in R, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 20. Mai 2011, Zl. RV/0297-G/09, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
BAO §207 Abs2;
FinStrG §33;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;
BAO §167 Abs2;
BAO §207 Abs2;
FinStrG §33;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mutter der Beschwerdeführerin, Margit A, vermietete mit Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 ein auf der Liegenschaft X befindliches Einfamilienhaus auf unbestimmte Zeit an Ing. A, den Vater der Beschwerdeführerin. Dabei wurde vereinbart, dass die Mutter als Vermieterin am Ende des Mietverhältnisses die vom Vater als Mieter getätigten Mieterinvestitionen abzüglich einer jährlichen Abnutzung von 10% abzulösen habe.

Mit Übergabevertrag vom 7. Dezember 2000 wurde u.a. die Liegenschaft X an die Beschwerdeführerin übergeben, die eine Darlehensschuld ihrer Mutter zur Rückzahlung übernahm und in den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 eintrat.

Im Hinblick auf den Übergabevertrag vom 7. Dezember 2000 nahm das Finanzamt zunächst bei der Mutter der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 2000 den Zufluss von Einnahmen in Form der Werterhöhung der Immobilie durch die von Ing. A getätigten Investitionen (deren Abgeltung er nicht betrieben hat) an. Einer dagegen von der Mutter erhobenen Berufung wurde mit dem Hinweis auf den Übergang des Mietverhältnisses gemäß § 1120 ABGB auf die Beschwerdeführerin Folge gegeben.

Sodann fand bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung (Prüfungs- und Nachschauauftrag vom 25. September 2007) statt, in deren Rahmen der Prüfer die Feststellung traf, dass die Beschwerdeführerin in den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 eingetreten sei. "Da der Mietvertrag zwischen (der Beschwerdeführerin) und (ihrem Vater) lt. Akteninhalt offenkundig mit Ende Dezember 2000 gelöst wurde, konnte (der Vater) auch frühestens zu diesem Zeitpunkt auf die Forderung aus Ablöse Mieterinvestition verzichten und floß zu diesem Zeitpunkt der Vorteil (der Beschwerdeführerin) zu."

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ gegenüber der Beschwerdeführerin am 12. Jänner 2009 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000, in dem es einen Zufluss aus Mieterinvestitionen von 1,282.366,32 S (93.193,19 EUR) unter den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfasste.

Die Beschwerdeführerin berief gegen den am 12. Jänner 2009 ergangenen Einkommensteuerbescheid 2000 und brachte vor, der Einkommensteueranspruch für das Jahr 2000 sei gemäß § 207 Abs. 2 BAO bereits mit Ablauf des Kalenderjahres 2005 verjährt, weil während der Verjährungsfrist bis einschließlich 2005 keine nach außen erkennbaren Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommen worden seien.

Laut Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 habe der Vater der Beschwerdeführerin bei Auflösung des Mietverhältnisses Anspruch auf Ablöse seiner Mieterinvestitionen gehabt. Der Mietvertrag sei mit Ende Dezember 2000 beendet worden. Vor Beendigung des Mietverhältnisses habe der Vater die Absicht bekundet, auf eine Ablöse seiner Investitionen zu verzichten. "Er hat aber darauf nicht verzichtet, weil er seit der Entstehung seines Entschädigungsanspruches keine nach außen, auch Dritten erkennbare Verzichtserklärung abgegeben hat." Daher sei der Entschädigungsanspruch des Vaters mit 31. Dezember 2003 verjährt und die Entschädigungsverpflichtung der Beschwerdeführerin zur bloßen Naturalobligation geworden. Dies habe aber nicht zur Folge, dass der seinerzeitige entgeltliche Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Mieterinvestitionen zu einem unentgeltlichen, entschädigungslosen Eigentumserwerb - mit der Folge einer Besteuerung der Mieterinvestitionen bei der Beschwerdeführerin - geworden sei. Einerseits bleibe ihre Entschädigungsverpflichtung als Naturalobligation und damit als Gegenleistung für den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Mieterinvestitionen erhalten. Andererseits werde der entgeltliche Eigentumserwerb nicht dadurch zu einem unentgeltlichen, weil der Entgeltsanspruch nicht geltend gemacht und infolgedessen verjährt sei.

Auch in wirtschaftlicher Betrachtung (§ 21 BAO) komme man zu keiner anderen Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes, weil der Wegfall der wirtschaftlichen Last in keinem Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehe. Der Verzicht auf die Geltendmachung des Entschädigungsanspruches stelle eine aus rein privaten bzw. familiären Gründen gewährte freigebige Zuwendung des Vaters an die Tochter, die Beschwerdeführerin, dar, die zu keinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte aus, dass die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben sieben Jahre betrage. Der Abgabenhinterziehung mache sich gemäß § 33 Abs. 1 FinStG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige- , Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirke. Die Beschwerdeführerin habe mit Schriftsatz vom 3. Jänner 2001 - unter Hinweis auf den Übergabevertrag vom 7. Dezember 2000 - die Vergabe einer Steuernummer beantragt und dem Finanzamt mitgeteilt, sie werde ab dem Jahr 2001 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Den Übergabevertrag vom 7. Dezember 2000 und den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997, der für die ertragsteuerliche Beurteilung der in Rede stehenden Mieterinvestitionen maßgeblich sei, habe sie nicht vorgelegt. Damit sei die Beschwerdeführerin der in § 119 BAO normierten Verpflichtung, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen, nicht nachgekommen. Bezüglich der für die Tatbestandsverwirklichung des § 33 Abs. 1 FinStrG erforderlichen vorsätzlichen Schuldform, wobei bereits der bedingte Vorsatz genüge, sei festzustellen, "dass die (Beschwerdeführerin) durch den bloßen Hinweis auf den Übergabsvertrag, ohne jedoch gleichzeitig diesen Vertrag und auch den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 im vollen Wortlaut dem Finanzamt im Einkommensteuerverfahren zur Kenntnis zu bringen, eine Abgabenverkürzung im Zusammenhang mit dem zugeflossenen Vorteil aus den Mieterinvestitionen in Höhe von ATS 1.282.366,32 wohl ernsthaft für möglich gehalten haben musste und sich damit offenkundig abgefunden hat".

Der Berufung komme auch in materieller Hinsicht keine Berechtigung zu. Laut Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 habe der Vater der Beschwerdeführerin bei Auflösung des Mietverhältnisses Anspruch auf Ablöse der Mieterinvestitionen gehabt. Der Mietvertrag sei infolge Schenkung der Liegenschaft samt Mietobjekt auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Der Vater der Beschwerdeführerin habe laut Berufung vor Beendigung des Mietverhältnisses und damit vor Entstehung seines Entschädigungsanspruches die Absicht bekundet, auf eine Ablöse der Investitionen und damit auf den Entschädigungsanspruch verzichten zu wollen und diesen in weiterer Folge nicht geltend gemacht. Dass er keine nach außen erkennbare, formelle Verzichtserklärung abgegeben habe, sei für die ertragsteuerliche Beurteilung, die sich am tatsächlichen Geschehen zu orientieren habe, nicht bedeutsam.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gem. § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Die Verjährungsfrist beträgt bei bestimmten Abgaben (zu denen auch die Einkommensteuer zu zählen ist) nach § 207 Abs. 2 BAO (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004) fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.

Der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinstrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, 99/13/0036, VwSlg 7895/F, mwN).

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von hinterzogenen Abgaben und insofern von einer Verjährungsfrist von sieben Jahren aus. Sie begründete dies mit der Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungspflichten (Nichtvorlage des Übergabsvertrages vom 7. Dezember 2000 und des - für die ertragsteuerliche Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Mieterinvestitionen maßgeblichen - Mietvertrages vom 23. Dezember 1997). Den in § 33 Abs. 1 FinStrG geforderten Vorsatz begründet sie damit, "dass die (Beschwerdeführerin) durch den bloßen Hinweis auf den Übergabsvertrag, ohne jedoch gleichzeitig diesen Vertrag und auch den Mietvertrag vom 23. Dezember 1997 im vollen Wortlaut dem Finanzamt im Einkommensteuerverfahren zur Kenntnis zu bringen, eine Abgabenverkürzung im Zusammenhang mit dem zugeflossenen Vorteil aus den Mieterinvestitionen in Höhe von ATS 1.282.366,32 wohl ernsthaft für möglich gehalten haben musste und sich damit offenkundig abgefunden hat".

Die Beschwerdeführerin hat am 7. Dezember 2000 eine zu diesem Zeitpunkt vermietete Liegenschaft erhalten, wobei das Mietverhältnis unstrittig mit 31. Dezember 2000 beendet wurde. Ob es ein - auf Seiten der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2000 zu erfassendes - Entgelt für eine der Beschwerdeführerin zuzurechnende Vermietung (für ca. drei Wochen im Dezember 2000) darstellt, dass der Mieter und Vater der Beschwerdeführerin ihr gegenüber keine Ansprüche auf Abgeltung seiner Investitionen in die Liegenschaft geltend gemacht hat, kann mangels konkreter Feststellungen zu den Beweggründen für das Unterbleiben der Geltendmachung nicht beurteilt werden. Die belangte Behörde stellt auch nicht nachvollziehbar dar, wieso die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Vorteil aus dem Verzicht auf die Abgeltung der Mieterinvestitionen eine Abgabenhinterziehung ernsthaft für möglich gehalten hat, obwohl der besagte Vorteil zunächst vom Finanzamt bei der Mutter der Beschwerdeführerin einer Besteuerung unterzogen wurde. Allein die Nichtvorlage des Mietvertrages vom 23. November 1997 und des Übergabsvertrages vom 7. Dezember 2000 ist kein nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten, aus dem sich ein Verkürzungsvorsatz erschließen lässt.

Solcherart ist der belangten Behörde der Nachweis eines Vorsatzes auf Abgabenverkürzung nicht gelungen, zumal die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, keine Kenntnis über die Steuerpflicht der in Rede stehenden Beträge gehabt zu haben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Wien, am 26. Februar 2015

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