VwGH 2011/15/0101

VwGH2011/15/010127.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der I F in A, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. April 2011, Zl. RV/1192-W/05, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §22 Z2;
EStG §24 Abs1;
EStG §4 Abs1;
EStG §22 Z2;
EStG §24 Abs1;
EStG §4 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war bis zum 15. Dezember 2001 Geschäftsführerin der F GmbH und zu 45 % an deren Stammkapital beteiligt. Die Einkünfte aus der selbständigen Geschäftsführertätigkeit ermittelte sie mittels Einnahmen-Ausgabenrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988. Mit Wirkung vom 1. Juli 1995 schloss sie mit der F GmbH einen Vertrag (im Folgenden: "Pensionszusage"), in dem ihr eine betriebliche Pension zugesagt wurde. In § 1 dieser Vereinbarung findet sich nach Zusage einer Firmen-Alterspension für den Fall des Ausscheidens aus der Geschäftsführung nach Erreichen des 60. Lebensjahres folgende Bestimmung:

"(...) Wenn Sie vor Erreichen des 60. Lebensjahres aus der Geschäftsführung der Gesellschaft ausscheiden, erhalten Sie keine lebenslängliche Firmenpension. Für Ihre bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen wird eine einmalige Kapitalleistung erbracht, die sich aus der Wertpapierdeckung zum letzten (Bilanzstichtag) und dem Rückkaufswert der Pensionsrückdeckungsversicherung ergibt. (...)"

Aufgrund ihrer durch eine schwerwiegende Erkrankung eingetretenen Erwerbsunfähigkeit beendete die Beschwerdeführerin mit 15. Dezember 2001 vor Erreichen ihres 60. Lebensjahres ihre Geschäftsführertätigkeit. Im Hinblick darauf erhielt sie im Laufe des Jahres 2002 die in der Pensionszusage vereinbarte Kapitalleistung (es ergab sich ein Betrag von 313.825 EUR) von der F GmbH ausbezahlt, die sie in der Einkommensteuererklärung 2002 als gemäß § 37 EStG 1988 progressionsermäßigten Übergangsgewinn erklärte.

Abweichend zur Erklärung schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 9. August 2004 für das Jahr 2002 Einkommensteuer in Höhe von 154.833,89 EUR vor. Die Anwendung des Hälftesteuersatzes auf die Pensionsabfindung komme nicht in Betracht, weil es mangels stiller Reserven zu keiner Betriebsaufgabebesteuerung komme und somit kein Übergangsgewinn zu ermitteln sei. Auch eine Verteilung auf drei Jahre sei nicht zulässig, weil die Pensionsabfindung vertraglich vereinbart und von der Beschwerdeführerin aus gesundheitlichen Gründen in Anspruch genommen worden sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, durch die Pensionsabfindung sei noch im Jahr 2001 ein Übergangsgewinn entstanden, weil die Voraussetzungen für die Auszahlung aufgrund der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin bereits in diesem Jahr vorgelegen seien. Das Bestehen stiller Reserven stelle keine Voraussetzung für einen Übergangsgewinn dar; ein solcher ergebe sich gegenständlich im Zuge der Betriebsaufgabe und sei gemäß § 37 EStG 1988 dem Hälftesteuersatz zu unterwerfen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Mai 2005 als unbegründet ab, woraufhin die Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die an die Beschwerdeführerin im Laufe des Jahres 2002 anlässlich der Beendigung ihrer Geschäftsführerfunktion gemäß der Pensionszusage ausbezahlte Kapitalleistung in Höhe von 313.825 EUR als freiwillige Abfindung von Pensionsansprüchen zu werten sei, weil die Initiative zum Abschluss der Abfindungsvereinbarung von der Beschwerdeführerin ausgegangen sei; eine Entschädigung im Sinne des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 sei in dieser Vereinbarung nicht zu erblicken. Die Pensionszusage lasse klar den Willen der Vertragspartner erkennen, der Beschwerdeführerin in jedem Falle ihres (vorzeitigen) Ausscheidens die Möglichkeit einer einmaligen Kapitalleistung einzuräumen, weshalb dadurch keine Entschädigung für den Nichteintritt des Firmenpensionsanfalles gewährt worden sei. Eine Verknüpfung der vereinbarten Kapitalleistung mit dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin sei aus der abgeschlossenen Vereinbarung nicht ersichtlich, es werde lediglich auf das Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus der Geschäftsführerfunktion vor ihrem 60. Lebensjahr abgestellt. Die Voraussetzungen für die Einkünfteverteilung nach § 32 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 würden demnach im Hinblick auf die vertraglich getroffene Vereinbarung nicht vorliegen.

Hinsichtlich des Zeitpunktes der Erfassung der Kapitalleistung führte die belangte Behörde aus, anlässlich der Betriebsaufgabe im Sinne des § 24 Abs. 1 EStG 1988 habe die Beschwerdeführerin auf die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 überzugehen gehabt; ein potentieller Übergangsgewinn sei in der Periode steuerlich zu erfassen, in der er entstanden sei, im Beschwerdefall sohin im Jahr 2001. Der Ausweis einer Forderung im Rahmen der Übergangsgewinnermittlung setze allerdings voraus, dass eine Forderung bereits entstanden sei: Die Beschwerdeführerin habe erst nach ihrem Ausscheiden aus der Geschäftsführung einen vertraglich gesicherten Anspruch auf eine einmalige Kapitalabfindung gehabt, weshalb eine Erfassung im Rahmen des betriebsaufgabebedingt zu ermittelnden Übergangsgewinnes nicht in Betracht komme. Das Entstehen der Forderung der Beschwerdeführerin auf Kapitalabfindung für ihre bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens erbrachten Leistungen sei erst eine Folge der Beendigung ihres Geschäftsführerverhältnisses. Da ihr die Kapitalabfindung unbestrittenermaßen im Jahr 2002 zugeflossen sei, sei deren Versteuerung in diesem Jahr zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988 (§ 24 Abs. 1 und 2 in der Stammfassung; § 22 Z 2 idF BGBl. Nr. 201/1996), lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 22. Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind:

...

2. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit.

Darunter fallen nur:

...

- Die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt. Die Beteiligung durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer Gesellschaft steht einer unmittelbaren Beteiligung gleich. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sind auch die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die für eine ehemalige Tätigkeit einer Person gewährt werden, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor Beendigung ihrer Tätigkeit durch mehr als die Hälfte des Zeitraumes ihrer Tätigkeit wesentlich beteiligt war.

...

§ 24. (1) Veräußerungsgewinne sind Gewinne, die erzielt werden bei

...

2. der Aufgabe des Betriebes (Teilbetriebes).

(2) Veräußerungsgewinn im Sinne des Abs. 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder der Aufgabe nach § 4 Abs. 1 oder § 5 zu ermitteln. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, ist als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.

..."

Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ist Gewinn der durch doppelte Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Festsetzung der steuerlichen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit 2002 mit Null verletzt und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die aus der Pensionszusage entspringende einmalige Kapitalleistung im Jahr 2001 zu erfassen sei. Aus § 1 der Pensionszusage ergebe sich, dass der Beschwerdeführerin eine Forderung auf eine einmalige Kapitalleistung im Falle des Ausscheidens als Geschäftsführerin zustehe. Diese Forderung, die in wirtschaftlicher Betrachtung eine freiwillige Abfertigung darstelle, sei mit Abschluss der Pensionsvereinbarung entstanden und bei Beendigung der Geschäftsführertätigkeit, somit noch im Jahre 2001, fällig geworden.

Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass im Beschwerdefall eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 24 Abs. 1 EStG 1988 vorliegt, weil die Beschwerdeführerin jene Tätigkeit, mit der sie betriebliche Einkünfte nach § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 erzielte, durch das am 15. Dezember 2001 erfolgte Ausscheiden aus der Geschäftsführerfunktion beendet hat. Ein sich daraus ergebender Aufgabegewinn ist nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln und in der Periode steuerlich zu erfassen, in der er entstanden ist.

Aus dem Wortlaut des § 1 der Pensionszusage ergibt sich, dass die dort näher bezeichnete Kapitalleistung der Beschwerdeführerin ohne weitere Bedingungen zusteht, wenn sie vor Erreichen des 60. Lebensjahres aus der Geschäftsführung der Gesellschaft ausscheidet. Forderungen sind - dem Grundsatz der Gewinnrealisierung entsprechend - beim Betriebsvermögensvergleich dann als Wirtschaftsgut zu bilanzieren, wenn sie entstanden sind. Die Beschwerdeführerin hat ihre Geschäftsführungstätigkeit am 15. Dezember 2001 beendet und damit ihren Geschäftsführerbetrieb aufgegeben. Mit diesem Zeitpunkt ist die aus der Pensionszusage resultierende Forderung in für die Beschwerdeführerin durchsetzbarer Weise entstanden, ohne dass es weiterer - zeitlich nachgelagerter - Voraussetzungen, wie etwa eines Gesellschafterbeschlusses, bedurft hätte. Diese Forderung ist aufgrund des mit der Betriebsaufgabe verbundenen Wechsels der Gewinnermittlungsart zum Betriebsvermögensvergleich - ungeachtet dessen, ob sie als Teil des Übergangsgewinnes oder als Teil des Veräußerungsgewinnes anzusehen ist - jedenfalls im Jahr 2001 zu bilanzieren, weshalb die daraus resultierenden (verfahrensgegenständlichen) Einkünfte bei der Einkommensteuerveranlagung 2001 zu erfassen gewesen wären.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Wien, am 27. November 2014

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