Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §9 Abs4;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §9 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 20. November 2009 erstattete das Finanzamt an den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt Strafantrag wegen Übertretung des ASVG. Im Zuge einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes am 7. November 2009 seien zwei Personen bei der Tätigkeit als "Taxitänzer" angetroffen worden. Die Personen hätten angegeben, die Tätigkeit auf selbständiger Basis auszuüben und für die beschwerdeführende Partei tätig zu sein. Das Finanzamt gehe aufgrund der niederschriftlich festgehaltenen Angaben und der vorgelegten Beweismittel von einer unselbständigen Tätigkeit aus.
Die beschwerdeführende Partei erstattete (vertreten durch "d w" F, G, H, M SteuerberatungsgmbH) am 23. Dezember 2009 Anmeldungen der für die beschwerdeführende Partei tätigen Personen "unter Protest" und beantragte einen Bescheid betreffend das Nichtvorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG bzw. eines freien Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 4 ASVG für diese Personen.
Mit Schriftsätzen vom 10. und 11. Februar sowie vom 2. und 15. März 2010 erstattete die beschwerdeführende Partei (vertreten durch Wirtschaftstreuhänder H & A Steuerberatungsgesellschaft mbH) weitere Anmeldungen von für sie tätigen Personen "unter Protest". Sie beantragte, einen Bescheid betreffend das Nichtvorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG bzw. eines freien
Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 4 ASVG für diese Personen zu erlassen.
Begründend führte die beschwerdeführende Partei aus, bei der Auftragsabwicklung handle es sich um einen Werkvertrag. Die Auftragnehmer seien Inhaber eines Gewerbescheines ("Planung sinnvoller Freizeitgestaltung/Animateur"); es bestehe daher Versicherungspflicht nach GSVG. Die Auftragnehmer (Tänzer) würden sich in einem Online-Kalender an jenen Tagen eintragen, an denen sie tanzen möchten. Die beschwerdeführende Partei mache aufgrund der Terminwünsche Gegenvorschläge. Würden die Vorschläge übereinstimmen, sei das Auftragsverhältnis zustande gekommen. Der Tänzer müsse sich bei einer etwaigen Verhinderung selbst um Ersatz kümmern. Der Auftrag werde somit an den Tänzer überbunden; er hafte für etwaige Schäden. Der Ersatztänzer müsse kein Auftragnehmer der beschwerdeführenden Partei sein; es gebe keine Qualitätskriterien. Der Tänzer unterliege keiner Kontrolle der beschwerdeführenden Partei. Es bestehe weder ein Wettbewerbs- noch ein Konkurrenzverbot. Die Tänzer müssten selbst für eine adäquate Tanzkleidung sorgen. Für die unterschiedlichen Lokale gebe es Pauschalhonorare. Wenn der Auftrag nicht in vollem Ausmaß erfüllt werde, verringere sich das Honorar.
Mit Schriftsatz vom 13. April 2011 beantragte die beschwerdeführende Partei - vertreten durch "d w" F, G, H, M SteuerberatungsgmbH - den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Landeshauptmann hinsichtlich ihrer an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gerichteten Anträge vom 23. Dezember 2009 (und anderer).
Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 beantragte die beschwerdeführende Partei - vertreten durch Wirtschaftstreuhänder H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG - den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Landeshauptmann hinsichtlich ihrer an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gerichteten Anträge vom 10. und 11. Februar sowie vom 1. (richtig: 2.) und 15. März 2010 auf bescheidmäßige Feststellung betreffend Nichtvorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG bzw. eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG für die unter Protest angemeldeten Personen.
Mit Schreiben vom 10. und vom 23. Mai 2011 nahm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu den Devolutionsanträgen Stellung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 16. Mai 2011 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 13. April 2011 abgewiesen.
Begründend führte der Landeshauptmann - nach Wiedergabe der Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 10. Mai 2011 - im Wesentlichen aus, aufgrund des dargestellten bisherigen Verlaufs des Verfahrens in der Sache und den von der mitbeteiligten Kasse hierzu vorgelegten Unterlagen, liege eindeutig kein ausschließliches Verschulden des Versicherungsträgers vor. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe mehrfach versucht, mit der Dienstgeberin in Kontakt zu treten. Aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Dienstgeberin und der großen Anzahl von Dienstnehmern sei es aber für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nachvollziehbar nicht möglich, die eingeleitete Prüfung rechtzeitig abzuschließen und einen Bescheid zu erlassen. Auch seien von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse schon mehrere Einvernahmen durchgeführt worden, weshalb es angesichts der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz nicht sinnvoll erscheine, eine Unterbrechung der laufenden Prüfung durch den Landeshauptmann und eine damit neuerlich verbundene Zeitverzögerung herbeizuführen. Da ein ausschließliches Verschulden der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse nicht bestätigt werden könne, sei der Devolutionsantrag abzuweisen gewesen.
Dieser Bescheid erging an die beschwerdeführende Partei, zu Handen Wirtschaftstreuhänder H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG, sowie an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse.
Mit gleich lautendem Bescheid des Landeshauptmannes vom 30. Mai 2011 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 13. April 2011 (neuerlich) abgewiesen. Dieser Bescheid erging - nach der Zustellverfügung - an die beschwerdeführende Partei, sowohl zu Handen Wirtschaftstreuhänder H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG als auch an "d w" F, G, H, M SteuerberatungsgmbH, und an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse.
Mit weiterem Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. Juni 2011 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 3. Mai 2011 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Begründend führte der Landeshauptmann aus, sowohl die H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG als auch "d w" seien von der beschwerdeführenden Partei mit der Vertretung im gegenständlichen Verfahren beauftragt worden. Beide Vertreter würden hierzu eine Vollmacht besitzen. Die von beiden Kanzleien gestellten Devolutionsanträge würden ohne Zweifel dasselbe Verfahren und denselben Sachverhalt betreffen. Da der Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei, vertreten durch "d w", mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 16. Mai 2011 abgewiesen worden sei, sei der zweite Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei, vertreten durch Wirtschaftstreuhänder H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG, wegen bereits entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Die beschwerdeführende Partei erhob - vertreten durch "d w" - Berufung gegen die Bescheide vom 16. Mai 2011 und vom 30. Mai 2011.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 30. Mai 2011 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 16. Mai 2011 wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens - aus, die beschwerdeführende Partei habe am 23. Dezember 2009 unter Protest Anmeldungen von mehreren Dienstnehmern erstattet; weitere Anmeldungen seien am 2. März 2010 erfolgt. Die beschwerdeführende Partei habe für alle Dienstnehmer eine bescheidmäßige Feststellung des Nichtvorliegens von Dienstverhältnissen gemäß § 4 Abs. 2 und § 4 Abs. 4 ASVG begehrt. Ausgangspunkt dieses Verfahrens sei eine von der KIAB in Kärnten durchgeführte Kontrolle gewesen.
Von der Kärntner Gebietskrankenkasse seien mehrere Tänzer zur Aufnahme von Niederschriften eingeladen worden. Die meisten Tänzer seien nicht zu den vorgegebenen Terminen gekommen, sondern diese seien alle gemeinsam erschienen. Ende Februar 2010 seien diese Niederschriften der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit dem Bemerken übermittelt worden, dass der Eindruck vermittelt worden sei, die Tänzer hätten sich abgesprochen und ihre Antworten abgestimmt.
In der Folge sei eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingeleitet worden. Der Prüfzeitraum vom 1. Jänner 2005 bis zum 31. Dezember 2008 sei im April 2010 auch auf das Jahr 2009 ausgedehnt worden. Aufgrund der großen Anzahl der Tänzer gestalte sich die laufende Prüfung sehr umfangreich.
Ab Anfang April 2010 seien mit den Tänzern von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Niederschriften aufgenommen worden, die letzten am 20. Oktober 2010. Die angeforderten Unterlagen seien von den Tänzern nicht vorgelegt worden. Im Zuge der Einvernahmen sei der Eindruck vermittelt worden, dass sich die Tänzer abgesprochen hätten bzw. ihnen empfohlen worden sei, wie sie Fragen beantworten sollten. Laut Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zum Devolutionsantrag habe sich die Kontaktaufnahme des zuständigen Prüfers mit den Gesellschaftern der beschwerdeführenden Partei schwierig gestaltet, zumal die steuerliche Vertretung die Telefonnummern nicht an den Prüfer weitergegeben habe und die zugesicherte Kontaktaufnahme seitens der Gesellschafter nicht erfolgt sei. Am 3. Mai 2010 hätten die Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei ein Schreiben an die Gebietskrankenkasse mit der Aufforderung gerichtet, die Fragen mögen schriftlich gestellt werden; diese würden auch schriftlich beantwortet werden.
Am 18. November 2010 sei ein Besprechungstermin mit der beschwerdeführenden Partei zustande gekommen, bei welchem im Wesentlichen von der steuerlichen Vertretung Akteneinsicht genommen worden sei. Ein Gespräch über tatsächliche und rechtliche Aspekte der Prüfung sei aber nicht möglich gewesen.
Die vom zuständigen Prüfer eingesehenen Buchhaltungsunterlagen hätten zu weiteren Daten von Tänzern geführt. Zwischen Jänner und März 2011 sei versucht worden, mit diesen in Kontakt zu treten.
Der zu ermittelnde Sachverhalt gestalte sich sehr umfangreich: Einerseits seien die Aussagen der zahlreichen Tänzer aufzunehmen und zu evaluieren, gleichzeitig sei eine GPLA-Prüfung eingeleitet worden, zudem bestehe begründeter Verdacht, dass die Aussagen der Tänzer abgesprochen seien und nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Zusätzlich ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt auch eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der beschwerdeführenden Partei. Daher liege ein ausschließliches Verschulden nicht beim Versicherungsträger.
Die Ermittlung eines objektiv überprüfbaren, auf festgestellten Tatsachen beruhenden Sachverhaltes beinhalte mehr als eine Aussage. Im umfangreichen Verfahren über die Versicherungs- und Beitragspflicht seien nicht nur die Aussagen der Dienstnehmer, sondern auch die der Dienstgeber oder sonstiger Beteiligter aufzunehmen. Es seien Unterlagen, welche Aufschlüsse über die vorliegenden Dienstverhältnisse bringen könnten, durchzusehen und auszuwerten. Schließlich erfolge eine rechtliche Beurteilung der gesammelten Fakten. Eine solche Beweisaufnahme und -evaluierung könne in einem Verfahren, im Rahmen dessen zusätzlich eine GPLA-Prüfung erfolge, zu Verzögerungen führen. Ein sorgfältiges und umfangreiches Ermittlungsverfahren dürfe nicht zu Lasten des Versicherungsträgers gehen, zumal die beschwerdeführende Partei nur zu schriftlichem Kontakt oder zur Akteneinsicht bereit sei.
Das Berufungsvorbringen bezüglich der Verletzung der Verfahrensvorschriften bei Vorladung und Befragung der Taxitänzer vor dem Versicherungsträger sei nicht Sache des anhängigen Verfahrens über den Devolutionsantrag.
Die Berufung gegen den Bescheid vom 16. Mai 2011 sei zurückzuweisen, weil dieser nicht rechtmäßig zugestellt und somit nicht als erlassen gelte, weil er an die nicht bevollmächtigte Vertretung, die Kanzlei H & A gerichtet gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Landeshauptmann hat mit Bescheid vom 16. Mai 2011 über den Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Partei entschieden. Dieser Bescheid wurde sowohl der beschwerdeführenden Partei zu Handen der Wirtschaftstreuhänder H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG, als auch der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zugestellt. Unabhängig davon, ob die H & A SteuerberatungsgmbH & Co KG auch Zustellungsbevollmächtigte der beschwerdeführenden Partei war (vgl. § 9 Abs. 4 ZustG, wonach die Zustellung als bewirkt gilt, sobald die Zustellung an einen von mehreren Zustellungsbevollmächtigten vorgenommen worden ist), ist dieser Bescheid mit der - in den vorgelegten Verwaltungsakten dokumentierten - Zustellung an die Gebietskrankenkasse jedenfalls wirksam erlassen worden.
Damit konnte aber auch die beschwerdeführende Partei gegen diesen Bescheid (allenfalls auch vor einer wirksamen Zustellung an sie) Berufung erheben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 91/08/0141), sodass sich die Zurückweisung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid als rechtswidrig erweist.
Mit wirksamer Erlassung des Bescheides vom 16. Mai 2011 hatte der Landeshauptmann aber über den Devolutionsantrag entschieden. Eine neuerliche Entscheidung über diesen Devolutionsantrag mit Bescheid vom 30. Mai 2011 verstößt damit gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit des Bescheides (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 21). Dieser weitere Bescheid wäre daher von der belangten Behörde - über Berufung der beschwerdeführenden Partei - als unzulässig aufzuheben gewesen.
Schon deswegen erweist sich der angefochtene Bescheid zur Gänze als inhaltlich rechtswidrig.
2. Im Übrigen gleicht der Beschwerdefall in Sachverhalt und Rechtsfrage jenem ebenfalls die beschwerdeführende Partei betreffenden Fall, der mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2013/08/0021, entschieden wurde. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG ergänzend auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen.
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am 25. Juni 2013
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