VwGH 2011/08/0178

VwGH2011/08/017822.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des V P in W, vertreten durch Dr. Josef Holzmüller, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Bahngasse 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 8. April 2011, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2011, betreffend Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gegenüber dem Beschwerdeführer für jeweils näher angeführte Zeiträume die Bemessung der täglichen Notstandshilfe zwischen 27. September 2005 und 30. September 2009 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG und der täglichen Notstandshilfe als Bevorschussung auf die Invaliditätspension zwischen 1. Oktober 2009 und 31. Jänner 2010 gemäß § 38 iVm § 23 und § 24 Abs. 2 AlVG rückwirkend berichtigt sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm §§ 23 und 25 Abs. 1 AlVG der durch die Berichtigung der Bemessung entstandene Übergenuss an unberechtigt empfangener Notstandshilfe und Notstandshilfe als Bevorschussung auf die Invaliditätspension in der Höhe von EUR 10.975,38 zum Rückersatz vorgeschrieben.

In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde neben Darlegung des Verfahrensganges, wie insbesondere der Wiedergabe der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahmen der betroffenen Sachbearbeiterinnen des AMS sowie des Beschwerdeführers, im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer in keinem seiner Anträge auf Zuerkennung dieser Leistung sein eigenes Einkommen in der Form der Witwerpension angeführt und die entsprechende Frage in den jeweiligen Anträgen nach einem eigenen Einkommen, wozu beispielhaft auch Renten und Pensionen angeführt seien, verneint bzw. im Antrag vom 1. Oktober 2007 die Frage nach einem eigenen Einkommen unbeantwortet gelassen habe. Erstmals in seinem Antrag vom 13. August 2010 habe er angegeben, eine Witwerpension - als eigenes Einkommen - zu erzielen, und dazu niederschriftlich am 30. August 2010 befragt ergänzt, dass seine Gattin 1986 verstorben sei; er "denke, seit 1986 eine Witwerpension zu bekommen". Laut Bestätigung der Deutschen Rentenversicherung B habe seine Witwerrente im Jahr 2010 monatlich EUR 493,39 netto betragen.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde ausgehend von den (weiteren) Ermittlungen bei der genannten Rentenversicherung zum Ergebnis, dass das eigene Einkommen des Beschwerdeführers in Form der im spruchgegenständlichen Zeitraum bezogenen Witwerpension, deren monatliche Nettohöhe die jeweiligen monatlichen Geringfügigkeitsgrenzen der Jahre 2005 bis 2010 übersteige, auf die Notstandshilfe und diese als Bevorschussung auf die Invaliditätspension in Anrechnung zu bringen sei; sie ergänzte, dass der Umstand, dass mit der Witwerrente Schulden beglichen worden seien, für die gegenständliche Beurteilung nicht relevant sei, zumal bei Anrechnung von eigenem Einkommen keine Freigrenzenerhöhung vorgenommen werden könne. Im Anschluss daran legte sie detailliert ihre Berechnung der täglichen Anrechnungsbeträge zu den jeweiligen Leistungszeiträumen und des aus der Neubemessung resultierenden Übergenusses dar.

Zum Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG stellte sie zu der im Beschwerdefall strittigen Frage der rechtzeitigen Bekanntgabe der vom Beschwerdeführer bezogenen Witwerpension fest, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in all seinen Anträgen die rechtserhebliche Frage nach einem eigenen Einkommen, wozu in den Antragsformularen dezidiert als Beispiel auch Pensionen und Renten angeführt seien, verneint bzw. im Antrag vom 1. Oktober 2007 die Frage nach seinem eigenen Einkommen unbeantwortet gelassen habe. Er habe daher in den im Berichtigungszeitraum gestellten Anträgen sein eigenes Einkommen in Form der Witwerrente verschwiegen.

Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, das AMS habe tatsächlich immer Kenntnis davon gehabt, dass er eine Witwerpension beziehe. Bei jeder der Antragstellungen habe er angegeben, dass er verwitwet sei. Der jeweilige Sachbearbeiter habe immer daraufhin nachgefragt, ob er eine Witwerpension erhalte und dies habe er immer bejaht. Er habe dazu immer ausgeführt, dass er eine Witwerpension in der Höhe von EUR 300,-- bis 400,-- erhalten würde, dass diese ihm aber nicht zugute käme, weil er auf Grund eines Strafverfahrens in Deutschland erhebliche Schulden habe und diese damit bezahlt würden. Er habe die Frage auch immer so verstanden, dass er deshalb kein eigenes Einkommen hätte, weil er diese zur Gänze zur Begleichung seiner Schulden verwenden habe müssen. Die jeweiligen Sachbearbeiter hätten dies bis auf den letzten Antrag immer zur Kenntnis genommen und seine Angaben wie im Antrag akzeptiert. Nachdem er immer auch angegeben habe, dass er eine Witwerpension beziehe, sei niemals konkret nachgefragt oder ein Nachweis diesbezüglich verlangt worden. Er sei daher immer auch davon ausgegangen, dass er das Antragsformular korrekt und richtig ausgefüllt habe.

Diese Ausführungen des Beschwerdeführers könnten jedoch - so die belangte Behörde beweiswürdigend - nur als Schutzbehauptung gewertet werden, weil weder F noch S (Anm.: die dazu befragten Sachbearbeiterinnen des AMS) Kunden bzw. Kundinnen, die verwitwet sind, nach Bezug einer Witwerpension fragen würden. Beide Sachbearbeiterinnen seien erfahrene und mit den Anrechnungsbestimmungen der Notstandshilfe vertraute Mitarbeiterinnen des AMS und es sei - wie aus ihren glaubwürdigen Stellungnahmen - ersichtlich, keinesfalls davon auszugehen, dass diese unrichtige Angaben im Antrag akzeptieren würden. Sie würden vielmehr davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Fragen in den jeweiligen Anträgen wahrheitsgemäß beantwortet habe. Selbst wenn sich beide Sachbearbeiterinnen nicht mehr an den konkreten Hergang erinnern könnten - ein Umstand, der bei den vom AMS durchzuführenden Massenverfahren verständlich sei - sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer den Erhalt der Witwerrente ihnen nicht mitgeteilt habe. Dafür spreche auch die Aussage der Sachbearbeiterin D betreffend die Geltendmachung des Anspruches vom 13. August 2010, dass der Beschwerdeführer erst auf ihre Nachfrage nach einer Witwerpension bei Antragsausgabe diese bekannt gegeben und diesen Bezug nicht von sich aus mitgeteilt habe. Der Beschwerdeführer habe selbst in der Niederschrift vom 28. Jänner 2011 angegeben, D habe ihn vor Antragsausgabe am 13. August 2010 - da sie im Computer gesehen habe, dass er verwitwet sei - über seine Lebens- und Einkommensverhältnisse gefragt; da er erstmals eine Bestätigung über die Witwerpension habe erbringen müssen, habe er diese auch erstmals im Antrag angegeben. Darüber hinaus habe dem Beschwerdeführer - auch ohne besondere Kenntnisse - klar gewesen sein müssen, dass ein eigenes Einkommen auch dann vorliege, wenn damit Schulden beglichen werden müssen. Darüber hinaus gehe auch aus der Aktenlage kein einziger Anhaltspunkt hervor, dass er in irgendeiner Form den Bezug seiner Witwerrente vor dem 13. August 2010 dem AMS mitgeteilt habe. Im Übrigen habe er auch den rechtskräftigen Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle N vom 19. Oktober 2010 betreffend den Widerruf und die Rückforderung der Leistung für die Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2010 auf Grund des Erhalts der Witwerrente unbeeinsprucht gelassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde bekämpft der Anfechtungserklärung zufolge zwar den Bescheid "in seinem gesamten Inhalt", jedoch erachtet sich der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid ausdrücklich nur in seinem Recht darauf als verletzt, als "ihm entgegen § 25 Abs. 1 AlVG empfangene Übergenüsse an Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung … in Höhe von EUR 10.975,38 zum Rückersatz nicht vorgeschrieben werden". Auch die Begründung der Beschwerde beschäftigt sich ausschließlich mit den Feststellungen der belangten Behörde über das Verschweigen des Bezuges einer Witwerpension durch den Beschwerdeführer. In dem genannten, ausschließlich geltend gemachten Beschwerdepunkt kann der Beschwerdeführer aber durch den angefochtenen Bescheid nur insoweit verletzt sein, als darin die Rückforderung der zu Unrecht empfangenen Leistung ausgesprochen wird, nicht aber durch jenen Teil des Spruchs, in dem die Leistung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG rückwirkend berichtigt wird. Letzterer Ausspruch des angefochtenen Bescheides ist daher nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Diese Bestimmung ist nach § 38 AlVG sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es bei einem Verschweigen maßgebender Tatsachen nicht darauf ankommt, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde leicht hätte festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgebenden Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0208, vom 23. April 2003, Zl. 2002/08/0284, vom 18. Februar 2004, Zl. 2002/08/0137, vom 22. September 2004, Zl. 2002/08/0252, und vom 9. September 2009, Zl. 2006/08/0344).

Die Beschwerde richtet sich inhaltlich gegen die Annahme der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer den Erhalt einer Witwerrente nicht rechtzeitig gemeldet und daher den Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) erfüllt habe; gegen die Richtigkeit der Berechnungen zur Neubemessung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. zur Höhe des rückgeforderten Betrages wird nichts eingewendet.

Soweit der Beschwerdeführer dazu die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihm zunächst zu erwidern, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Erwägungen im Wesentlichen darauf gestützt, dass in den vor dem 13. August 2010 gestellten Anträgen vom Beschwerdeführer die Witwerpension nicht angegeben worden sei und sich (auch) aus der Aktenlage kein gegenteiliges Indiz ergebe. Der Behauptung des Beschwerdeführers, den Erhalt der Witwerpension dazu immer im Gespräch mit den Sachbearbeitern bekanntgegeben zu haben, wurden die als glaubwürdig erachteten Darstellungen der betroffenen Sachbearbeiterinnen F und S entgegengehalten, wonach diese sich zwar an den konkreten Hergang bei den Antragstellungen nicht mehr erinnern könnten, aber "generell" keine Nachfrage zum allfälligen Bezug einer Witwerpension vorgenommen und unrichtige Angaben im Antrag (die im Widerspruch zu mündlichen Ergänzungen stünden) nicht akzeptiert hätten.

An der Schlüssigkeit dieser Argumentation kann der Beschwerdeführer mit dem bloßen Einwand, es würden "konkrete Beweisergebnisse zu den Qualifikationen der Sachbearbeiterinnen (F) und (S)" fehlen, um diese als erfahrene Mitarbeiterinnen einzustufen, keine Zweifel begründen; ebenso vermag die Beschwerde mit dem alleinigen Hinweis auf den (unstrittigen) Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Antragstellung am 13. August 2010 über Nachfrage der Sachbearbeiterin D nach einer Witwerpension erstmals eine solche im Antragformular angegeben hat, das Glaubwürdigkeitskalkül im angefochtenen Bescheid zur Vorgangsweise der (anderen) Sachbearbeiterin F und S bei den früheren Antragstellungen nicht erschüttern.

Ausgehend von den somit aus einer mängelfreien Beweiswürdigung resultierenden und für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen begegnet es auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde durch das Verhalten des Beschwerdeführers, der im Ergebnis bei den jeweiligen Antragstellungen das Vorliegen einer (anzurechnenden) Witwerpension nicht bekanntgegeben hat, den Rückforderungstatbestand des Verschweigens maßgebenden Tatsachen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. Jänner 2010 als erfüllt sieht.

3. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Februar 2012

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