Normen
BauO NÖ 1996 §20 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Ansuchen vom 18. Jänner 2008 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer weiteren Wohneinheit durch Abänderung des vorhandenen Baubestandes und Zubauten auf den Grundstücken Nr. .32 und Nr. 52, beide KG G.
Mit Bescheid des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 28. März 2011 wurde dieser Antrag gemäß § 20 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) abgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin - trotz Erteilung eines diesbezüglichen Verbesserungsauftrages - keinen Antrag auf Vereinigung der betreffenden Grundstücke Nr. .32 und 52, beide KG G gestellt habe, welche jedoch Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass laut vorliegendem Einreichplan das bestehende Gebäude auf der Parzelle Nr. .32, deren Umrisse der Begrenzung der Parzelle entsprächen, durch einen Zubau erweitert werde. Es würde daher zwangsläufig die Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 52 überbaut, was die Baubehörde jedoch auf Grund des Widerspruches zur zwingenden Regelung des § 49 Abs. 1 BO nicht genehmigen dürfe. Die Konsensfähigkeit des eingereichten Projektes könne daher nur im Wege eines baubehördlichen Grenzänderungsverfahrens erreicht werden, in dem die bestehende Grundgrenze durch Vereinigung der Grundstücke Nr. .32 und Nr. 52 aufgelöst werde. Alle Versuche seitens der Baubehörde, die Beschwerdeführerin zur Vorlage einer Anzeige der Änderung von Grundstücksgrenzen im Bauland nach § 10 BO zu bewegen, seien vergeblich gewesen. Seitens der Baubehörde werde nicht bestritten, dass das gegenständliche Grundstück Nr. .32, KG G, einen Bauplatz iSd
§ 11 Abs. 1 Z. 4 BO darstelle. Dieses Grundstück sei auch vor dem 1. Jänner 1989 bereits als Bauland gewidmet und mit einem bewilligten Gebäude bebaut gewesen. Da sich auch auf dem Grundstück Nr. 52, KG G, Gebäude befänden, dürfte dieses Grundstück auch einen Bauplatz darstellen. Eine Vereinigung dieser beiden Grundstücke würde keinesfalls einen Anlass zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe nach § 39 Abs. 1 BO auslösen (wird näher ausgeführt). Da durch das Bauvorhaben die Grundstücksgrenze zwischen der Parzelle Nr. .32 und dem Grundstück Nr. 52, beide KG G, überbaut werden würde und keine Ausnahmebestimmung des § 49 BO zum Tragen komme, habe dieses Bauvorhaben von der Baubehörde nicht bewilligt werden können, und weil die Beschwerdeführerin trotz vielfacher Aufforderungen keinen entsprechenden Antrag auf Vereinigung der beiden Grundstücke nach § 10 BO vorgelegt habe, habe auf Grund des § 23 Abs. 2 3. Satz BO keine Bewilligung erteilt werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass durch die geplante Veranda die Grenze der Grundstücke Nr. .32 und 52 überbaut werde, wozu sie auch weder Feststellungen getroffen noch - ebenso wie die Baubehörden erster und zweiter Instanz - ein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Es bestünden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass - gerade im Bezug auf die Veranda - entgegen der Ansicht der belangten Behörde bei der Anwendung der Bestimmungen der §§ 49 und 20 Abs. 1 BO nicht vom grundbuchsrechtlichen (und vermessungsrechtlichen) Grundstücksbegriff auszugehen sei. Die logische Inkonsequenz des § 38 BO, nämlich dass ein nach den Bestimmungen der Bauordnung bereits bestehender Bauplatz durch Vereinigung mit angrenzenden Grundstücken wiederum zu einem gesetzlich existierenden und definierten Bauplatz werde, könne nur dadurch bereinigt werden, dass vom grundbuchsrechtlichen bzw. vermessungsrechtlichen Grundstücksbegriff abgegangen und dem Begriff "Grundstück" der Bedeutungsinhalt "Bauplatz" (iSd § 11 Abs. 1 Z. 4 BO) beigelegt werde. Dies habe jedenfalls für die Erfüllung der aufschiebenden Bedingung gemäß § 23 Abs. 2 letzter Absatz BO zu geschehen. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge des Verwaltungsverfahrens wiederholt darauf hingewiesen und entsprechende Beweise dafür vorgelegt, dass das Grundstück Nr. 52 gemeinsam mit dem bestehenden Gebäude, Steuernummer .32, durch Änderungen von Grundstücksgrenzen im Jahr 1915 als Bauplatz geformt worden sei. Demnach würden die Grundstücke Nr. .32 und 52 gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 BO einen gemeinsamen Bauplatz darstellen. Auch mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 19. März 2007 seien diese beiden Grundstücke als ein Grundstück behandelt und ausgesprochen worden, dass dieses (gemeinsame) Grundstück ein "Bauplatz" iSd § 11 BO sei. Innerhalb eines derartigen Bauplatzes könne es keine eine Bebauung hindernde Grenze geben. Andernfalls wäre man bei einem vorhandenen Gebäudebestand iSd § 11 Abs. 1 Z. 4 BO gezwungen, entlang der Grundflächenbegrenzung Außenwände als äußere Brandmauern zu gestalten. Die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, dass innerhalb des gemeinsamen Bauplatzes, der durch die Grundstücke Nr. .32 und 52, KG G gebildet werde, dem grundbuchs- bzw. vermessungsrechtlichen Grundstücks- bzw. Grenzbegriff keine Bedeutung zukomme. Für eine Grenzverlegung oder Grundstücksvereinigung sei somit bei richtiger Auslegung des Gesetzes kein Raum. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 2 letzter Absatz BO sei eine aufschiebende Bedingung der Baubewilligung auszusprechen, wenn eine Grundgrenze durch das geplante Bauwerk überbaut werde, ohne dass vom Konsenswerber die Änderung von Grundstücksgrenzen gemäß § 10 BO bereits beantragt worden sein müsse. Die Konsequenz der Unterlassung einer Antragstellung bzw. einer Anzeige gemäß § 10 BO liege darin, dass von der unter der aufschiebenden Bedingung erteilten Baubewilligung kein Gebrauch gemacht werden dürfe. Die Versagung der Baubewilligung zufolge der Missachtung des durch die Baubehörde gesetzten Verbesserungsauftrages sei daher rechtswidrig.
Mit der Novelle LGBl. Nr. 8200-17 wurde die BO umfassend geändert. Mit der Novelle LGBl. Nr. 8200-18 wurde mit Wirksamkeit vom 11. Dezember 2010 bestimmt, dass die am Tage des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 8200-17 (das war mit 11. Dezember 2010) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind. Maßgebend sind daher im vorliegenden Fall folgende Bestimmungen der BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-17 (auszugsweise):
"§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,
- 2. der Bebauungsplan,
- 3. eine Bausperre,
- 4. die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,
5. ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 dieses Gesetzes oder § 30 Abs. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000,
6. bei Hochhäusern, sofern deren Raumverträglichkeit nicht bereits im Widmungsverfahren geprüft wurde, das Unterbleiben der Raumverträglichkeitsprüfung oder deren negatives Ergebnis, oder
7. eine Bestimmung dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze
entgegensteht.
…
(2) Wenn die Baubehörde eine Ergänzung der Antragsbeilagen nach § 19 Abs. 3 für notwendig hält, dann hat sie binnen 8 Wochen ab dem Einlangen des Antrags den Bauwerber aufzufordern, die noch benötigten Angaben oder Beilagen vorzulegen.
(3) Wenn die Baubehörde eines der im Abs. 1 angeführten Hindernisse feststellt, hat sie den Antrag abzuweisen. …
...
§ 23
Baubewilligung
(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht.
…
(2) Der Baubewilligungsbescheid hat zu enthalten:
Die Angabe des bewilligten Bauvorhabens und
die Vorschreibung jener Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen der im § 20 Abs. 1 Z. 7 angeführten Gesetze und Verordnungen, entsprochen wird. …
Mit Auflagen darf die Baubehörde insbesondere die Vorlage von Berechnungen, Befunden und Bescheinigungen von staatlich autorisierten oder akkreditierten Stellen, Ziviltechnikern oder Gewerbeberechtigten zum Nachweise der Einhaltung von Vorschriften und technischen Regeln vorschreiben.
Ist aus den der Baubehörde vorgelegten Bauplänen (§ 19) ersichtlich, daß durch das geplante Bauwerk eine Grundstücksgrenze überbaut wird und keine Ausnahme nach § 49 Abs. 1 4. Satz vorliegt, dann darf eine Baubewilligung nur mit der aufschiebenden Bedingung der Vorlage eines Grundbuchsbeschlusses über die Vereinigung der betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile bei der Baubehörde vor Baubeginn erteilt werden.
…
§ 49
Anordnung von Bauwerken auf einem Grundstück
(1) Über eine Baufluchtlinie sowie in einen Bauwich darf grundsätzlich nicht gebaut werden. …
Eine Grundstücksgrenze darf - mit Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer - nur überbaut werden
- durch bauliche Anlagen, deren Verwendung der von Gebäuden nicht gleicht, und
- durch Bauwerke über Verkehrsflächen oder Gewässer, sofern keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen, sowie
- durch Ver- und Entsorgungsleitungen und
- in den Fällen des § 52 Abs. 1 und 4.
…"
Aus der dargestellten Rechtslage folgt, dass eine Baubewilligung zu erteilen ist, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 7 BO angeführten Voraussetzungen besteht. Der Bauwerber hat dann einen Rechtsanspruch auf Erteilung der von ihm beantragten Baubewilligung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2008/05/0077).
Dem Baubewilligungsbescheid können, soweit dies im Gesetz vorgesehen ist, Nebenbestimmungen beigesetzt werden. Hierbei handelt es sich um Willensäußerungen der Behörde, die in Form von Bedingungen, Auflagen, Befristungen oder Widerrufsvorbehalten zum Hauptinhalt des Bescheides hinzutreten können (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, mwN).
§ 23 Abs. 2 BO sieht solche Nebenbestimmungen ausdrücklich vor. Die in § 23 Abs. 2 letzter Satz BO vorgesehene Nebenbestimmung wird vom Gesetzgeber ausdrücklich als "aufschiebende Bedingung" bezeichnet. Eine aufschiebende Bedingung liegt vor, wenn das Wirksamwerden der Bewilligung vom ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängt (vgl. hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, mwN).
Unter den Voraussetzungen, die an eine aufschiebende Bedingung zu stellen sind, ist daher die Anordnung in § 23 Abs. 2 dritter Satz BO vom Gesetzgeber zutreffend als aufschiebende Bedingung bezeichnet worden. Diese Bedingung soll den Abschluss des Baubewilligungsverfahrens ermöglichen, hindert jedoch den Baubeginn bis zum Eintritt der Vorlage eines Grundbuchsbeschlusses über die Vereinigung der betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile.
Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, dass der Beschwerdeführerin keine Baubewilligung nach § 23 Abs. 2 BO erteilt werden konnte, weil durch das geplante Bauwerk eine Grundstücksgrenze überbaut würde, trifft daher nach der hier noch maßgebenden Rechtslage vor der Novelle LGBl. Nr. 8200-17 nicht zu (zur Änderung durch die Novelle LGBl. Nr. 8200-17 vgl. den Motivenbericht bei Kienastberger, NÖ Baurecht, S. 69). Die Anordnung in § 23 Abs. 2 letzter Satz BO, dass in die Baubewilligung unter den dort genannten Voraussetzungen eine aufschiebende Bedingung aufzunehmen ist, richtet sich an die Baubehörde, die demnach die Baubewilligung nur unter Vorschreibung dieser Nebenbestimmung erteilen darf. Insofern hat die Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung mit der aufschiebenden Bedingung der Vorlage eines Grundbuchsbeschlusses über die Vereinigung der betroffenen Grundstücke bei der Baubehörde vor Baubeginn, unabhängig davon, ob die belangte Behörde die Beschwerdeführerin bereits erfolglos zur Einbringung eines auf die Vereinigung gerichteten Antrages aufgefordert hat.
Ergänzend wird im Hinblick auf das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, dass die Nichterteilung einer "auflösenden Bedingung" - die Beschwerde nennt zu Recht nur eine "aufschiebende Bedingung" - der Baubewilligung nach § 23 Abs. 2 letzter Satz BO von der Beschwerdeführerin erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingewendet worden sei, darauf hingewiesen, dass rechtliche Überlegungen vom Neuerungsverbot nicht erfasst werden, sofern keine Rechtsausführungen vorgebracht werden, deren Wahrnehmung zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordern (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2004, Zl. 2004/16/0205).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen; auf das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2012, Zl. 2009/05/0045, wird hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 31. Juli 2012
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