VwGH 2011/05/0184

VwGH2011/05/018417.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie der Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des 1. Dr. WM und 2. Dr. PM, beide in Wien und vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Westbahnstr. 35 A/38 a, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt St. Pölten vom 26. September 2011, Zl. 00/37/9d/89-2011/Mag.Kalteis/SH, betreffend Erteilung eines Bauauftrags (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer am 11. Februar 2011 durchgeführten baupolizeilichen Überprüfung auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der Beschwerdeführer in der KG St. Pölten wurde festgestellt, dass für das bestehende Gebäude keine Baubewilligung vorliege und dieses auf Grund eines Brandes am 3. Jänner 2011 für Wohnzwecke unbenützbar sei, weshalb nach § 35 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) der vollständige Abbruch bescheidmäßig aufzutragen sei. Weiters wurde festgehalten, dass sich die Liegenschaft laut Flächenwidmungsplan in der Widmungskategorie "Grünland-Forst" befinde.

In der daraufhin übermittelten Stellungnahme vom 22. März 2011 brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass das gegenständliche Gebäude über eine Benützungsbewilligung verfüge, wobei auf den Bescheid des Magistrats der Stadt St. Pölten vom 28. Dezember 1962 verwiesen werde. Richtig sei, dass das Gebäude derzeit auf Grund eines Brandes für Wohnzwecke nicht benützbar sei, eine Wiederherstellung des entsprechend versicherten Gebäudes sei jedoch innerhalb kürzester Frist möglich. Dies sei auch im Interesse der Mieter, die derzeit in einer Notunterkunft untergebracht seien. Es sei nicht einzusehen, aus welchem Grund eine neuerliche Wiedererrichtung des Objektes nicht genehmigt werden sollte, da sich die Umstände gegenüber früher nicht geändert hätten. Unabhängig davon, ob es sich um Bauland oder Grünland handle, sei die Errichtung der Holzhütte bewilligt worden und sei auch aus dem Grundbuchsauszug eine Baufläche von 63 m2 ersichtlich. Weiters stellten die Beschwerdeführer das Ersuchen, die Wiedererrichtung des Holzhauses im ursprünglich genehmigten Ausmaß zu gestatten.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt St. Pölten vom 19. April 2011 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BO der baupolizeiliche Auftrag zum vollständigen, ersatzlosen Abbruch des Bauwerks auf dem gegenständlichen Grundstück binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides erteilt sowie die Nutzung zu Wohnzwecken bis zum Abbruch verboten. In ihrer Begründung stellte die Baubehörde nach Darlegung des Verfahrensganges zunächst fest, dass mit Bescheid vom 18. Dezember 1962 die auf fünf Jahre befristete Baubewilligung für die Errichtung einer Gartenhütte erteilt wurde. Die Rechtskraft dieses Bescheides sei mit 27. Februar 1963 eingetreten, weshalb die behördliche Bewilligung mit 28. Februar 1968 abgelaufen sei. An die Gartenhütte seien konsenslos Zubauten errichtet worden. Auf Grund des Brandes sei eine Wohnnutzung nicht mehr möglich bzw. ein Abbruch des Gebäudes erforderlich. Nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan befinde sich die gegenständliche Liegenschaft in der Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forst", weshalb eine neuerliche Bebauung in Form eines Wohnhauses baubehördlich nicht genehmigt werden könne.

In der dagegen erhobenen Berufung verwiesen die Beschwerdeführer auf ihr bisheriges Vorbringen, wonach eine Behebung des Baugebrechens nicht unwirtschaftlich wäre, weil die Wiedererrichtung des Gebäudes wegen des Bestehens einer Versicherung kurzfristig möglich sei, und führten aus, die Baubehörde hätte ihnen somit eine Behebung der Missstände innerhalb einer gewissen Frist gewähren müssen. Da dies das gelindere Mittel zur Behebung der Baugebrechen sei, wäre dem "Punkt 2." des § 35 Abs. 2 BO vor dem "Punkt 1." (Unbenützbarkeit) der Vorrang zu geben gewesen. Auch "Punkt 3." der genannten Gesetzesstelle sei nicht anzuwenden, da für das Bauwerk eine Baubewilligung vorliege. Zwar sei die Baubewilligung vom 28. Dezember 1962 auf eine vorläufige Bestandsdauer von fünf Jahren erteilt worden, sie sei aber nicht mit 28. Februar 1968 abgelaufen. Hintergrund der Befristung sei gewesen, dass auf Grund der Reallasten am gegenständlichen Grundstück ein Rechtsanspruch durch die öffentliche Hand erhoben hätte werden können. Dies sei aber nicht erfolgt, sodass die Baubewilligung weiter zu gelten habe. Mit Schreiben vom 27. April 2011 hätten die Beschwerdeführer die Instandsetzung des gegenständlichen Objektes beantragt. Der gegenständliche Abbruchbescheid würde diesem Wiederherstellungsbegehren der Beschwerdeführer entgegenstehen und im Falle einer Genehmigung der Instandsetzung würden die verbliebenen Gebäudeteile ohnehin zur Gänze entfernt werden, was einem Abbruch gleichkäme. Der Ansicht der Behörde, wonach der baubehördlichen Genehmigung einer neuerlichen Bebauung in Form eines Wohnhauses die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forst" entgegenstünde, könne nicht gefolgt werden, zumal auch das ursprüngliche Gebäude im "Grünland-Forst" errichtet gewesen sei und die damaligen Genehmigungskriterien weiterhin Anwendung zu finden hätten. Darüber hinaus befinde sich auch am Nachbargrundstück ein Wohnhaus und liege die Wiedererrichtung der "konsensual errichteten Gebäudeteile" in erster Linie im sozialen Interesse der im Notquartier untergebrachten Mieter.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dass es sich bei einem Brandschaden zweifelsfrei um ein Baugebrechen im Sinn der BO handle. Auf Grund des Brandes und der konsenslos errichteten Zubauten lägen sowohl gesundheits- als auch bau- und feuerpolizeiliche Missstände vor, weshalb ein baupolizeilicher Abbruchauftrag schon nach § 35 Abs. 2 Z 1 BO zu erteilen gewesen sei.

Auch nach § 35 Abs. 2 Z 2 BO sei der Abbruch des gegenständlichen Bauwerks aufzutragen, da die Behebung der Baugebrechen jedenfalls unwirtschaftlich sei, stelle doch der Gebäudewert eine Grenze dar. Wirtschaftlich sei nur die Behebung von geringfügigen Baugebrechen. Ein befristeter baupolizeilicher Auftrag zur Behebung der einzelnen Baugebrechen müsse dem Abbruchauftrag nicht mehr vorangehen, wenn die unter Z 1 leg. cit. angeführten Voraussetzungen schon vorlägen.

Ein Abbruch sei auch nach § 35 Abs. 2 Z 3 BO geboten, da für das gegenständliche Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliege und es auf Grund der konsenslos errichteten Zubauten unzulässig sei. Zwar sei am 28. Dezember 1962 die Errichtung einer Gartenhütte im Ausmaß von vier mal fünf Meter baubehördlich bewilligt worden, an diese Gartenhütte seien jedoch zum einen im Laufe der Jahre Zubauten errichtet worden, für welche keine Baubewilligungen eingeholt worden seien; zum anderen sei die Baubewilligung nur auf eine vorläufige Bestandsdauer von fünf Jahren erteilt worden. Es treffe nicht zu, dass die Befristung der Baubewilligung auf Grund einer Reallast der öffentlichen Hand erfolgt sei. Die Baubewilligung sei seit 27. Februar 1963 rechtskräftig und folglich mit 28. Februar 1968 abgelaufen. Laut Flächenwidmungsplan befinde sich die gegenständliche Liegenschaft in der Widmungskategorie "Grünland-Forst". Nach § 19 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) sei ein Bauvorhaben im Grünland - Forstgebiet nur in jenem Umfang zulässig, als dies für eine landwirtschaftliche Nutzung erforderlich sei oder unter anderem auch dann, wenn ein Gebäude im Grünland als erhaltenswert gewidmet sei. Das gegenständliche Gebäude diene aber weder der landwirtschaftlichen Nutzung, noch sei es als erhaltenswert gewidmet. Eine Wiederrichtung im ursprünglich bewilligten Zustand sei somit unzulässig. Warum im Jahr 1962 überhaupt die Errichtung einer Gartenhütte in der Widmungskategorie Grünland-Forst bewilligt worden sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden und sei für die Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des Abbruchauftrages ebenso wenig relevant wie der Umstand, dass sich am Nachbargrundstück ebenfalls ein Wohnhaus befinde. Dass die Wiedererrichtung im sozialen Interesse der Mieter gelegen sei, könne im gegenständlichen Bauverfahren keine Berücksichtigung finden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde vor, sich über den klaren Grundbuchstand hinweggesetzt zu haben. Aus dem Grundbuch ergebe sich, dass es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft um Bauflächen und damit um Bauland handle. Weiters habe die belangte Behörde übersehen, dass bereits im Jahr 1962 eine Baubewilligung erteilt worden sei, die lediglich deshalb auf fünf Jahre befristet worden sei, weil eine Verbreiterung der Straße geplant gewesen sei, die jedoch nicht durchgeführt worden sei. Überdies habe die belangte Behörde übersehen, dass ein Großteil des Grundstücks mit einer Betondecke versehen sei und ein gemauerter Zaun die Liegenschaft umgebe. Die Liegenschaft anders als zu Bauzwecken zu benützen sei daher weder gerechtfertigt, noch sinnvoll; für landwirtschaftliche Zwecke könne sie beispielsweise keinesfalls verwendet werden. De facto würden die Beschwerdeführer durch die gegenständliche Entscheidung enteignet werden. Im Übrigen wiederholen die Beschwerdeführer wörtlich ihre in ihrer Berufung erstatteten Ausführungen.

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 35 Abs. 2 BO lautet:

"(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Missstände vorliegen oder

2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist und der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 gewährten Frist die Missstände nicht behoben hat oder

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

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