VwGH 2011/03/0232

VwGH2011/03/023224.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 7. September 2011, Zl 611.993/0001-BKS/2011, betreffend Verletzung des ORF-Gesetzes (weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Normen

ORF-G 2001 §4f Abs2 Z23 idF 2010/I/050;
ORF-G 2001 §5a Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ORF-G 2001 §4f Abs2 Z23 idF 2010/I/050;
ORF-G 2001 §5a Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Juli 2011 wurde der Beschwerdeführerin von der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) die "Durchführung des Angebotskonzepts für news.ORF.at vom 26.05.2011 (…) hinsichtlich des Teilangebotes debatte.ORF.at, soweit es sich um die Aggregation von einzelnen Debatten auf einer Überblicksseite handelt, gemäß § 5a Abs 2 iVm § 4f Abs 2 Z 23 ORF-Gesetz (ORF-G), BGBl I Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010, untersagt".

Begründend führte die KommAustria im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 31. März 2011 ein Angebotskonzept für das Angebot news.ORF.at (inklusive der Teilangebote wetter.ORF.at und debatte.ORF.at) gemäß § 4e Abs 1 Z 2 und 4 iVm § 4e Abs 2 sowie § 4f Abs 1 und § 5a ORF-G übermittelt und in der Folge mit Schreiben vom 26. Mai 2011 ergänzt.

Dieses Angebotskonzept laute unter anderem wie folgt:

"(…)

Seit Einführung des Online-Angebots 1997 ist news.ORF.at das Kernstück der aktuellen Online-Berichterstattung des ORF. Die Berichterstattung gibt insgesamt einen Überblick über das aktuelle Nachrichtengeschehen, ohne dabei vertiefend zu sein oder ein Nachrichtenarchiv zu beinhalten.

News.ORF.at bietet fortlaufend aktualisierte österreichische, europäische und weltweite Nachrichten über das Geschehen in Politik, Wirtschaft, Chronik, Wetter, Kultur, Wissenschaft, Sport, Volksgruppen und Religion.

(…)

News.ORF.at beinhaltet als Teilangebote eine Wetterberichterstattung und ein Debattenforum. (…)

Debatte.ORF.at bietet dem Publikum die Möglichkeit, sich am öffentlichen Diskurs zu allen im öffentlich-rechtlichen Kernauftrag genannten Themen in folgender Form zu beteiligen: Die Seite debatte.ORF.at stellt eine technische Plattform für aktuelle, zeitlich begrenzte, redaktionell ausgewählte Debattenthemen aus der ORF-Berichterstattung bereit. Diese Themen stehen in inhaltlichem Zusammenhang mit österreichweit ausgestrahlten Fernseh- und Hörfunkprogrammen. Die Debatten werden redaktionell begleitet und gewartet. Die Debatten dienen als Rückkanal für Themen, die Nutzer in den Fernseh- und Hörfunkprogrammen des ORF gesehen oder gehört haben. Die Debattenthemen können mit einzelnen Beiträgen in news.ORF.at verknüpft werden.

Um dem Publikum einen einfachen Zugang zum Rückkanal zu ermöglichen, werden die Themen an einem zentralen, einfach auffindbaren Zugangspunkt (debatte.ORF.at) abgebildet (Übersichtsseite über nicht-ständige Debattenthemen).

(…)

Debatten im Rahmen von news.ORF.at werden in einem engen aktuellen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit österreichweit gesendeten Fernseh- und Hörfunkprogrammen angeboten. Sie folgen in ihrer Aktualität der Aktualität der berichteten Themen und Ereignisse. Die Inhalte der Debatten zu Themen und Ereignissen, die über mehrere Tage aktuell sind, bleiben allerlängstens 30 Tage nach der Veröffentlichung des letzten Berichtes, den sie begleiten, zugänglich. Die Nutzer erhalten einen Hinweis eingeblendet, wenn sie kurz vor Ende der Lebensdauer noch an der Diskussion teilnehmen ('Diese Debatte wird in xx Stunden/Minuten geschlossen').

(…)

Debatte.ORF.at bildet einen Rückkanal für Fernseh- und Hörfunkprogramme und die ORF-Informationsangebote im Internet. Seher und Hörer finden hier die (zeitlich beschränkte) Möglichkeit zu dem konkret Gesehenen/Gehörten zu diskutieren. Links bei den einzelnen Debattenthemen zu den themengebenden ORF-Angeboten stellen den Zusammenhang zu den österreichweit ausgestrahlten Fernseh- und Hörfunkprogrammen her.

(…)

News.ORF.at enthält kein unzulässiges Angebot nach § 4f Abs. 2 Z 23 ORF-G. Nichtständige Angebote zur Übermittlung und Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer (Debatte) werden nur in inhaltlichem Zusammenhang mit österreichweit gesendeten Fernseh- oder Hörfunkprogrammen und unter Einhaltung der Bestimmungen von § 4 Abs. 2 Z 23 ORF-G gestaltet.

Das Debattenangebot von debatte.ORF.at ist nicht ständig und folgt streng der aktuellen österreichweiten Themenlage. Es wird kein klassisches Forenangebot mit langdauernden Foren zu ständig aktuell bleibenden Fach- oder sonstigen Themen, Möglichkeiten für privilegierte Nutzer, eigene Foren anzulegen, einem Forenarchiv und anderen üblichen Eigenschaften, angeboten.

Die Debatten werden in Zusammenarbeit mit der Redaktion nach der Nachrichtenlage und ihrer Berichterstattung in den Fernseh- und Hörfunkprogrammen ausgewählt und online gestellt. Die einzelnen Debatten sind nicht ständig, sondern - je nach Aktualität des Themas - nur vorübergehend abrufbar. Das ehemals vorhandene ständige Forum 'off-topic' wurde mit 1.10.2010 eingestellt.

Eine Debatte findet online nur statt, solange das Thema auch Gegenstand der medialen Berichterstattung ist (…). Nach einer von der Redaktion anhand der Aktualität vorgegebenen Lebensdauer wird eine Debatte automatisiert geschlossen. Die Nicht-Ständigkeit drückt sich auch in einem eingeblendeten Hinweis aus, den Nutzer erhalten, wenn sie kurz vor dem Ende der Lebensdauer noch an der Diskussion teilnehmen ('Diese Debatte wird in XX Stunden/Minuten geschlossen'). Zu keinem Zeitpunkt werden mehr als zwölf aktive Debatten online angeboten.

Die Debatten stellen einen 'Rückkanal' im inhaltlichen Zusammenhang mit bundesweiten Fernseh- und Hörfunksendungen dar. Um dem Publikum den Zugang zu diesem Rückkanal einfach zu ermöglichen, ist es unumgänglich, die jeweils aktuellen Themen zusammengefasst an einem zentralen Zugangspunkt aufzulisten. So wird eine virtuelle Verbindung zwischen Rundfunk-Beitrag und der Diskussionsmöglichkeit hergestellt. Dieser zentrale Zugangspunkt mit dem URL http://debatte.ORF.at/ist seit Jahren im Nutzungsverhalten des Publikums verankert und wird mit der interaktiven Teilnahme am Diskurs zur ORF-Berichterstattung verbunden. (…)"

Rechtlich folgerte die KommAustria, das Angebotskonzept sehe die Möglichkeit einzelner Debatten vor, die in Zusammenarbeit mit der Redaktion nach der Nachrichtenlage und ihrer Berichterstattung in den Fernseh- und Hörfunkprogrammen ausgewählt und online gestellt würden. Die Debatten würden redaktionell begleitet und gewartet. Sie seien auch nicht dauerhaft abrufbar und würden nach einer von der Redaktion anhand der Aktualität vorgegebenen Lebensdauer automatisiert geschlossen. Sie seien daher nicht ständig. Auch sei nach Auffassung der KommAustria das weit gefasste Erfordernis des inhaltlichen Zusammenhangs des Angebots mit österreichweit gesendeten Fernseh- oder Hörfunkprogrammen erfüllt. Die einzelnen Debatten auf debatte.ORF.at erfüllten daher die Anforderungen des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G; es handle sich um redaktionell begleitete, nicht-ständige Angebote zur Übermittlung oder Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer in inhaltlichem Zusammenhang mit österreichweit gesendeten Fernseh- oder Hörfunkprogrammen. Mit ihnen könne auch der von § 4f Abs 1 ORF-G geforderte wirksame Beitrag zur Erfüllung des öffentlichrechtlichen Kernauftrags geleistet werden, da es zu einer über die bloße Rezeption hinausgehenden Einbindung der Konsumenten in einen interaktiven demokratischen Diskurs mit anderen Teilnehmern komme.

Bei der Übersichtsseite auf debatte.ORF.at handle es sich um ein Forum, einen Chat oder ein sonstiges Angebot zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer. Gewöhnlich werde unter einem Internet-Forum ein virtueller Platz zum Austausch und zur Archivierung von Gedanken, Meinungen und Erfahrungen verstanden. Die Kommunikation finde dabei - im Unterschied zu einem Chat - asynchron, das heißt nicht in Echtzeit, statt. Wie aus den Materialien zum ORF-G hervorgehe, nehme das Verbot des § 4f Abs 2 Z 23 leg cit auf die Foren in den Online-Angeboten der in Österreich verbreiteten Tageszeitungen Bedacht. Es sei daher von einem weiten Forenbegriff auszugehen; dies werde nicht zuletzt durch den Auffangtatbestand "sonstige Angebote zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer" gestützt. Die Aggregationsseite, die als Startseite von debatte.ORF.at fungiere und einen Überblick über die laufenden nicht-ständigen Debatten biete, sei im Unterschied zu den einzelnen Debatten dauerhaft verfügbar. Das Angebotskonzept führe hierzu aus, dass es unumgänglich sei, die jeweils aktuellen Themen zusammengefasst an einem zentralen Zugangspunkt aufzulisten, um dem Publikum den Zugang zu diesem Rückkanal einfach zu ermöglichen. Auf diese Weise werde eine virtuelle Verbindung zwischen Rundfunkbeitrag und der Diskussionsmöglichkeit hergestellt.

Nach Auffassung der KommAustria sei diese Funktionalität mit § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G nicht vereinbar: Die Startseite debatte.ORF.at sei in ihrer Funktion und Gestaltung unabhängig von den einzelnen Debatten. Das Konzept, eine Startseite als Ausgangspunkt anzubieten, von der der Nutzer auf verschiedene Unterforen oder aber direkt auf einzelne Debatten bzw Diskussionen navigieren könne, sei zentrales Merkmal eines "klassischen" Forenangebots. Die durch den Themenwechsel bedingte Nicht-Ständigkeit der einzelnen Debatten ändere nichts an der Ständigkeit des Foren-Angebots debatte.ORF.at. Durch das Verbot des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G sollten gerade derartige ständige Angebote, die die Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer ermöglichen, unterbunden werden. Eine ständige Aggregation von wechselnden Debatten sei zweifelsfrei nutzerfreundlich, jedoch keineswegs unumgänglich; so werde in den anderen Online-Angeboten des ORF, wie etwa fm4.ORF.at oder oesterreich.ORF.at, ein "Rückkanal" geboten, der eine "Kommentierung" der Angebote des ORF unabhängig von einer zentralen, ständigen Aggregationsseite ermögliche. Dass die Startseite von debatte.ORF.at seit Jahren im Nutzungsverhalten des Publikums verankert und mit der interaktiven Teilnahme am Diskurs zur ORF-Berichterstattung verbunden sei, sei in rechtlicher Hinsicht unerheblich. Es handele sich bei der Übersichtsseite auf debatte.ORF.at daher um ein unzulässiges ständiges Forum bzw Angebot zur Übermittlung oder Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer gemäß § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G, das zu untersagen gewesen sei.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab.

In der Begründung ihres Bescheides führte sie - zusammengefasst - aus, die relevante Rechtsfrage bestehe ausschließlich darin, ob die vom ORF dargestellte Überblicksseite unter debatte.orf.at auf der Grundlage des § 4f ORF-G zur Verfügung gestellt werden dürfe. Während die KommAustria bei der Prüfung des Angebots zur Auffassung gelangt sei, dass dieses unter die Verbotsliste des § 4f Abs 2, konkret dessen Z 23 zu subsumieren sei, trete der ORF dieser Einordnung entgegen.

Nach Auffassung der belangten Behörde sei vor allem unter Berücksichtigung der vorhandenen Materialien unzweifelhaft davon auszugehen, dass den einzelnen Tatbeständen der Verbotsliste des § 4f Abs 2 ORF-G eine wettbewerbsrechtlich oder zumindest wettbewerbspolitisch bedeutsame Abgrenzungsfunktion beizumessen sei. Abgesehen von spezifischen Ausnahmen sollten jedenfalls die in § 4f Abs 2 ORF-G näher bezeichneten Angebote privaten Anbietern vorbehalten sein. Diese Intention sei selbst dann evident, wenn die Materialien nur von "Posting-Foren" und deren Bedeutung für den "generierten Traffic" sprächen.

Die belangte Behörde sehe auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinen Anlass, von dem durch die KommAustria zugrunde gelegten Begriffsverständnis der Z 23 abzuweichen. Ein "Forum" bezeichne seit jeher einen realen (und mittlerweile auch bloß virtuellen) Platz zum Meinungs-, Gedanken- und Erfahrungsaustausch oder zur Diskussion über Fragen und deren Beantwortung. Zutreffend habe die KommAustria dargestellt, dass der Themenwechsel bei den einzelnen Debatten nichts an der ständigen Verfügbarkeit des Überblicks über die laufenden nichtständigen Debatten ändere. Genauso wenig sei es für das Vorliegen eines Forums wesensnotwendig, dass die Möglichkeit bestehe, dort ein eigenes Forum oder ein Forumsarchiv anzulegen. Den Gesetzesmaterialien sei hierzu jedenfalls nicht zu entnehmen, dass an ein Forum spezifische weitere Anforderungen geknüpft wären; insofern erübrige sich auch die Erörterung der Frage, ob von der Verbotsliste nur solche Foren erfasst seien, bei denen diese Möglichkeit bestehe.

Wie schon die KommAustria ergänzend ausführe, lege auch die Textierung der Z 23 zum Ausschluss auch "sonstige(r) Angebote zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer" die Annahme nahe, dass ein allzu restriktives Verständnis des offensichtlich durch Konkurrenzüberlegungen motivierten Tatbestands ausscheide.

Die belangte Behörde habe in dieser Hinsicht auch keine Zweifel, dass schon die Überblicksseite selbst als Forum zu werten sei, weil diese Überblickseite dem Nutzer den vollständigen Überblick auf dem vom ORF in seiner Berufung mehrfach als Beispiel herangezogenen "Marktplatz" verschaffe. Der Nutzer stehe (sobald er die Überblicksseite angewählt habe) - bildlich gesprochen - mitten auf diesem Marktplatz (ähnlich die KommAustria mit ihrem Hinweis auf den "Ausgangspunkt") und könne sich nun (durch die Navigation zu Unterforen oder direkt) zu den einzelnen Debatten (also in eine der Ecken des Forums) begeben bzw entscheiden, welchem der auf diesem Forum gerade stattfindenden Meinungs- und Gedankenaustausch er konkret folgen wolle. Im Sinne dieser Überlegungen sei es daher unerheblich, dass - wie der ORF zu bedenken gibt - "die Nutzer auf der Übersichtsseite keine Inhalte veröffentlichen" oder dass an dieser zentralen Position des Marktplatzes der Meinungen (noch) "keine Gedanken ausgetauscht werden könnten".

Selbst unter Berücksichtigung des ("warnenden") Berufungsvorbringens, dass das von der erstinstanzlichen Behörde zugrunde gelegte Verständnis den Zugang und die Auffindbarkeit "insbesondere für Nutzer mit Beeinträchtigungen" maßgeblich erschweren würde, könne die belangte Behörde nicht erkennen, warum das Nutzungsverhalten des Publikums ein in die Beurteilung des Umfangs der Liste nach § 4f Abs 2 ORF-G einzubeziehendes Kriterium darstelle und daher zwingend zu einer anderen Beurteilung führen müsse. Die Zusammenfassung auf einer einzelnen Website sei auch - wie die KommAustria zutreffend ausführe - gar nicht Voraussetzung für die vom ORF erachtete Rückkanalfähigkeit zur Kommentierung.

Zusammenfassend bestehe daher nach Auffassung der belangten Behörde kein Zweifel daran, dass auch derartige ständig verfügbare "Aggregationsseiten" als zentraler Überblick über die einzelnen Debatten-Themen vom ORF von der Regelung der Z 23 miterfasst seien. Derartige Angebote dürften - zum Schutz der Konkurrenten - nicht zur Verfügung gestellt werden. Dies habe schon die KommAustria hervorgehoben, wenn sie argumentiere, dass durch das Verbot des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G "gerade derartige ständige Angebote, die die Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer ermöglichen, unterbunden werden" sollten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2011, B 1232/11-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 27. Jänner 2012 und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des ORF-Gesetzes, BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010 lauten:

"Bereitstellung weiterer Online-Angebote

§ 4f. (1) Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit über das Angebot nach § 4e hinaus weitere Online-Angebote bereitzustellen, die einen wirksamen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags (§ 4) leisten. Darunter fallen auch Abrufdienste. Solche Angebote dürfen nur nach Erstellung eines Angebotskonzepts (§ 5a) erbracht werden; sind die Voraussetzungen des § 6 erfüllt, ist eine Auftragsvorprüfung (§§ 6 bis 6b) durchzuführen.

(2) Folgende Online-Angebote dürfen nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags bereitgestellt werden:

(…)

23. Foren, Chats und sonstige Angebote zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer; zulässig sind jedoch redaktionell begleitete, nicht-ständige Angebote zur Übermittlung oder Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer in inhaltlichem Zusammenhang mit österreichweit gesendeten Fernseh- oder Hörfunkprogrammen. Voraussetzung für die Veröffentlichung von Nutzerinhalten in solchen Angeboten sind die Registrierung des Nutzers unter Angabe von Vor- und Nachname und der Wohnadresse. Die Registrierung ist nur zulässig, wenn der Nutzer ohne Zwang und in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten ausdrücklich eingewilligt hat. Der Österreichische Rundfunk hat Nutzer bei begründetem Verdacht auf unrichtige Registrierungsangaben zum Nachweis der Richtigkeit der Angaben binnen angemessener Frist bei sonstiger Löschung des Registrierungsprofils aufzufordern und Nutzer mit offenkundig unrichtigen Angaben von vornherein von der Registrierung auszuschließen. Die bei der Registrierung übermittelten Daten dürfen zu keinem über die Registrierung hinausgehenden Zweck verwendet werden. Auf Verlangen des Nutzers sind sämtliche Daten, einschließlich des Registrierungsprofils, zu löschen;

(…)

Angebotskonzept

§ 5a. (1) …

(2) Angebotskonzepte sind nach ihrer erstmaligen Erstellung sowie nach jeder nicht bloß geringfügigen Änderung der Regulierungsbehörde zu übermitteln. (…) Die Regulierungsbehörde hat binnen acht Wochen nach Übermittlung des vollständigen Angebotskonzepts die Durchführung des Angebotskonzeptes zu untersagen, wenn die Veranstaltung oder Bereitstellung des betreffenden Programms oder Angebots gegen die Vorgaben dieses Gesetzes verstoßen würde (…)."

2. § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G (idF der Novelle BGBl I Nr 50/2010) erhielt seine oben wiedergegebene Fassung durch einen Abänderungsantrag (AA-126 24. GP) zur Regierungsvorlage (RV 611 BlgNR 24. GP), der wie folgt begründet wurde:

"Für Online-Medien verlegerischer Herkunft, und hier insbesondere für die 'Online-Ausgaben' in Österreich verbreiteter Tageszeitungen, spielen Posting-Foren eine maßgebliche Rolle für die Finanzierung des Online-Angebotes, da der auf den von ihnen bereit gestellten Seiten generierte Traffic - und somit die kommerzielle Nutzbarkeit durch Verkauf von Werbegelegenheiten - durch das Angebot von Posting-Foren nachhaltig beeinflusst wird. Vom Verbot der Z 23 ausgenommen sind vor allem Angebote, welche als 'Rückkanal' zu Fernseh- oder Hörfunksendungen dienen. …"

3. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Einordnung der strittigen Webseite als unzulässiges Online-Angebot im Sinne des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G. Sie führt aus, dieses Teilangebot diene nur der besseren Auffindbarkeit der einzelnen Online-Angebote, die auch die Aufsichtsbehörden für zulässig befunden habe. Bei einer solchen Übersichtsseite handle es sich nicht um ein "Angebot zur Veröffentlichung von Inhalten der Nutzer", da die Nutzer auf dieser Seite überhaupt keine Inhalte veröffentlichen könnten. Die Übersichtsseite sei auch kein "Forum", und zwar (unter anderem) deshalb, weil dort keine Gedanken ausgetauscht werden könnten.

4. Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die Aufsichtsbehörden haben in Bezug auf das gegenständliche Angebotskonzept die darin vorgesehenen "Debattenangebote" der Beschwerdeführerin zu Fernseh- und Hörfunkprogrammen nicht beanstandet, sondern nur die Übersichtsseite über die Debattenthemen unter Hinweis auf § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G untersagt. Sie sind dabei von der Überlegung ausgegangen, dass diese Webseite - für sich betrachtet - ein unzulässiges "Forum" (bzw ein "sonstiges Angebot zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer") im Sinne der zitierten Gesetzesstelle sei.

Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden. Schon die Behörde erster Instanz definierte das Internet-Forum nach seinem gewöhnlichen Sprachgebrauch als einen virtuellen Platz zum Austausch und zur Archivierung von Gedanken, Meinungen und Erfahrungen. Die belangte Behörde schloss sich diesem Begriffsverständnis in ihrer Entscheidung ausdrücklich an; es wird auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt und deshalb - mangels Anhaltspunkten für eine davon abweichende Sichtweise des Gesetzgebers (vgl die Punkte 1. und 2. der Erwägungen) - den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt.

Ausgehend davon lässt sich nicht nachvollziehen, warum eine Webseite, die - für sich betrachtet - keine Möglichkeit zum Austausch und zur Archivierung von Gedanken, Meinungen und Erfahrungen bietet, als "Forum" im Sinne des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G anzusehen ist.

Ungeachtet dessen hat die belangte Behörde - folgt man ihrer weiteren Argumentation - "keine Zweifel" daran, "dass schon die Überblicksseite selbst als Forum zu werten ist, weil diese Überblickseite dem Nutzer den vollständigen Überblick auf dem …'Marktplatz' verschafft". Der Nutzer stehe nach Auffassung der belangten Behörde, sobald er die Überblickseite angewählt habe, bildlich gesprochen mitten auf diesem Marktplatz und könne sich nun durch die Navigation zu Unterforen oder direkt zu den einzelnen Debatten (also in eine der Ecken des Forums) begeben bzw entscheiden, welchem der auf diesem Forum gerade stattfindenden Meinungs- und Gedankenaustausch er konkret folgen wolle. Deshalb sei es nach Ansicht der belangten Behörde unerheblich, dass die Nutzer auf der Übersichtsseite keine Inhalte veröffentlichen und keine Gedanken austauschen könnten.

Mit diesen Erwägungen entfernt sich die belangte Behörde von ihrer vorangegangenen (zutreffenden) Definition eines Internet-Forums als virtueller Platz eines Meinungsaustausches, weil es unstrittig ist, dass der Nutzer auf dieser Website keine derartigen Aktivitäten entfalten kann. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass die Übersichtsseite dem Nutzer einen Überblick über aktuelle Online-Debatten gibt und er sich anhand dessen entscheiden kann, an welcher Debatte er teilnehmen möchte. Das allein macht die Webseite aber nicht zu einem selbständigen Forum, sondern sie dient damit lediglich als Wegweiser zu den einzelnen Foren, in denen der Meinungs- und Gedankenaustausch stattfinden kann.

Nichts Anderes gilt auch für die (hilfsweise) vorgenommene Einordnung der strittigen Webseite als "sonstiges Angebot zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer", weil sie - wie eben gezeigt - die entscheidende Funktion, Inhalte von Nutzern zu veröffentlichen, nicht erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt aus diesen Gründen die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörden, dass die strittige Übersichtsseite als (eigenständiges) "Forum" bzw als "sonstiges Angebot zur Veröffentlichung von Inhalten durch Nutzer" im Sinne des § 4f Abs 2 Z 23 ORF-G anzusehen ist, nicht. Damit kommt aber eine Untersagung nur dieser Seite gestützt auf die zitierte Gesetzesstelle nicht in Betracht.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 24. Juli 2012

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