VwGH 2010/22/0004

VwGH2010/22/000418.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Dr. Roland Kier, Dr. Thomas Neugschwendtner, Univ.- Prof. Dr. Richard Soyer, Dr.in Alexia Stuefer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 2007, Zl. 148.793/2-III/4/06, betreffend Daueraufenthaltskarte, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §57;
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §57;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Ausstellung eines Daueraufenthaltskarte gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 27. Februar 2002 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei am 2. Juni 2003 in zweiter Instanz "rechtskräftig negativ beschieden" worden. Seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (1997) habe mit diesem Tag geendet. Seit dieser Zeit halte er sich unrechtmäßig in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer habe am 8. November 2005 die österreichische Staatsbürgerin T geheiratet. Am 7. April 2006 habe er "einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als 'Familienangehöriger' gestellt". Dieser Antrag sei im Inland eingebracht worden.

Gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 NAG seien Familienangehörige von Österreichern, die in Österreich dauernd wohnhaft seien und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukomme, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts zur Antragstellung im Inland berechtigt. Da dies im vorliegenden Fall nicht zutreffe und sich der Beschwerdeführer auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtmäßig im Inland aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG der Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung entgegen.

Die von Amts wegen vorgenommene Überprüfung nach §§ 72, 74 NAG habe ergeben, dass keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG vorlägen. Es sei berücksichtigt worden, dass die Einreise des Beschwerdeführers unrechtmäßig erfolgt und er bloß infolge seines Asylantrages vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer gewählte Vorgehensweise stelle eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen dar.

Aus der Richtlinie 2004/38/EG könne der Beschwerdeführer kein Recht auf Aufenthalt geltend machen, weil er die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle. Es sei nicht dargetan worden, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers das ihr nach gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zukommende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Nähere Feststellungen, worauf die belangte Behörde diese Beurteilung gründet, enthält der angefochtene Bescheid aber nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, er habe eine Niederlassungsbewilligung beantragt. Damit ist er im Recht.

Aus dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag geht zweifelsfrei hervor, dass er die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte beantragt hat, weil er seiner Ansicht nach über ein nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften bestehendes Aufenthaltsrecht verfüge.

Bereits die erstinstanzliche Behörde wertete seinen Antrag als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gerichtet. Sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in seiner Berufung betonte der Beschwerdeführer demgegenüber aber, dass ihm eine Daueraufenthaltskarte zustehe und er am Begehren der Ausstellung einer solchen festhalte (vgl. etwa die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner an die erstinstanzliche Behörde gerichteten Stellungnahme vom 11. Oktober 2006, Blatt 43 des Verwaltungsaktes: "Der Antragsteller hat am 16.03.2006 einen Antrag auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gestellt, welcher vollinhaltlich aufrecht erhalten wird."). Dessen ungeachtet ging letztlich aber (auch) die belangte Behörde davon aus, es liege kein Antrag auf Erteilung einer Daueraufenthaltskarte, sondern ein Antrag auf Erteilung einer "Erstniederlassungsbewilligung" (gemeint offenbar: Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" iSd § 47 Abs. 2 NAG) vor.

Damit wurde aber der durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmte Verfahrensgegenstand von der Behörde eigenmächtig geändert. Zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass nach dessen Bestimmungen eine amtswegige Umdeutung eines Antrages grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der aus § 19 Abs. 2 NAG hervorgehenden strengen Antragsbindung, sondern auch aus § 23 Abs. 1 NAG, wonach die Behörde den Antragsteller zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Fremde einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel benötigt. Die Richtigstellung (Änderung) des Antrages - innerhalb einer von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu setzenden Frist - ist Sache des Antragstellers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2009, 2008/22/0075, mwN, sowie dem folgend das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, 2006/18/0150; zu einer Ausnahme vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2009, 2008/22/0201).

Somit war es der Behörde verwehrt, aus Eigenem den Antrag ohne Weiteres umzudeuten und den auf die Ausstellung einer Dokumentation eines Aufenthaltsrechts gerichteten Antrag als auf Erteilung eines (konstitutiv wirkenden) Aufenthaltstitels zu werten. Daran ändert auch nichts, dass die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer ihre diesbezügliche Rechtsauffassung bekannt gab, hielt dieser doch dennoch an seinem Begehren auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte fest.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Ausstellung von Daueraufenthaltskarten bereits ausgeführt, dass darauf gerichtete Anträge im Inland gestellt werden dürfen (vgl. nochmals das bereits erwähnte hg. Erkenntnis 2008/22/0201). Somit stellt der von der belangten Behörde herangezogene Grund des § 21 Abs. 1 NAG keine taugliche Grundlage für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung der beantragten Daueraufenthaltskarte dar.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. März 2010

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