VwGH 2010/21/0467

VwGH2010/21/046729.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. September 2010, Zl. BMI- 1029981/0002-II/3/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten serbischen Staatsangehörigen, inhaltlich gestützt auf die §§ 87 und 86 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, der seit 23. Februar 2004 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer habe am 21. April 2004 zum Schein, also ohne dass ein Familienleben beabsichtigt gewesen oder in der Folge tatsächlich geführt worden wäre, die österreichischen Staatsbürgerin C. geheiratet. Darauf gestützt sei ihm, über Antrag vom 28. April 2004, eine bis zum 14. Mai 2005 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Näher dargestellte Erhebungen hätten jedoch das Fehlen eines Familienlebens ergeben. Während der Beschwerdeführer behauptet habe, mit seiner österreichischen Ehefrau C. in der M.-Gasse zu wohnen, sei er am 28. April 2005 zusammen mit seiner (seit 16. März 2004 von ihm geschiedenen) ersten Ehefrau S. und den beiden gemeinsamen Kindern Sl. und D. in der Wiener R.-Gasse angetroffen worden. Alle wichtigen Dokumente, etwa Unterlagen über die Scheidung der genannten Ehe mit S., seien in dieser Wohnung aufbewahrt worden, ohne dass dafür plausible Gründe haben angegeben werden können. S. habe sich gegenüber den einschreitenden Beamten als Schwester des Beschwerdeführers ausgegeben. Später habe das der Sohn Sl. damit begründet, seine Mutter hätte aus Angst so ausgesagt, sei dann aber gleich abgereist. D. habe angegeben, seine Mutter S. hätte sich als Schwester seines Vaters (des Beschwerdeführers) ausgegeben, um noch eine Weile bei den Kindern bleiben zu können; sie hätte gewusst, "gegen das Gesetz verstoßen" zu haben. Diese Ausflüchte erschienen jedoch nicht plausibel. Zudem sei der Beschwerdeführer in dem (lediglich vier Wohnungen umfassenden) Haus in der M.- Gasse, wo er zu leben behaupte, gänzlich (insbesondere auch der dort lebenden, in derartigen Belangen gut informierten Hauseigentümerin) unbekannt. Das Vorliegen einer gegen Entgelt geschlossenen Scheinehe bei Aufrechterhaltung einer ehelichen Gemeinschaft mit der ersten Ehegattin (S.) habe auch der dazu befragte Zeuge V. bestätigt.

Der Beschwerdeführer habe als Grund für die Anmietung einer weiteren Wohnung in der R.-Gasse angegeben, seine Söhne Slobodan und Danijel hätten sich mit seinem Stiefsohn Philipp (dem Sohn der C. aus ihrer ersten Ehe) nicht verstanden. Der Beginn dieses Mietverhältnisses falle jedoch auf den 1. September 2004 und liege damit vor der Übersiedlung der beiden Söhne aus Serbien. Es erscheine unglaubwürdig, der Beschwerdeführer hätte bereits vor diesem Nachzug wissen können, dass sich diese mit dem genannten Stiefsohn nicht vertragen würden, sodass er eine weitere Wohnung anmieten müsse. S. habe ihr Visum für Österreich 14 Tage, nachdem der Beschwerdeführer den Mietvertrag für die Wohnung in der R.- Gasse abgeschlossen habe, beantragt. S. sei, ohne dass sie oder der Beschwerdeführer (als Hauptmieter) dies hätten aufklären können, in der genannten Wohnung vom 5. November 2004 bis zum 4. Juli 2005 gemeldet gewesen, obwohl sie niederschriftlich lediglich einen zwei Tage andauernden Besuch behauptet habe.

Generell hätten sich die genannten Zeugen noch während ihrer jeweiligen Befragung - ohne dass dies durch die Erstbehörde hätte verhindert werden können - abgesprochen, was Zweifel an der Richtigkeit ihrer Darstellungen rechtfertige.

Dazu komme, obwohl grundlegende Kenntnisse vom Partner einer Scheinehe regelmäßig zu beobachten seien, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 15. Mai 2006 die Augenfarbe seiner Frau C. unrichtig angegeben habe. Die Ehegatten hätten weiters (näher dargestellte) unterschiedliche Aussagen über gemeinsame Freizeitaktivitäten, persönliche Lieblingsspeisen, den Tagesablauf kurz vor ihrer polizeilichen Befragung und zu den Personen der Trauzeugen gemacht.

Die Angaben des Zeugen P. (Sohn der C. aus erster Ehe), er könne sich nicht erinnern, in welchem Zeitraum sein Stiefbruder Slobodan in der gemeinsamen Ehewohnung genächtigt habe, seien unglaubwürdig, weil der Zeitraum, in dem Sl. in diesem Objekt gemeldet gewesen sei, mehr als acht Monate betragen habe. Weiters hätte er angegeben, der Beschwerdeführer sei fast nie in dieser Wohnung gewesen, was die Indizien dafür verstärke, dass kein gemeinsames Eheleben bestehe.

Die Aussage des Zeugen Sl. (Sohn des Beschwerdeführers), er habe sieben bis acht Monate im genannten Objekt gewohnt, seien wiederum deshalb unglaubwürdig, weil ihn die im Haus lebende Eigentümerin nicht gekannt habe. Über weitere Lebensumstände der C. (etwa Schulden und Kontakte zu einem Rechtsanwalt) habe die Hauseigentümerin dagegen Bescheid gewusst.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das "öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens". Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.

Im Rahmen ihrer Abwägung nach § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seit Februar 2004, die Kontakte zu seinen Kindern aus erster Ehe sowie die im Bundesgebiet ausgeübte Berufstätigkeit. Es sei daher von einem Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben auszugehen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration als erheblich geschmälert anzusehen sei, weil der Beschwerdeführer nur auf Grund der Scheinehe mit einer Österreicherin keine Berechtigung nach dem AuslBG zur Ausübung einer Beschäftigung benötigt hätte. "Besonderer Schutz des Familienlebens" könne dem Beschwerdeführer auch deshalb nicht zugemessen werden, weil es sich bei seiner Ehe mit der Österreicherin C. lediglich um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe, der kein tatsächlich geführtes Familienleben zu Grunde gelegen sei. Insgesamt überwögen somit die öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf seine Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf seine Ehe mit C. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG - eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2011, Zl. 2010/21/0237, und vom 5. Juli 2011, Zl. 2010/21/0359, jeweils mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern gegen ihre Beweiswürdigung. Er macht geltend, dass den Ausführungen der Zeugen P. sowie Sl. und D. "offensichtlich keine entsprechende Bedeutung beigemessen" worden sei. Die weiteren Beweisaufnahmen, insbesondere die Hauserhebungen, hätten keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer Scheinehe erbracht, sodass sich deren Annahme und das daraus abgeleitete Aufenthaltsverbot als rechtswidrig erwiesen.

Dem ist zu entgegnen, dass sich die belangte Behörde ausreichend mit den ins Treffen geführten Angaben der genannten Zeugen auseinandergesetzt hat. Sie hat deren Darstellungen insbesondere im Hinblick auf die erwähnten Absprachen zwischen diesen Zeugen (selbst noch während ihrer Befragung), die Ergebnisse der Hauserhebungen, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer und seine Söhne im von C. bewohnten Haus in der M.-Gasse unbekannt waren, und den Ausführungen des Zeugen V. als nicht glaubwürdig erachtet. Dazu kommen die dargestellten Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner österreichischen Ehefrau C. Entgegen der Beschwerdemeinung beruht die Annahme einer Aufenthaltsehe somit nicht auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. September 2011

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