VwGH 2010/21/0454

VwGH2010/21/045421.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 17. Oktober 2007, Zl. Fr-301/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 1. August 2000 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Tags darauf habe er bei seiner Tante S, die österreichische Staatsbürgerin sei, in Salzburg Unterkunft genommen. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. Jänner 2003 sei seine Adoption durch diese Tante genehmigt worden. Dies sei wohl der Grund dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Asylantrag "mit" 17. Dezember 2003 wieder zurückgezogen habe.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 31. Oktober 2006 wegen der Verbrechen nach § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z 3 Suchtmittelgesetz (SMG), nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Linz habe der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Allerdings sei von diesem Gericht (über Berufung der Staatsanwaltschaft) die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre erhöht worden.

Der Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen im August 2006 in Salzburg und anderen Orten

1. gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, nämlich

1.100 g Heroin, von Serbien über Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Österreich ein- und ausgeführt hätte,

2. gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt 915 g Heroin, durch Weitergabe in Verkehr gesetzt hätte und

3. in bewusstem und gewollten Zusammenwirken den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 350 g Heroin, mit dem Vorsatz besessen hätte, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Zu den persönlichen Verhältnissen führte die belangte Behörde noch ergänzend aus, die Adoptivmutter des Beschwerdeführers lebe bereits seit 1989 in Österreich. Die Übersiedlung des Beschwerdeführers nach Österreich sei aber erst im Jahr 2000 erfolgt. Die leiblichen Eltern des Beschwerdeführers lebten weiterhin in Serbien.

In ihren rechtlichen Erwägungen stellte die belangte Behörde - bezugnehmend auf ein entsprechendes Berufungsvorbringen - darauf ab, dass der Beschwerdeführer im Verhältnis zu seiner Adoptivmutter nicht als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG anzusehen sei, weil er kein unverheiratetes minderjähriges Kind seiner Adoptivmutter sei. Somit könne dem Beschwerdeführer - so die belangte Behörde offenkundig mit Blick auf § 87 FPG - "keinesfalls die Eigenschaft eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zuerkannt werden". Bei ihm handle es sich auch nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen im eigentlichen Sinn, weil solcher nur jener sein könne, der Angehöriger eines (u.a.) Österreichers sei, der wiederum sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Nach Wiedergabe des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG führte die belangte Behörde weiter aus, ausgehend von der darin festgelegten Rechtslage könne kein Zweifel bestehen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorlägen. Auf Grund der Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten lasse aber auch die Annahme gerechtfertigt erscheinen, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit und laufe auch anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere jenen am Schutz der Gesundheit, an der Verteidigung der Ordnung und an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zuwider. Eine positive Verhaltensprognose sei im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit des Handelns, den erheblichen Unrechtsgehalt der Taten und die Tatwiederholung innerhalb kurzen Zeitraumes sowie das bewusste und gewollte Zusammenwirken mit anderen Mittätern keinesfalls möglich.

Bei der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer ledig und ohne Sorgepflichten sei. Seine leiblichen Eltern lebten in Serbien. Er weise keine beruflichen Bindungen im Bundesgebiet auf. Darüber hinaus sei auch einzubeziehen, dass gegen ihn sechs rechtskräftige Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen vorlägen. Selbst unter Berücksichtigung des "bereits achtjährigen" - allerdings teilweise in Haftanstalten verbrachten - Aufenthalts im Bundesgebiet sei die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei nämlich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten. Der aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die für die Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet hätten gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen den bei der Gefährdungsprognose von der belangten Behörde herangezogenen Maßstab. Dazu bringt er vor, auf ihn sei gemäß § 87 FPG der in § 86 Abs. 1 FPG festgelegte Gefährdungsmaßstab anzuwenden. Anschließend führt er aus, weshalb nach seiner Auffassung eine Gefährdung nach dieser Bestimmung nicht vorliege.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, dass gemäß § 87 FPG der in § 86 Abs. 1 FPG enthaltene Gefährdungsmaßstab nur auf Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG von österreichischen Staatsbürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, anwendbar ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 12 FPG ist Familienangehöriger, wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie). Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, erfüllt der im Jahr 1979 geborene - und sohin volljährige - Beschwerdeführer diese Voraussetzungen nicht.

Den in diesem Zusammenhang hervorgekommenen verfassungsrechtlichen Bedenken ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. September 2010, G 284/09 ua., nicht gefolgt.

Zu Recht hat die belangte Behörde daher im gegenständlichen Fall die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 60 FPG geprüft. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, es sei die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG nicht gerechtfertigt, gehen somit ins Leere.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten Verurteilung sowie den dieser Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen erweist es sich als unbedenklich, wenn die belangte Behörde sowohl die Erfüllung des in § 60 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FPG enthaltenen Tatbestandes als auch die in § 60 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdung bejaht hat. Der Beschwerdeführer hat in gravierender Weise gegen die Vorschriften zur Hintanhaltung von Suchtmittelmissbrauch verstoßen und insoweit Handlungen gesetzt, die zum Ziel hatten, Heroin in großem Ausmaß in Verkehr zu setzen, um sich dadurch eine laufende Einnahme zu verschaffen. Dass dieses Verhalten - wie in der Beschwerde bloß pauschal behauptet - "jedenfalls keine negative Prognose" rechtfertigen könne, ist für den Verwaltungsgerichtshof schon angesichts des vom Beschwerdeführer mit den Tatbegehungen verfolgten Zieles, sich eines laufenden Einkommens zu versichern, nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer wendet sich des Weiteren gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Dazu bringt er vor, die belangte Behörde hätte bei vollständigem Ermittlungsverfahren feststellen müssen, dass zwischen ihm und seiner Adoptivmutter ein "aufrechtes und gutes Familienleben" geführt werde. Sohin überwögen seine familiären und privaten Interessen die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Dieser Einschätzung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die belangte Behörde hat einerseits zu Recht darauf verwiesen, dass der Einhaltung der Vorschriften des Suchtmittelgesetzes aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, an der Hintanhaltung von strafbaren Handlungen sowie am Schutz der Gesundheit Anderer hohes öffentliches Interesse beizumessen ist. Zum anderen kann anhand der - unbestrittenen - Feststellungen zu jenen Umständen, die für die Beurteilung der Integration relevant sind, nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte während seines siebenjährigen Aufenthalts im Inland ein solches Ausmaß an Integration erreicht, dass die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geboten wäre. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet keine berufliche Integration erlangt hat. Demgegenüber wurden von ihm die strafbaren Handlungen in gewerbsmäßiger Weise, also um sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, getätigt. Des Weiteren kann den familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Adoptivmutter kein all zu hohes Gewicht beigemessen werden, zumal der Beschwerdeführer bereits volljährig ist (und dies darüber hinaus auch schon im Zeitpunkt der Adoption war). Eine Trennung von seiner Adoptivmutter hat er sohin im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Dass die belangte Behörde das ihr zur Verfügung stehende Ermessen unrichtig gehandhabt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden - wie hier - wegen einer in § 55 Abs. 3 FPG genannten strafbaren Handlung wäre zudem nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2007/21/0220, mwN).

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Dezember 2010

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