European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2010210419.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger Jordaniens, reiste am 30. April 2003 nach Österreich ein und beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Am 24. Jänner 2005 heiratete er die österreichische Staatsbürgerin J. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete er am 25. März 2009 M., eine Staatsangehörige der Slowakei.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 hatte die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Sie ging davon aus, dass die Ehe mit der Österreicherin J. nur zum Schein abgeschlossen worden sei, ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK also weder beabsichtigt gewesen noch tatsächlich geführt worden sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 2. November 2006 fristgerecht Berufung. Da die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hierüber nicht entschied, brachte er am 3. März 2010 gemäß § 73 AVG einen Devolutionsantrag bei der belangten Behörde ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. August 2010 wies diese den Devolutionsantrag gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG wegen Unzuständigkeit zurück. Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, der Beschwerdeführer sei durch die Eheschließung mit der slowakischen Staatsangehörigen M. am 25. März 2009 zu einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG geworden. M. verfüge über eine Anmeldebescheinigung, sodass davon auszugehen sei, dass sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe. Auch eine nach der Einreise eines Drittstaatsangehörigen im Aufnahmestaat geschlossene Ehe mit einem Unionsbürger verleihe die Rechtsstellung nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG sei somit der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über die Berufung (vom 2. November 2006) zuständig. Da das Bundesministerium für Inneres diesem gegenüber keine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde darstelle, sei der Devolutionsantrag zurückzuweisen. Der Akt werde, so führte die belangte Behörde abschließend aus, dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zuständigkeitshalber zur Entscheidung über die anhängige Berufung weitergeleitet. (Dies ist nach der Aktenlage noch am 18. August 2010, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides am 20. August 2010, erfolgt.)
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Wird ein Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen.
Für die Entscheidung über die Berufung vom 2. November 2006 war nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG ab dem Zeitpunkt der Eheschließung mit M. vom 25. März 2009 (also sowohl im Zeitpunkt der Erhebung des Devolutionsantrages als auch der Erlassung des angefochtenen Bescheides) der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zuständig, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hatte ihre davor gegebene Zuständigkeit nach § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG verloren. Sie wäre daher gemäß § 6 Abs. 1 AVG zur Weiterleitung der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien als nunmehr zuständige Berufungsbehörde verpflichtet gewesen (vgl. allgemein etwa den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/12/0134). Eine derartige Weiterleitung ist nach der Aktenlage jedoch unterblieben.
Die Weiterleitung nach § 6 Abs. 1 AVG erfolgt durch formlose Verfügung; es besteht lediglich eine objektive Pflicht der Behörde zur, aber kein subjektives Recht der Partei auf Weiterleitung. Deren Unterlassung durch die unzuständig gewordene Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien konnte daher mangels Erledigungsanspruchs nicht mit Devolutionsantrag durchgesetzt werden (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 17. Oktober 2008, Zl. 2008/12/0164, und vom 16. Dezember 2009, Zl. 2009/12/0201; ebenso Hengstschläger/Leeb, AVG § 6, Rz 12 mwN).
Die Zurückweisung des Devolutionsantrages durch die belangte Behörde ist somit im Ergebnis zu Recht erfolgt, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 30. August 2011
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