VwGH 2010/21/0249

VwGH2010/21/024926.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des E, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. Mai 2010, Zl. E1-5030/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des ihr angeschlossenen Bescheides, der als integrierenden Bestandteil auch die Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers am 7. Februar 2007 und die Berufung enthält, ergibt sich Folgendes:

Der aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer reiste erstmals am 22. März 2002 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen erfolglos gebliebenen Asylantrag (siehe dazu den die Behandlung der Beschwerde ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0003). Nachdem von der Fremdenpolizeibehörde seine Ausweisung verfügt worden war (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2003/21/0204), wurde der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2004 in sein Heimatland abgeschoben.

Am 28. Juli 2005 kam der Beschwerdeführer neuerlich unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte wiederum einen Asylantrag, der mit erstinstanzlichem Bescheid abgewiesen wurde. Über die dagegen erhobene Berufung wurde bisher nicht entschieden. Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung.

Am 13. Oktober 2005 heiratete der Beschwerdeführer vor dem Standesamt Graz die österreichische Staatsangehörige Rebecca Charlotte T. Im Hinblick darauf wurde ihm gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG ein Befreiungsschein ausgestellt. Unter Berufung auf diese Ehe brachte der Beschwerdeführer am 20. Dezember 2005 auch einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreicher, § 49 Abs. 1 FrG" ein. In der Folge wurden (v.a. aufgrund der getrennten Wohnsitze indizierte) Ermittlungen zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe geführt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 31. Mai 2010 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) - unter Zugrundelegung der Zeugenaussage der Rebecca Charlotte T. vom 28. November 2006, wonach zwischen ihr und dem Beschwerdeführer nur eine sogenannte "Scheinehe" geschlossen worden sei - gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 86 Abs. 1 und 87 in Verbindung mit §§ 62, 63, 66 und 125 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In der Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels gerügt, nach der ergänzenden Vernehmung des Beschwerdeführers im Rahmen des Berufungsverfahrens am 10. Mai 2010 wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, Rebecca Charlotte T. neuerlich zu befragen, zumal der Beschwerdeführer in dieser Einvernahme darauf verwiesen habe, deren unrichtige Angaben seien darauf zurückzuführen, dass er sich von ihr im Oktober 2006 getrennt habe.

Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht geeignet einen Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil es im Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Vernehmung am 7. Februar 2007 steht, wonach er damals mit Rebecca Charlotte T. zusammengelebt habe, und deren Aussage, sie hätte ihn das letzte Mal im April 2006 gesehen, mit dem Hinweis bestritt, er habe täglich Kontakt mit ihr. Demzufolge hatte der Beschwerdeführer damals als vermutlichen Grund für ihre (nach der Darstellung des Beschwerdeführers: unrichtigen) Angaben über eine Scheinehe auch nur ins Treffen geführt, sie werde "von Jemanden" bedroht oder sie habe Angst.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung die - als Zeugin unter Wahrheitspflicht gemachte - Aussage der Rebecca Charlotte T. vom 28. November 2006 ohne Wiederholung ihrer Befragung zugrunde legte. Dabei gestand sie (nach der unbekämpften Darstellung im angefochtenen Bescheid) nicht nur zu, dass es sich um eine "Scheinehe" handle, sondern schilderte auch nähere Details über die Anbahnung der Ehe. So habe sie den Beschwerdeführer über dessen damaligen Unterkunftgeber Ende September 2005 kennen gelernt. Dieser habe ihr vorgeschlagen, dass sie durch die Eheschließung mit dem Beschwerdeführer 2.000 EUR bekommen könnte. Da sie damals arbeitslos gewesen sei und finanzielle Probleme gehabt habe, habe sie der Eheschließung zugestimmt und auch tatsächlich den versprochenen Geldbetrag erhalten. Die organisatorischen Vorbereitungen hätten sie und der Beschwerdeführer gemeinsam durchgeführt, jedoch habe es keine Hochzeitsfeier "im ortsüblichen Sinn" gegeben. Als Trauzeuge hätten ihr nunmehriger Lebensgefährte und für den Beschwerdeführer ein ihr unbekannter "Landsmann" fungiert. Die Ehe sei nie vollzogen worden und zur Scheinanmeldung an einem gemeinsamen Wohnsitz sei es nur auf Anraten des Vermittlers gekommen, um die Ehegemeinschaft vor der Behörde glaubhaft zu machen. Seit April 2006, als sie den Beschwerdeführer zur Niederlassungsbehörde begleitet habe, habe sie ihn nicht mehr gesehen. Tatsächlich lebe Rebecca Charlotte T. nach wie vor mit Wolfgang S. in Lebensgemeinschaft.

Diesen nachvollziehbaren Angaben ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde - ebenso wie in der Berufung, in der er sich ohne argumentative Auseinandersetzung mit der wiedergegebenen Zeugenaussage auf das bloße Bestreiten einer "Scheinehe" beschränkte - nicht konkret entgegen getreten. Er versuchte nur ein neues Motiv für eine unrichtige Aussage der Rebecca Charlotte T. ins Treffen zu führen, das jedoch - wie dargelegt - nicht überzeugend ist. Soweit sich die Beschwerde noch auf Angaben der Rebecca Charlotte T. im Zuge einer Verhandlung im Scheidungsverfahren am 20. Juni 2010 beruft und insoweit Widersprüche zu den Angaben vor der Fremdenpolizeibehörde zu erkennen glaubt, ist daraus schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der angefochtene Bescheid durch Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits am 2. Juni 2010 erlassen wurde.

Die Folgerung der belangten Behörde, durch das Ermittlungsverfahren sei eindeutig hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer mit Rebecca Charlotte T. nie ein gemeinsames Ehe- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK geführt habe, ist somit unbedenklich.

In Bezug auf die rechtliche Beurteilung ist vorauszuschicken, dass die belangte Behörde zutreffend erkannte, gegen den Beschwerdeführer könne als Asylwerber nur ein Rückkehrverbot im Sinne des § 62 FPG erlassen werden, und sie hat demnach zu Recht das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen geprüft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0442). Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Hinsichtlich der Gefährdungsprognose hat die belangte Behörde weiters zutreffend beachtet, dass der Beschwerdeführer als Ehemann - die (einvernehmliche) Scheidung der Ehe erfolgte erst nach Erlassung des bekämpften Bescheides am 22. Juni 2010 - Familienangehöriger einer Österreicherin war und dass bei Erlassung des gegenständlichen Rückkehrverbotes die im § 86 FPG genannten Voraussetzungen gegeben sein mussten (vgl. auch dazu das schon genannte Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0442).

Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG dann gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheins auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0002). Auf Basis der behördlichen Feststellungen zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und eines Befreiungsscheines unter Berufung auf diese Ehe war somit die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

In Bezug auf die nach § 66 (iVm § 62 Abs. 3) FPG vorzunehmende Interessenabwägung wird vom Beschwerdeführer kritisiert, die belangte Behörde habe diese zur Gänze unterlassen. Der Beschwerdeführer sei gerichtlich unbescholten, sozial integriert und gehe seit mehreren Jahren einer geregelten Beschäftigung nach. Durch das gegen ihn verhängte Rückkehrverbot liege somit ein vehementer Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor.

Dem ist zunächst zu erwidern, dass - ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde - ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers nicht zu erkennen ist. Von einem Eingriff in das Privatleben ist die belangte Behörde aber ohnehin ausgegangen und sie hat - entgegen der Behauptung in der Beschwerde - auch eine ausreichende Abwägung der wechselseitigen Interessen vorgenommen. So führte sie unter anderem aus, dass es angesichts des Aufenthalts des Beschwerdeführers seit Mitte 2005 und seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit zu einem durch das Rückkehrverbot bewirkten "gewissen" Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers komme, der jedoch dadurch relativiert sei, dass der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe erlangt worden sei. "Ansätze einer beruflichen oder sozialen Integration" des Beschwerdeführers seien wegen der noch nicht allzu langen Aufenthaltsdauer und wegen des rechtswidrig erlangten Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt "nicht in einem so berücksichtigungswürdigen Ausmaß erkennbar", dass sie der Erlassung des Rückkehrverbotes entgegen stünden. Nach der Rechtsprechung stelle das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, nämlich eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar. Dazu komme, dass sich der Beschwerdeführer bei der Einreise offensichtlich eines Schleppers bedient habe, was die Notwendigkeit eines Rückkehrverbotes zusätzlich verstärke. Die Erlassung eines Rückkehrverbotes sei daher - so lassen sich die weiteren Ausführungen der belangten Behörde zusammenfassen - im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

Zu diesen Ausführungen im angefochtenen Bescheid ist zwar anzumerken, dass § 66 Abs. 2 FPG in der am 1. April 2009 in Kraft getretenen Fassung der Novelle 2009, BGBl. I Nr. 29, anzuwenden gewesen wäre. Dass die belangte Behörde insoweit von der nur bis 31. März 2009 geltenden Fassung ausging, bewirkt aber keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers (siehe dazu des Näheren das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2009/21/0174, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0167, sowie Punkt 2.3.2. und 2.3.3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348).

Nach der wiedergegebenen Bescheidbegründung hat die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung - anders als der Beschwerdeführer meint - ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts, auf die daraus ableitbare Integration des Beschwerdeführers und seine Berufstätigkeit ausreichend Bedacht genommen. Die in der Beschwerde weiters ins Treffen geführte Unbescholtenheit vermag an dem erzielten Ergebnis nichts zu ändern, steht den dargestellten Umständen doch das von der belangten Behörde zu Recht als hoch bewertete öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen entgegen. Davon ausgehend ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem erwähnten öffentlichen Interesse. Dabei kommt es auf den von der belangten Behörde - wie die Beschwerde zu Recht rügt - unzutreffend auch einbezogenen Umstand, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2005 schlepperunterstützt nach Österreich eingereist sein soll, nicht maßgeblich an (vgl. dazu schon das Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2004/21/0242, und daran anschließend etwa das Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0089, mwH).

Im Ergebnis ist schließlich auch die Ermessensübung unbedenklich, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes verlangt hätten.

Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. August 2010

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