VwGH 2010/21/0001

VwGH2010/21/000119.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, in der Beschwerdesache der N, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das als Ladungsbescheid bezeichnete Schriftstück der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Dezember 2009, Zl. III- 1202535/FrB/09, in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs3;
AVG §56;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VStG §24;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §21;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs3;
AVG §56;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VStG §24;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §21;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

K., der Ehemann der Beschwerdeführerin (beide sind Staatsangehörige Georgiens), reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10. Februar 2002 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. November 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und es wurde gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Eine dagegen erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 13. Jänner 2005 ab. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/19/0355, ab.

Die Beschwerdeführerin reiste am 20. April 2005 illegal gemeinsam mit ihrem Sohn Z, geboren am 3. August 2001, nach Österreich ein und beantragte ebenfalls die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß den §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien zulässig sei. Damit verband es gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. die Ausweisung der Beschwerdeführerin. Der Asylgerichtshof bestätigte mit Erkenntnis vom 17. September 2008 die Abweisung des Asylbegehrens sowie die wiedergegebene Feststellung, behob jedoch ersatzlos die Entscheidung über die Ausweisung nach § 8 Abs. 2 leg. cit. Dies begründete er damit, dass im Verfahren über das Asylbegehren des K. (Ehegatte der Beschwerdeführerin) auf Grund der zum damaligen Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage keine Ausweisung erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin sei mit K. und ihren beiden Söhnen (der zweite Sohn S wurde am 12. Juni 2007 in Österreich geboren) an derselben Adresse wohnhaft. Das Ausweisungsverfahren sei für die gesamte Familie durch die Fremdenbehörde zu führen. Die Ausweisung allein der Beschwerdeführerin greife in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben ein.

Mit der hier gegenständlichen, als Ladungsbescheid bezeichneten Erledigung der Bundespolizeidirektion Wien (belangten Behörde) vom 21. Dezember 2009 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, am 10. Februar 2010, um 09.00 Uhr, zum Fremdenpolizeilichen Büro zu kommen, um in der Angelegenheit "Sicherung der Ausreise gemäß § 46, § 67, § 76 und § 77 FPG" als Partei mitzuwirken. Dabei seien ein amtlicher Lichtbildausweis und "folgende Unterlagen: Reisepass, sprachkundige Vertrauensperson" mitzubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wurde die Erlassung eines Festnahmeauftrages nach § 74 Abs. 2 Z. 1 FPG angedroht. Als weitere Rechtsgrundlagen wurden § 19 AVG und § 77 Abs. 4 FPG angeführt.

Gegen diese Erledigung vom 21. Dezember 2009 richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt sowie eine Gegenschrift erstattet hat, und die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat der Beratung und Entscheidung zugeführt hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Ladung grundsätzlich nur eine das Verfahren betreffende Anordnung, der aber unter gewissen Voraussetzungen kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes der Charakter eines Bescheides eingeräumt ist. Voraussetzung dafür ist, dass im Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens des Vorgeladenen an die Ladung kraft Gesetzes unmittelbar Rechtsfolgen geknüpft sind, etwa dass diese einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel - nämlich den Titel für die Vollstreckung einer Zwangsstrafe oder der zwangsweisen Vorführung -

bildet. Die Vollstreckung der zwangsweisen Vorführung oder einer Zwangsstrafe ist gemäß § 19 Abs. 3 AVG u.a. nur zulässig, wenn sie in der Vorladung angedroht war (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 24. Februar 2011, Zl. 2010/21/0422, mwN).

Im vorliegenden Fall wurde in der Ladung keine der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Rechtsfolgen, sondern ausschließlich die Erlassung eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 FPG angedroht. Nach dieser Bestimmung kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, "wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs. 1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt".

Die Erlassung des hier konkret angedrohten Festnahmeauftrages knüpft demnach, anders als etwa im Fall des § 74 Abs. 2 Z. 4 FPG (vgl. dazu den genannten Beschluss vom 24. Februar 2011), nicht unmittelbar an die Nichtbefolgung der Ladung an. Da die hier angefochtene Ladung somit im Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens keine unmittelbar aus dem Gesetz resultierenden Rechtsfolgen nach sich zöge, für deren Vollstreckung schon diese Ladung einen rechtskräftigen Titel bilden würde, kann sie nur als einfache Ladung angesehen werden, der Bescheidcharakter nicht zukommt (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 19 Rz 5 und 22 mwN).

Daran vermag weder die Überschrift "Ladungsbescheid" noch die in der Erledigung enthaltene Androhung einer mittelbaren Zwangsfolge nach § 74 Abs. 2 Z. 1 FPG, deren Eintritt erst die Prüfung des Vorliegens der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen erforderte, noch der Hinweis auf die Möglichkeit, gegen "den Bescheid" Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, etwas zu ändern.

Voraussetzung der Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nämlich die Existenz eines anfechtbaren Bescheides. Da ein solcher nach dem Gesagten nicht vorliegt, war es - ungeachtet des in der Erledigung enthaltenen anders lautenden Hinweises - auch nicht möglich, dagegen zulässigerweise Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu führen.

Die dennoch erhobene Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Eine Entscheidung über den Aufwandersatz hatte gemäß § 59 Abs. 1 VwGG mangels Antragstellung durch die belangte Behörde zu unterbleiben. Anzumerken ist allerdings, dass trotz Zurückweisung der Beschwerde in einem Fall wie dem vorliegenden Aufwandersatz auch nicht gebührt (vgl. dazu neuerlich etwa den hg. Beschluss vom 24. Februar 2011, Zl. 2010/21/0422, mwN).

Wien, am 19. Mai 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte