Normen
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13;
AsylG 2005 §75 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13;
AsylG 2005 §75 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, beantragte am 30. März 2000 erstmals in Österreich unter dem Namen A und mit der Behauptung, Staatsangehöriger Sierra Leones zu sein, Asyl. Sein Vater habe Diamanten der Rebellen weiterverkauft. Eines Tages hätten Soldaten der ECOMOG sein Elternhaus niedergebrannt und nach ihm gesucht.
Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 31. März 2000 gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone für zulässig.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche von der belangten Behörde mit Bescheid vom 27. September 2000 gemäß § 32 Abs. 1 AsylG als verspätet zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Erkenntnis vom 29. März 2001, Zl. 2000/20/0472, als unbegründet abgewiesen.
Am 19. April 2000 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 12. Februar 2001 abgewiesen.
Am 31. Mai 2006 korrigierte der Beschwerdeführer in einem mit "Bekanntgabe meiner richtigen Identität" titulierten Schreiben an die Asylbehörden sowohl seinen Namen (nunmehr C) als auch seine Staatsangehörigkeit (nunmehr Nigeria) und legte eine Kopie seiner Geburtsurkunde vor.
Am 8. Juni 2006 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, seit seiner Einreise in Österreich im Jahr 2000 das Bundesgebiet nicht mehr verlassen zu haben. Als Fluchtgrund gab er an, an der Universität einer Geheimgesellschaft namens "Ogboni Fraternity" angehört zu haben, die an blutigen Ritualen und Frauenmissbrauch beteiligt gewesen sei. Nachdem er zum christlichen Glauben gefunden habe, sei er aus dieser Organisation ausgeschieden, woraufhin er von seinen ehemaligen Kollegen derart bedroht worden sei, dass er beschlossen habe, das Land zu verlassen. Diese Organisation sei sehr mächtig und habe Leute in der Polizei und der Regierung. Eine Änderung seiner Fluchtgründe sei seit seiner Ausreise aus Nigeria nicht eingetreten.
Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 27. Juni 2006 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nach Nigeria aus. Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass sich seit rechtkräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens der objektiv vorliegende Sachverhalt nicht geändert habe. Zum nun festgestellten Herkunftsland Nigeria führte das Bundesasylamt aus, dass die nigerianische Staatsangehörigkeit bereits im Erstverfahren - obwohl verschwiegen - dennoch objektiv schon bestanden habe und daher (auch diesbezüglich) kein geänderter Sachverhalt im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vorliege.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab. Der Beschwerdeführer habe keinen neuen Sachverhalt im Sinn von maßgeblich geänderten objektiven Umständen vorgebracht, der sich nach seiner ersten Asylantragstellung bzw. rechtskräftigen Entscheidung im ersten Rechtsgang ereignet habe. Seinem neuerlichen Asylantrag liege derselbe Sachverhalt (derselbe Ausreisegrund) zugrunde wie zum Zeitpunkt des Erstantrags, nur dass der Beschwerdeführer damals diesen Sachverhalt den Behörden nicht mitgeteilt habe. Dass sich "im angeblichen Herkunftsstaat, Nigeria," maßgebliche Änderungen ergeben hätten, welche für sich alleine einen neuen asylrelevanten Sachverhalt bewirken würden, sei nicht einmal behauptet worden. Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung sei weder ein konkretes Vorbringen erstattet worden noch habe sich die allgemeine Situation im nunmehr behaupteten Heimatland des Beschwerdeführers entscheidungsrelevant verändert. Darüber hinaus sei in Nigeria derzeit keine derart extreme Gefahrenlage gegeben, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben werde, eine Gefahr für Leib und Leben drohe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, dass sich seit der Stellung des Asylantrags vom 30. März 2000 die Rechtslage geändert habe und somit nicht von der Identität der Sache auszugehen sei. Die belangte Behörde habe sich nicht mit seinem Vorbringen im Rahmen des Antrags auf internationalen Schutz auseinandergesetzt.
Damit ist die Beschwerde - im Ergebnis - im Recht.
§ 75 Abs. 4 AsylG 2005 lautet:
"Ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 begründen in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG)."
Die belangte Behörde hat als Vergleichsbescheid, an dem Sachverhaltsänderungen zu messen sind, den über den Asylantrag vom 30. März 2000 ergangenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. März 2000 herangezogen. Entsprechend der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 4 AsylG 2005 konnte sie auch - entgegen der Beschwerdeansicht - davon ausgehen, dass jedenfalls hinsichtlich des Abspruchs über die Asylfrage die Heranziehung des noch nach der Rechtslage des Asylgesetzes 1997 in der Fassung vor der Novelle 2003 ergangenen Vergleichsbescheides vom 31. März 2000 zur Beurteilung, ob eine Identität der Sache vorliege, zulässig war.
Die belangte Behörde hat aber einerseits übersehen, dass nach dem Zeitpunkt der Erlassung des Vergleichsbescheides vom 31. März 2000 eine insofern relevante Änderung im Verhältnis zur davor geltenden Rechtslage eingetreten ist, als nunmehr der gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 8. Juni 2006 nicht nur auf die Zuerkennung von Asyl gerichtet war (siehe dazu fallbezogen das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0402, wonach als Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens die Gewährung von Asyl unabhängig vom Herkunftsstaat anzusehen sei, sowie bezogen auf die alte Rechtslage des AsylG 1997 auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zlen. 2004/01/0280, 0281, mwH), sondern ex lege auch (im Falle der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) als (eigenständiger) Parteiantrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten galt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/01/0344, mwN).
Andererseits enthielt der Vergleichsbescheid des Bundesasylamtes vom 31. März 2000 infolge der vom Beschwerdeführer im ersten Rechtsgang falsch angegebenen Staatsangehörigkeit aber keine Refoulement-Prüfung in Bezug auf den im Folgeverfahren nach dem AsylG 2005 festgestellten Herkunftsstaat Nigeria. Es war daher dem Bundesasylamt verwehrt, ohne fallbezogene Prüfung des Vorliegens subsidiärer Schutzgründe hinsichtlich Nigeria und ohne Vorliegen eines das Refoulement nach Nigeria betreffenden Bescheidspruches von der Annahme auszugehen, es habe über diese "Sache" bereits entschieden. Indem die belangte Behörde dies verkannte und stattdessen bloß auf "maßgebliche, einen neuen asylrelevanten Sachverhalt bewirkende Änderungen" im Herkunftsstaat Nigeria Bezug nahm, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtwidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 11. November 2010
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