VwGH 2010/18/0031

VwGH2010/18/003125.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des E in Wien, geboren am 20. März 1981, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Jänner 2010, Zl. E1/28.701/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
MRK Art6;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
MRK Art6;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. Jänner 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 18. Februar 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am 20. Februar 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Seit 30. Oktober 2009 sei das Asylverfahren durch eine Entscheidung des Asylgerichtshofes rechtskräftig negativ abgeschlossen, wobei dieser gleichzeitig festgestellt habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen.

Der Beschwerdeführer befinde sich mittlerweile seit fast acht Jahren in Österreich. Er mache weder berufliche Bindungen noch Sorgepflichten im Bundesgebiet geltend, bringe aber familiäre Bindungen zu einem Onkel und zu einer Tante, die ihn auch unterstützten, vor. Weiters mache er geltend, dass er sich in der Grundversorgung befinde. Nach einer Anfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - so die belangte Behörde weiter - scheine kein sozialversicherungsrechtlich relevantes Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers auf.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass - da sich der Beschwerdeführer seit rechtskräftiger negativer Beendigung seines Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich aufhalte - gemäß § 53 Abs. 1 FPG eine Ausweisung veranlasst werden könne, wenn dieser nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstünde.

Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Oktober 2009 jedoch gravierend. Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen werde auch dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer bisher lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz aufgrund eines Asylantrages - der sich als unberechtigt herausgestellt habe - verfügt habe.

Des Weiteren sei die Intensität der angeführten familiären Bindungen in Frage zu stellen, zumal die Tante des Beschwerdeführers seit August 2008 nicht mehr an der von diesem angeführten Adresse gemeldet und sein Onkel an der angegebenen Adresse nie gemeldet gewesen sei. Der Beschwerdeführer scheine daher über wesentliche Informationen betreffend seine Familie in Unkenntnis zu sein.

Es liege auch keinerlei Integration am heimischen Arbeitsmarkt vor. Der Beschwerdeführer habe den Großteil seines 28- jährigen Lebens in der Türkei bzw. in einem anderen Staat als Österreich verbracht. Trotz achtjähriger Abwesenheit vom Heimatland müsse aufgrund der Tatsache, dass in der Heimat die Eltern und zwei Geschwister des Beschwerdeführers lebten, zumindest von einer losen Bindung an den Heimatstaat Türkei ausgegangen werden. Insgesamt betrachtet - auch unter Einbeziehung des Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er zwar keinen Deutschkurs besucht habe, aber über Deutschkenntnisse verfüge - könne das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nur als relativ gering gewertet werden.

Soweit der Beschwerdeführer ausführe, in seinem Heimatland habe er als Kurde Verfolgung und Haft zu befürchten, so sei dem entgegenzuhalten, dass durch die Ausweisung aus Österreich nicht ausgesprochen werde, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land ausgewiesen oder abgeschoben werde.

Außer der strafgerichtlichen Unbescholtenheit sprächen zu Gunsten des Beschwerdeführers keine sonstigen besonderen Umstände, welche die belangte Behörde hätten veranlassen können, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages durch Entscheidung des Asylgerichtshofes im Oktober 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Die Beschwerde führt aus, der Beschwerdeführer habe "nach den EU Vorschriften ein gewisses Recht erworben nicht mehr abgeschoben zu werden da nach den EU Vorschriften, die auch in Österreich gelten dürfte ich nicht aus Österreich ausgewiesen abgeschoben oder Vertrieben werden dürfte".

Damit lässt die Beschwerde allerdings völlig im Unklaren, aus welchen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der Beschwerdeführer eine der gegenständlichen Ausweisung gemäß § 53 FPG allenfalls entgegenstehende Aufenthaltsberechtigung ableiten möchte; ausgehend von den in der Beschwerde nicht bestrittenen, oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist eine derartige Aufenthaltsberechtigung jedenfalls auszuschließen.

2.1. Die Beschwerde wendet sich erkennbar auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, er habe eine Bindung zu seiner Familie, sein Onkel unterstütze ihn und bezahle seine Unterkunft und die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien "ausreichend".

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 122/2009) den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit fast acht Jahren berücksichtigt und ist insofern zutreffend von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch schon dadurch an Gewicht zu relativieren, dass dieser Aufenthalt bis Oktober 2009 nur aufgrund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unberechtigt herausgestellt hat, erlaubt war und seit diesem Zeitpunkt unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2010/18/0003, mwN, sowie § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG).

Auch wenn man mit der Beschwerde eine familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Onkel, der den Beschwerdeführer unterstütze, zugrunde legt, so ist dieses Familienleben in Österreich jedenfalls zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer in Hinblick auf sein offenes Asylverfahren seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG).

Die Beschwerde stellt auch nicht in Abrede, dass dem Beschwerdeführer eine Integration in den inländischen Arbeitsmarkt bislang nicht möglich war, sodass der Grad der Integration des Beschwerdeführers (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) - auch unter Berücksichtigung der von ihm ins Treffen geführten ausreichenden Deutschkenntnisse - nicht als besonders ausgeprägt zu beurteilen ist. Auch das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sei, vermag das Gewicht seines persönlichen Interesses an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht zu verstärken (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, mwN).

Den somit relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich seit Oktober 2009 unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt. In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG zulässig sei, keinem Einwand.

3. Schließlich sind - entgegen der Beschwerdeansicht - auch keine Umstände ersichtlich, welche die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von ihrem Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

4. Soweit die Beschwerde ausführt, der Beschwerdeführer würde in der Türkei sofort "verhaftet und malträtiert werden", weil er als Kurde dort keinerlei Möglichkeit zu leben habe, bringt sie offenbar eine Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 und 2 FPG vor; damit ist der Beschwerdeführer allerdings auf das Feststellungsverfahren nach § 51 FPG zu verweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/18/0010).

5. Eine Verletzung des Art. 6 EMRK kommt - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - schon deshalb nicht in Betracht, weil fremdenpolizeiliche Maßnahmen nicht dem Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK unterliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0131, mwN). Die belangte Behörde war auch nicht verpflichtet, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen und den Beschwerdeführer persönlich zu befragen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2006/18/0024, mwN).

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Eine - wie in der Beschwerde auszugsweise beantragte - Abtretung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sieht das B-VG nicht vor.

8. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 25. Februar 2010

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