VwGH 2010/16/0131

VwGH2010/16/013129.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführers MMag. Wagner, über die Beschwerde des YP in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 15/9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 10. Mai 2010, GZ. RV/0817- W/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Juli 2006 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der P GmbH im Ausmaß von EUR 56.466,91 heran. Der Haftungsbescheid wies im Adressfeld den Beschwerdeführer zu Handen eines steuerlichen Vertreters aus. Der Rückscheinbrief über die Zustellung des Bescheides war an den Beschwerdeführer als Adressaten (an seine Wohnanschrift) gerichtet. Laut der Übernahmsbestätigung auf dem Rückschein wurde der Haftungsbescheid am 3. August 2006 von einem "Arbeitnehmer des Empfängers" übernommen.

Mit einem am 20. Oktober 2006 beim Finanzamt einlangenden Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer gegen die Haftungsinanspruchnahme Berufung, mit der er auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung betreffend die Versäumung der Berufungsfrist verband. Darin brachte der Beschwerdeführer vor, er habe keine Kenntnis vom Haftungsbescheid bekommen, weil dieser Bescheid, so wie alle anderen Poststücke von einem Familienmitglied übernommen worden sei. Er sei von seiner Ehefrau geöffnet, ihm allerdings nicht vorgelegt, sondern zu "diversen Steuerunterlagen abgelegt" worden, weil sich aus diesem Haftungsbescheid ergeben habe, dass dieser zu Handen seines Steuerberaters zugestellt worden sei. Seine Ehegattin sei davon ausgegangen, dass der Steuerberater die Angelegenheit ohnehin bekämpfen werde. Erst nach Zustellung des Pfändungsbescheides und Verfügungsverbotes habe er mit seinem Steuerberater Kontakt aufgenommen, wobei sich herausgestellt habe, dass dieser den mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen Haftungsbescheid nicht erhalten habe.

Mit Bescheid vom 23. April 2007 gab das Finanzamt dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge. Ebenfalls mit Bescheid vom 23. April 2007 wies das Finanzamt die Berufung gegen den Haftungsbescheid wegen Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 273 Abs. 1 BAO zurück.

Mit Bescheid vom 14. September 2007 wies die belangte Behörde die Berufungen gegen die genannten Bescheide als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, eine Bevollmächtigung des Steuerberaters zur Empfangnahme von Schriftstücken für den Beschwerdeführer iSd § 9 ZustellG sei nicht erteilt worden. Wegen fehlender Zustellungsvollmacht sei der Haftungsbescheid daher direkt an den Beschwerdeführer zuzustellen gewesen. Dass der Haftungsbescheid entgegen seiner Adressierung tatsächlich an den Beschwerdeführer zugestellt worden sei, stelle im Hinblick auf die fehlende Zustellungsvollmacht keinen Mangel dar, zumal der Bescheid nach der Zustellverfügung für den Beschwerdeführer bestimmt gewesen sei. Unzweifelhaft sei der Haftungsbescheid am 3. August 2006 zugestellt worden, weil die Ersatzzustellung iSd § 16 Zustellgesetz wirksam geworden sei. Die Übernahme des Briefes sei nicht an der Wohnadresse des Beschwerdeführers, sondern auf Grund eines Nachsendeauftrages an der Geschäftsadresse durch Übernahmsbestätigung von einem Arbeitnehmer der GmbH erfolgt, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei.

Mit Erkenntnis vom 24. Februar 2010, Zl. 2007/13/0126, hob der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid vom 14. September 2007, soweit er die Zurückweisung der Berufung betraf, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt, dass der Haftungsbescheid vom 25. Juli 2006 durch Ersatzzustellung iSd § 16 ZustellG am 3. August 2006 wirksam zugestellt worden sei. Die Übernahme der Postsendung sei nämlich - nach den Feststellungen der belangten Behörde - durch einen Arbeitnehmer der GmbH erfolgt, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei.

Mit dieser Annahme zur wirksam gewordenen Bescheidzustellung am 3. August 2006 habe die belangte Behörde allerdings die Rechtslage verkannt. § 16 Abs. 2 Zustellgesetz nenne zwar als tauglichen Ersatzempfänger u.a. den Arbeitnehmer des Empfängers. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sei die Postsendung allerdings nicht von einem Arbeitnehmer des Beschwerdeführers (an den persönlich der Rückschein adressiert gewesen sei), sondern von einem Arbeitnehmer der GmbH übernommen worden. Damit sei aber keine wirksame Ersatzzustellung vorgelegen.

Mangels wirksamer Zustellung des Haftungsbescheides habe auch die Berufungsfrist, gegen deren Versäumung sich der Wiedereinsetzungsantrag gerichtet habe, nicht zu laufen beginnen können. Läge keine Fristversäumung vor, so wäre der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der Antragsteller werde nicht in seinen Rechten verletzt, wenn sein Antrag in einem solchen Fall nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen werde. Die Beschwerde sei daher, soweit sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffe, als unbegründet abzuweisen gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom 23. April 2007 neuerlich als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und anzuwendender Rechtsvorschriften aus:

"Wie im Sachverhalt ersichtlich und auch vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Februar 2010 festgestellt, wurde der angefochtene Bescheid laut Übernahmsbestätigung auf dem Rückschein am 3. August 2006 von einem Arbeitnehmer des Bw., an den persönlich der Rückschein adressiert war, übernommen."

Da § 16 Zustellgesetz u.a. den Arbeitnehmer als tauglichen Ersatzempfänger nenne, liege eine wirksame (Ersatz-)Zustellung vor. Die Berufungsfrist habe daher am 4. September 2006 geendet. Dem Zurückweisungsbescheid vom 23. April 2007 laste daher keine Rechtswidrigkeit an. Mangels Vorliegens einer Zustellvollmacht sei der Haftungsbescheid auch direkt an den Beschwerdeführer zuzustellen gewesen. Dass der Haftungsbescheid entgegen seiner Adressierung tatsächlich an den Beschwerdeführer zugestellt worden sei, stelle im Hinblick auf die fehlende Zustellvollmacht keinen Mangel dar, zumal der Bescheid nach der Zustellverfügung auch für den Beschwerdeführer bestimmt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen in seinem Recht verletzt, dass "der UFS gemäß der Entscheidung des VwGH vorgeht und die Rechtsmeinung des VwGH der Entscheidung als bindend zu Grunde legt".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Hat der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben, sind die Verwaltungsbehörden nach § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Bei Erlassung des Ersatzbescheides ist die Behörde an die vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht gebunden; der obsiegende Beschwerdeführer hat ein subjektives Recht auf Beachtung der Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/03/0096).

Im Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof durch das Vorerkenntnis der belangten Behörde die Rechtsansicht überbunden, dass keine Ersatzzustellung an den Beschwerdeführer erfolgt ist, wenn der Haftungsbescheid durch einen Arbeitnehmer der GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, übernommen wurde.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde interpretiere das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2010 völlig falsch, indem behauptet werde, der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass der Haftungsbescheid am 3. August zugestellt worden sei. Dies sei unrichtig. Darüber hinaus habe die belangte Behörde keinen zum Vorerkenntnis abweichenden Sachverhalt festgestellt.

Dem Beschwerdeführer ist insofern zuzustimmen, als sich die belangte Behörde nicht auf eine Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes über die Eigenschaft der Person, welche den Haftungsbescheid tatsächlich übernommen hat, stützen konnte, weil dem Erkenntnis eine solche Feststellung nicht zu entnehmen ist. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich zum Ausdruck gebracht, dass unter Zugrundlegung der im Bescheid vom 14. September 2007 von der belangten Behörde getroffenen Feststellung, dass der Zurückweisungsbescheid durch einen Arbeitnehmer der GmbH übernommen worden sei, eine Zustellung des Haftungsbescheides an den Beschwerdeführer nicht bewirkt worden sein konnte.

Die belangte Behörde hat im nunmehr angefochtenen Bescheid allerdings die Feststellung getroffen, dass der Haftungsbescheid von einem Arbeitnehmer des Beschwerdeführers übernommen wurde - und nicht wie in ihrem Bescheid vom 14. September 2007 - von einem Arbeitnehmer der GmbH. Damit ist die belangte Behörde aber nunmehr von einem anderen Sachverhalt ausgegangen. Die Richtigkeit dieser Sachverhaltsfeststellung wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht in Abrede gestellt.

Ist aber im nunmehrigen Beschwerdefall davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer des Beschwerdeführers den Bescheid übernommen hat, so kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde von einer wirksamen Zustellung an einen tauglichen Ersatzempfänger für den Beschwerdeführer ausgegangen ist.

Darüber hinaus ist zum übrigen Beschwerdevorbringen noch Folgendes anzumerken:

Wenn der Beschwerdeführer sich gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid, der Steuerberater des Beschwerdeführers habe für das Haftungsverfahren keine Zustellungsvollmacht besessen, lediglich mit dem Vorbringen wendet, dies sei "widersprüchlich", weil dessen Vollmacht offenbar ausgereicht habe, eine (nicht näher genannte) "Mahnung vom 26.9.06 an den Steuerberater zuzustellen", so behauptet er damit noch nicht, dem Steuerberater für das Haftungsverfahren tatsächlich eine Zustellungsvollmacht erteilt zu haben. Selbst wenn er diesen etwa für "alle Verfahren vor der Abgabenbehörde des Bundes" bevollmächtigt hätte, so wäre diese Vollmacht nur in dem Verfahren, in dem auf sie hingewiesen wurde, zu beachten gewesen (vgl. Ritz, BAO3, Tz 19 zu § 9 ZustellG). Ohne einen ausdrücklichen Hinweis wäre auch eine solche Vollmacht - deren Erteilung vom Beschwerdeführer aber auch nicht behauptet wird - für das Haftungsverfahren nicht von Bedeutung.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. September 2010

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