VwGH 2010/13/0159

VwGH2010/13/015926.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Mag. S in W, vertreten durch die Apellator Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Schenkenstraße 4/6. Stock, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 18. August 2010, Zl. RV/0530- W/05, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2000, zu Recht erkannt:

Normen

LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z1;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z2;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z1;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, nämlich betreffend Umsatzsteuer 2000, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom 29. Oktober 2002 setzte das Finanzamt Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2000 - wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen basierend auf einer Schätzung - (jeweils vorläufig gemäß § 200 Abs. 1 BAO) fest.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufung und übermittelte gleichzeitig Steuererklärungen für das Jahr 2000.

Das Finanzamt wandte sich daraufhin mit einem Ersuchen um Ergänzung betreffend die Liegenschaft in B an die Beschwerdeführerin. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass der Betrieb des Gasthauses in B als Liebhaberei gewertet werde, sollte der Vorhalt nicht umfassend beantwortet werden.

Mit Eingabe vom 8. November 2004 beantwortete die Beschwerdeführerin den Vorhalt und legte hiezu Urkunden vor.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Dezember 2004 gab das Finanzamt der Berufung teilweise statt. Begründend führte das Finanzamt aus, der Berufung werde insoweit stattgegeben, als nunmehr die vorgelegten Erklärungen grundsätzlich für die Veranlagung herangezogen würden. Abweichend von diesen Erklärungen werde aber das Gasthaus in B nicht als Einkunftsquelle anerkannt. Das Gasthaus werde nicht marktgerecht bewirtschaftet und sei auch in der Vergangenheit nie marktgerecht bewirtschaftet worden. Die Verpachtung lasse in ungewöhnlichem Ausmaß jede Fremdüblichkeit vermissen, sodass diese nur aus anderen Gründen - nicht jedoch zur Erzielung von Einkünften - vorgenommen worden sei. Die entsprechenden Verluste seien daher nicht anzuerkennen. Ebenso würden die erklärten Umsätze berichtigt; die damit zusammenhängenden Vorsteuern seien nicht abzugsfähig.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte die erstinstanzlichen Bescheide ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens zur Einkommensteuer im Wesentlichen aus, strittig sei die Frage, ob die Führung des Gasthauses als Liebhaberei zu werten sei. Hiezu werde festgestellt, dass das Gasthaus im Jahr 1980 um 500.000 S erworben und in den Folgejahren umgebaut worden sei. Der Gasthof sei teils von der Beschwerdeführerin selbst betrieben worden, teils sei er verpachtet und teils ruhend gemeldet gewesen. Zwischenzeitig sei wiederholt versucht worden, den Gasthof zu verkaufen. Trotz "verschiedenster Bemühungen" sei es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, den Betrieb in die Gewinnzone zu führen. In den Jahren 1984 bis 2000 sei ein Gesamtverlust von ca. S 4,8 Mio angefallen. In den Jahren 2001 bis 2005 habe die Beschwerdeführerin weitere Verluste von ca. 839.000 S erwirtschaftet. Danach habe sie keine Erklärungen mehr beim Finanzamt abgegeben, sondern lediglich Pensionseinkünfte bezogen.

Im Vorlageantrag vom 28. Februar 2005 habe die Beschwerdeführerin angegeben, das Gasthaus nicht mehr als solches vermieten, sondern das Gebäude nicht gastronomischen Zwecken zuführen zu wollen (Vermietung an ein Versandhandelsunternehmen).

Die Beschwerdeführerin habe damit seit dem Jahr 1980 bis zur Beendigung ihrer gewerblichen Tätigkeit im Jahr 2005 insgesamt nur Verluste erzielt. Auch wenn das persönliche Streben der Beschwerdeführerin, den Gasthof "trotz aller Widrigkeiten zu führen bzw. zu erhalten, durchaus anerkannt und gewürdigt" werde, komme es bei der Beurteilung, ob (ertragsteuerrechtlich) Liebhaberei vorliege, nicht auf die subjektiven Absichten des einzelnen Steuerpflichtigen an; es sei vielmehr ein objektiver Maßstab anzuwenden. Objektiv gesehen sei der Betrieb zu keiner Zeit geeignet gewesen, Gewinne abzuwerfen; dies sei auch nie gelungen. Es sei daher nicht vom Vorliegen einer Einkunftsquelle auszugehen. Demzufolge seien die beantragten Verluste nicht ausgleichsfähig.

Bei Betätigungen, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach als Gewerbebetrieb oder selbständige Arbeit zu qualifizieren seien, sei - so die belangte Behörde zur Umsatzsteuer - das Vorliegen einer Einkunftsquelle zu vermuten; in Ausnahmefällen könne dennoch Liebhaberei anzunehmen sein.

Das Gasthaus sei 1980 angekauft und in den beiden Folgejahren umgebaut worden. Im Jahr 1982 sei eine Beratung der Wirtschaftskammer in Anspruch genommen worden; sodann sei das Gasthaus von der Beschwerdeführerin selbst betrieben worden. Aufgrund des Todes des Ehemannes der Beschwerdeführerin sei der Betrieb 1984 verpachtet worden. Wegen Nichtbezahlung des Pachtzinses sei der Vertrag gelöst worden; es sei sodann erfolglos versucht worden, den Betrieb zu verkaufen. Am 21. August 1987 habe die Beschwerdeführerin die Konzession zum Betrieb eines Gasthauses erhalten und habe dieses bis November 1987 betrieben. In der Folge sei das Gasthaus bis Sommer 1988 geschlossen gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin das Gasthaus wieder selbst betrieben. Zwischen Ende 1989 und Sommer 1990 sei der Betrieb wieder - "unter Verlust des Pachtschillings" - verpachtet gewesen. Ab 1991 sei das Gasthaus mit Hilfe eines kroatischen Flüchtlings betrieben und wiederum eine Beratung der Wirtschaftskammer in Anspruch genommen worden. Nach einem Unfall und dem Ausscheiden des Arbeitnehmers 1998 sei der Betrieb wieder geschlossen worden; die Beschwerdeführerin habe erneut versucht, den Betrieb zu verkaufen. Im Jahr 2000 sei der Betrieb neuerlich verpachtet worden, wobei als Pachtbeginn Mitte des Jahres 2001 vorgesehen gewesen sei; dieser Pachtvertrag sei 2002 wieder gelöst worden.

Das Gasthaus sei, weil es sich in einer "sterbenden Gegend" (starke Abwanderung, Überalterung der Bevölkerung) befinde, nicht rentabel zu führen gewesen. Auch die Beschwerdeführerin selbst sei wegen der Mehrfachbelastung (allein erziehende Mutter nach dem Tod des Ehemanns, mehrere Berufe) und gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht in der Lage gewesen, diesen Betrieb selbst nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen oder diesen angemessen zu verpachten oder zu verkaufen. Dies zeige sich auch in der "unprofessionellen Handlungsweise" des Abschlusses eines Pachtvertrages im Jahr 2000 mit einem kroatischen Pächter, der zu diesem Zeitpunkt weder eine Aufenthaltserlaubnis noch einen Gewerbeschein gehabt habe.

Obwohl die Beschwerdeführerin immer wieder versucht habe, den Betrieb weiter zu führen, zeige genau diese Vorgangsweise, dass dies nicht aus unternehmerischen, sondern aus privaten Gründen erfolgt sei. Ein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnder Unternehmer hätte einen derartigen Betrieb stillgelegt. Für diesen Standpunkt spreche auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführerin aus den diversen anderen Einkünften (Dolmetschbüro, nichtselbständige Arbeit, Vermietung und Verpachtung) ausreichend Geldmittel zur Verfügung gestanden seien, die sie befähigt hätten, auch einen Verlustbetrieb weiter zu erhalten. Trotz der grundsätzlichen Einreihung des Betriebs eines Gasthauses als Gewerbebetrieb (und folglich als eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO) komme die belangte Behörde zur Ansicht, dass aufgrund der Art und Weise, wie die Beschwerdeführerin das Gasthaus betrieben habe, "in diesem speziellen Fall" eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 LVO vorliege, weshalb auch umsatzsteuerlich Liebhaberei anzunehmen sei. Somit seien sowohl die erzielten Umsätze als auch die damit in Zusammenhang stehenden Vorsteuern aus der Berechnung der Umsatzsteuer auszuscheiden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht verletzt, nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1994 besteuert zu werden; sie habe das Recht, als Unternehmer im Sinne von § 2 UStG 1994 behandelt zu werden.

Damit wendet sich die Beschwerde - entgegen dem zu weit gefassten Aufhebungsantrag - lediglich insoweit gegen den angefochtenen Bescheid, als mit diesem über Umsatzsteuer abgesprochen wurde.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Nach § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 gilt eine Tätigkeit, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten lässt (Liebhaberei), nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit.

Gemäß § 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993, (LVO) kann Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn nur bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 der Verordnung, nicht hingegen bei anderen Betätigungen vorliegen.

§ 1 Abs. 2 LVO (idF BGBl. II Nr. 358/1997) lautet:

"Liebhaberei ist bei einer Betätigung anzunehmen, wenn Verluste entstehen

1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (zB Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen oder

2. aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind oder

3. aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten.

Die Annahme von Liebhaberei kann in diesen Fällen nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 ausgeschlossen sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen."

Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid resümierend aus, trotz der grundsätzlichen Einreihung des Betriebes eines Gasthauses als Gewerbebetrieb, und folglich als eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO, liege aufgrund der Art und Weise, wie die Beschwerdeführerin das Gasthaus betrieben habe, in diesem speziellen Fall eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 LVO vor; sie habe den Betrieb "aus persönlicher Vorliebe" geführt.

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:

§ 1 Abs. 2 Z 1 und 2 LVO (dass ein Fall der Z 3 vorliege, wird auch von der belangten Behörde nicht angenommen) stellen nicht auf das konkrete Verhalten des Abgabepflichtigen, sondern auf abstrakte Eigenschaften der Wirtschaftsgüter und der entfalteten Tätigkeiten ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, 2005/13/0077). § 1 Abs. 2 Z 2 LVO verlangt, dass die Tätigkeit typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist. Was grundsätzlich erwerbswirtschaftlich ist, kann keine Tätigkeit sein, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist. Auf eine Betrachtung des konkreten Falles kommt es bei Anwendung des § 1 Abs. 2 Z 2 LVO nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, 96/14/0117, VwSlg. 7499/F). Ebenso muss es sich bei Wirtschaftsgütern iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO um solche handeln, die nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung geeignet sind und typischerweise (also wiederum nicht nach den konkreten Umständen) einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen.

Dass der Betrieb einer Gastwirtschaft (oder die Verpachtung eines solchen Betriebes) typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen würde (wie etwa der Betrieb einer Nebenerwerbslandwirtschaft; vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2008/15/0059, mwN), nimmt auch die belangte Behörde - zutreffend - nicht an.

Damit scheidet aber Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn gemäß § 6 LVO aus.

Der angefochtene Bescheid war daher - im angefochtenen Umfang (Umsatzsteuer 2000) - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 26. November 2014

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