VwGH 2010/12/0098

VwGH2010/12/009830.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, in der Beschwerdesache des HR in G, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. Jänner 2010, Zl. Präs. 33812/2009-1 betreffend Ruhegenussbemessung, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §23;
VwGG §24;
VwGG §28;
VwGG §29;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §34 Abs4 idF 2008/I/004;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird keine Folge gegeben.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Mit am 12. Mai 2010 zur Post gegebenen Schriftsätzen beantragte der Beschwerdeführer zum einen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den oben zitierten Bescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 2010, und holte zum anderen die Bescheidbeschwerde nach.

Der Wiedereinsetzungsantrag wird wie folgt begründet (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof;

Unvollständigkeiten und Hervorhebungen im Original):

"1) Sachverhalt

Der Bescheid vom 21.01.2010, GZ Präs. 33812/2009-1, wurde dem

nunmehrigen Beschwerdeführer am 04.02.2010 zugestellt.

Am 15.02.2010 bevollmächtigte und beauftragte der

Beschwerdeführer die Kanzlei K mit der Erhebung der Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Geht man davon aus, dass der Bescheid zu GZ Präs. 33812/2009- 1 vom 21.01.2010 am 04.02.2010 zugestellt wurde, endete die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels der Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof spätestens am 18.03.2010.

Am 01.03.2010 wurde die Bescheidbeschwerde vom Rechtsvertreter verfasst, anwaltlich unterschrieben und zur Weiterleitung per Einschreiben an den Verwaltungsgerichtshof den zuständigen Kanzleikräften mit Hinweis, noch die Gebühr in der Höhe von EUR 220 zur Überweisung zu bringen, übergeben.

Wie sich erst jetzt am 03.05.2010 herausstellte, wurde die Postsendung, mit der auch die betreffende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde abgesendet wurde, falsch kuvertiert und wurde daher nie beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

2) Interne Abläufe betreffend einlangende Post

Die konkreten, internen Arbeitsabläufe betreffend die Kanzleiangestellten, die Postsendungen übernehmen, funktionieren seit Jahren einwandfrei und unterliegen zudem einer Sechs-Augen-Kontrolle. Zu der Organisation für die Wahrung jeglicher Fristen in der Kanzlei des Antragstellers ist Folgendes zu erläutern:

Die Überprüfung jeglichen Posteinganges und die Fristvormerkung erfolgt zentral über eine von drei dafür geschulten Kanzleiangestellte. Postsendungen werden beim Empfang übernommen und unverzüglich von der Juristischen Mitarbeiterin Mag. N, einer Juristin, geöffnet. Danach werden die Kuverts von den Schriftstücken getrennt und jeweils gleichzeitig mit einem Eingangsstempel versehen. Fristen werden weiters von der dafür zuständigen Kanzleiangestellten edv-mäßig im Aktenverwaltungsprogramm unverzüglich eingegeben und damit zuerst edv-mäßig erfasst sowie im Anschluss zusätzlich im jeweiligen Handakt auf dem bezughabenden Schriftstück handschriftlich vermerkt. Danach werden die jeweiligen gestempelten Schriftstücke dem jeweiligen Akt zugeordnet, welcher im Anschluss dem zuständigen Anwalt vorgelegt wird.

Als Frist wird nicht der allerletzte Tag der Frist, sondern der jeweils davorliegende Werktag (mit dem Zusatz '101') eingetragen. Die in der EDV so erfassten Fristen werden unmittelbar am selben Tag als Liste ausgedruckt, kontrolliert und in der Kanzlei verwahrt. Zusätzlich erfolgt anhand dieser Liste ein Eintrag in einem handschriftlich geführten Fristenbuch. Am jeweiligen Tag der Frist wird eine sogenannte 'Terminliste', welche aus dem EDV-System generiert wird, an einer für die Kanzleimitarbeiter bzw. Rechtsanwälte zugänglichen Stelle ausgehängt.

Zur Sicherung der Wahrung der erfassten Fristen erfolgt am Tag der jeweiligen Frist durch die wiederum zuständige Kanzleiangestellte eine persönliche Erinnerung des zuständigen Rechtsanwaltes bzw. Sachbearbeiters. Im Falle der Nichterledigung am sozusagen 'vorletzten Tag' der Frist, wird diese auf den allerletzten Tag der Frist mit dem Zusatz '102' weitergetragen.

Die jeweilige Frist wird erst nach Absenden des Schriftstückes aus der Terminliste ausgestrichen und im EDV-System als erledigt ausgetragen.

Der Vermerk über die Erfassung der Frist wird vom jeweils zuständigen Rechtsanwalt anhand des Handaktes kontrolliert und bei einem Fehler die Korrektur der Eintragungen im EDV-System und im Fristenbuch angeordnet. Zusätzlich erfolgt stichprobenweise eine Kontrolle der Eintragungen im EDV-System.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frist auch erfasst, sowohl im EDV-System als auch im Fristenbuch und im Handakt.

Der Rechtsvertreter des Antragstellers ist zudem bei der Kontrolle des Handaktes davon ausgegangen, dass die Beschwerde eingebracht worden war, lag der einzubringende Entwurf anwaltlich unterschrieben im Akt. Eine Kontrolle der Eintragung im EDV-System erfolgte im gegenständlichen Fall nicht. Der Handakt wurde daher im Hinblick auf das noch ausständige Erkenntnis im dafür vorgesehenen Verwahrungssystem für alle offenen Akten abgelegt. Weiters wurde beim gegenständlichen Akt, wie in der Kanzlei des Antragstellers vorgesehen, im EDV-System eine Kalendierung zur bloßen Wiedervorlage des Handaktes (ohne Fristvermerk) eingetragen. Dies erfolgt je nach Anweisung des zuständigen Rechtsanwaltes bzw. des Sachbearbeiters, in Ermangelung dessen etwa in monatlichen Abständen.

Im Hinblick auf die Vielzahl der vom Rechtsvertreter des Antragstellers bearbeiteten und zu bearbeitenden Akten ist die Nichteinbringung, weil eben der anwaltlich unterschriebene Entwurf, der zur Einbringung auch freigegeben wurde, nicht aufgefallen. Der Rechtsvertreter des Antragstellers hat daher in Wahrheit Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde daher nicht wahrgenommen, sondern konnte erst jetzt durch Kenntnis der falsch kuvertierten Beschwerde, reagieren.

Die danach umgehend eingeleiteten Erhebungen des Rechtsvertreters haben ergeben, dass die zur Fristerfassung zuständige Kanzleiangestellte ihrer Erinnerung nach die Bescheidbeschwerde unterschrieben mit dem Hinweis der Freigabe und noch einzuzahlender Gebühr erhalten hat. Festzuhalten ist, dass es sich bei der zur Fristerfassung zuständigen Kanzleiangestellten um eine ausgesprochen pflichtbewusste und verlässliche Mitarbeiterin handelt. Allfällige Fehler, wie die Nichterfassung von Daten und insbesondere Fristen oder das falsche Kuvertieren, sind dieser Kanzleiangestellten bis zum gegenständlichen Vorfall keinesfalls unterlaufen und konnten der Rechtsvertreter bzw. andere Mitarbeiter der Kanzlei auf die ordnungsgemäße Ausführung auch vertrauen.

Dem Rechtsvertreter selbst ist in seiner langjährigen selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt kein derartiges Versäumnis einer Frist unterlaufen.

Wie und warum es zu einer falschen Kuvertierung kam, kann nicht mehr nachvollzogen werden, auch wurde die Gebühr nie eingezahlt, was erst nach neuerlicher Vorlage des Aktes dem zuständigen Rechtsanwalt auffiel, der sodann auch unverzüglich reagierte.

Aus all diesen Gründen trifft weder den Rechtsvertreter des Antragstellers noch die in seiner Kanzlei zur Fristerfassung zuständigen Kanzleiangestellten ein erhebliches, grobes Verschulden an der Versäumnis der Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde. Ein allfälliges Versehen minderen Grades steht einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen."

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG idF BGBl. Nr. 564/1985, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat den Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 22. Jänner 1987, Zlen. 86/16/0245, 0246, mwN, weiters auch die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0003 und vom 24. Februar 1994, Zl. 92/10/0392, sowie schließlich den hg. Beschluss vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/16/0311).

Dies ist jedoch vorliegendenfalls nicht geschehen, zumal dem Wiedereinsetzungsantrag weder Bescheinigungsmittel angeschlossen sind, noch entsprechende Beweisanbote zur Aufnahme von Bescheinigungsmittel gestellt wurden. Insbesondere fehlt auch die namentliche Nennung jener Person, der der Auftrag zur Postaufgabe der vorliegenden Beschwerde erteilt wurde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/05/0065).

Das Fehlen der Angaben zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsvorbringens stellt keinen Form- bzw. Inhaltsmangel infolge der Verletzung der §§ 23, 24, 28 oder 29 VwGG dar, welcher gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 4 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008 einer Verbesserung zugänglich wäre (vgl. zum Begriff der Mängel gemäß § 13 Abs. 3 AVG im Zusammenhang mit Anträgen nach § 71 Abs. 1 Z. 1 leg.cit. auch die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 2006, Zl. 2005/09/0015 = VwSlg. 16834 A/2006, und vom 19. Februar 2009, Zl. 2006/18/0080). Es führt vielmehr zur Nichtstattgebung des Antrages (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss vom 22. Jänner 1987).

Im Übrigen fehlt es aber im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag auch an hinreichend präzisen Angaben darüber, aus welchen Umständen der Beschwerdevertreter überhaupt auf einen Kuvertierungsfehler einer Kanzleikraft als Ursache für die Fristversäumnis schließen konnte. Insbesondere gibt es kein präzises Vorbringen dahingehend, dass die in Rede stehende Beschwerde etwa auf Grund eines Kuvertierungsfehlers wieder an die Kanzlei des Beschwerdevertreters zurückgeleitet worden wäre. Ebenso wenig ist dem Wiedereinsetzungsvorbringen zu entnehmen, welche organisatorische Vorkehrungen in der Kanzlei des Beschwerdevertreters getroffen wurden, um sicher zu stellen, dass die - behauptetermaßen erst nach Absenden des Schriftstückes erfolgende - Austragung der Frist aus der Terminliste und im EDV-System nur in Ansehung jener Schriftstücke erfolgt, die auch tatsächlich kuvertiert und abgesendet wurden. In diesem Zusammenhang wären insbesondere auch Darlegungen erforderlich gewesen, weshalb in Ansehung der behauptetermaßen eingeschrieben abzusendenden Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde insoweit keine Abklärung zwischen der zu löschenden Frist und dem Vorhandensein eines Beleges über die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete eingeschriebene Sendung vorzunehmen war bzw. vorgenommen wurde.

Aus diesen Erwägungen war dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat keine Folge zu geben.

Danach erweist sich aber die mit dem Wiedereinsetzungsantrag unter einem nachgeholte Beschwerde als verspätet. Sie war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2010

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