VwGH 2010/08/0244

VwGH2010/08/024422.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der I L in G, vertreten durch Mag. Peter Skolek, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Wiener Straße 2/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Oktober 2010, Zl. GS5-A-949/090-2010, betreffend Feststellung der Beitragsgrundlagen und Beitragsvorschreibung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Hartmanngasse 2b), zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949 §1;
GSVG 1978 §25 Abs7;
VwRallg;
AHG 1949 §1;
GSVG 1978 §25 Abs7;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. Oktober 2010 stellte die belangte Behörde fest, dass die endgültige monatliche Beitragsgrundlage in der Kranken- und Pensionsversicherung vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 2009 gemäß §§ 25, 25a GSVG EUR 4.690,-- betrage. Die Beschwerdeführerin sei verpflichtet, für diesen Zeitraum gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, § 27a, § 27d und § 27 Abs. 1 Z 2 GSVG monatliche Beiträge in Höhe von EUR 358,79 zur Krankenversicherung und monatliche Beiträge in Höhe von EUR 750,40 zur Pensionsversicherung zu entrichten.

Weiters wurden die von der Beschwerdeführerin im Einspruch vom 21. Mai 2010 gestellten Anträge "auf Ersatz der Kosten des Verfahrens vom belangten Versicherungsträger" sowie auf "Zur-Auszahlung-Bringung" des vollen Betrages der Pensionsleistung als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt habe der Beschwerdeführerin auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2006 Versicherungsbeiträge auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage vorgeschrieben. Mit Schreiben vom 9. Jänner 2009 habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass ihrem Antrag vom 28. Februar 2007 auf Stundung der Versicherungsbeiträge für das Jahr 2009 stattgegeben werde. Deshalb seien ihr für das Jahr 2009 Versicherungsbeiträge vorerst nur auf Basis der Mindestbeitragsgrundlage vorgeschrieben worden. Der Beschwerdeführerin sei am 9. Jänner 2009 auch mitgeteilt worden, dass im Pensionsfall vorläufige Beitragsgrundlagen als endgültige Beitragsgrundlagen gelten würden. Sie sei auch darauf hingewiesen worden, dass in diesem Fall die Stundung aufgehoben werden müsse und der gestundete Betrag nachzuzahlen sei.

Die Beschwerdeführerin habe bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt einen Antrag auf Alterspension eingebracht. Nach Aktenlage könne nicht nachvollzogen werden, wann dieser Antrag gestellt worden sei. Es werde jedoch auf Grund der dem Einspruch beigefügten undatierten Antragskopie mit dem handschriftlichen Vermerk "überreicht am 12/8/2009" davon ausgegangen, dass die Einbringung an diesem Tag erfolgt sei. Da der Pensionsantrag auf dem Postweg oder bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt in Verstoß geraten sein dürfte und sein tatsächliches Einbringen erst nach schriftlicher und telefonischer Korrespondenz zwischen der Sozialversicherungsanstalt und der Beschwerdeführerin habe geklärt werden können, sei diese (erst) mit Schreiben vom 4. Februar 2010 darüber informiert worden, dass die Beitragsstundung aufgehoben worden sei und dass "die mit dem Saldo verbundenen Versicherungszeiten erst mit Bezahlung des offenen Betrages von EUR 14.731,92 bis 2.3.2010 bei der Pensionsberechnung berücksichtigt werden könnten". Am 7. April 2010 habe die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ihren Steuerbescheid für das Jahr 2009 übermittelt. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 sei am 25. November 2009, also noch vor dem Pensionsstichtag (1. Februar 2010), bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eingelangt.

Am 13. April 2010 habe die Beschwerdeführerin eine schriftliche Aufstellung ihrer Pensionszeiten und die Nachberechnung ihrer Beitragszahlungen auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 verlangt. Mit Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 4. Februar 2010 sei die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit einer pensionswirksamen Beitragsnachentrichtung hingewiesen worden. Infolge des Pensionsstichtages 1. Februar 2010 habe die Stundung der Versicherungsbeiträge für das Jahr 2009 gemäß § 25 Abs. 7 GSVG aufgehoben werden müssen. Die vorläufige Beitragsgrundlage in Höhe von EUR 4.690,-- (Höchstbeitragsgrundlage) sei (für das Jahr 2009) zur endgültigen Beitragsgrundlage geworden. Der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt seien (nur) die ihr gemäß § 229a GSVG von den Abgabenbehörden des Bundes übermittelten Daten des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2006 vom 29. August 2007, eingelangt am 29. Oktober 2007, vorgelegen. Diese hätten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 66.852,75 ausgewiesen. Gemäß § 25a Abs. 1 Z 2 GSVG sei als vorläufige monatliche Beitragsgrundlage die Summe der gemäß § 25 Abs. 2 GSVG für das drittvorangegangenen Kalenderjahr festgestellten Beitragsgrundlagen geteilt durch die Zahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr und vervielfacht mit dem so genannten Aktualisierungsfaktor gerundet auf Cent heranzuziehen. Die vorläufige Beitragsgrundlage habe die Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 5 GSVG nicht überschritten. Gemäß § 25 Abs. 7 GSVG würden vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a GSVG, die zum Pensionsstichtag (§ 113 Abs. 2 GSVG) noch nicht nachbemessen seien, als endgültige Beitragsgrundlagen gelten. Da zum Pensionsstichtag am 1. Februar 2010 der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 noch nicht vorgelegen sei, habe eine Nachbemessung nicht erfolgen können. Somit seien die vorläufigen monatlichen Beitragsgrundlagen in der Kranken- und Pensionsversicherung vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 2009 als endgültige Beitragsgrundlagen zu behandeln. Die auf dieser Grundlage erfolgte Beitragsberechnung sei gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, § 27a und § 27d GSVG rechnerisch richtig erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Als Beschwerdepunkt gibt die Beschwerdeführerin an, sie sei in ihrem Recht auf richtige Festsetzung der monatlichen Beitragsgrundlage in der Kranken- und Pensionsversicherung und in ihrem Recht, nicht zu Recht bestehende Beitragsforderungen zur Kranken- und Pensionsversicherung nicht begleichen zu müssen, verletzt worden. Die Beschwerde richtet sich auch nach ihrem sonstigen Inhalt nicht gegen jene Spruchteile des angefochtenen Bescheides, mit denen die von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren gestellten, oben wiedergegebenen Anträge als unzulässig zurückgewiesen worden sind.

Die am 22. Jänner 1950 geborene Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich aus dem Antragszeitpunkt als Pensionsstichtag iSd § 113 Abs. 2 GSVG der 1. Februar 2010 ergibt und dass ihre Beitragsgrundlage für das Jahr 2009 zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachbemessen war. Daher gelten gemäß § 25 Abs. 7 GSVG die vorläufigen Beitragsgrundlagen nach § 25a GSVG als Beitragsgrundlagen iSd § 25 Abs. 2 GSVG. Die spätere Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 am 7. April 2010 kann am Nichtvorliegen der Nachbemessung zum genannten Stichtag nichts mehr ändern. Die belangte Behörde hat weiters zutreffend erkannt, dass für die vorläufige Beitragsgrundlage für das Jahr 2009 gemäß § 25a Abs. 1 Z. 2 GSVG der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 maßgebend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2010/08/0070, mwN). Die rechnerische Richtigkeit der auf diese Weise ermittelten Beitragsgrundlage sowie der Höhe der monatlichen Beiträge hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Sie bringt indes vor, von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt "nicht über ihre Rechte und Möglichkeiten im Rahmen der Beantragung der Alterspension hingewiesen" worden zu sein. Sie hätte durch Antragsrückziehung und Verschiebung des Pensionsstichtages eine Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 erreichen können. Dadurch sei ihr ein - für die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt leicht erkennbarer - erheblicher finanzieller Nachteil entstanden. Die Vorschreibung der Beiträge sei daher nicht zu Recht erfolgt.

Dem ist zu erwidern, dass § 25 Abs. 7 GSVG die Höhe der zum Stichtag noch nicht nachbemessenen Beitragsgrundlagen abschließend regelt. Der Behörde ist bei der Feststellung der Beitragsgrundlagen kein Ermessen in dem Sinn eingeräumt, dass sie von den gesetzlichen Voraussetzungen absehen bzw. ihre Entscheidung auf Grund eines fiktiven, für die Beschwerdeführerin günstigeren Sachverhalts treffen könnte. Sollte - wie die Beschwerdeführerin behauptet - ein Fehlverhalten der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vorliegen, das zum Eintritt eines Schadens geführt hat, so ist sie auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen (vgl. das zu § 46 AlVG ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, Zl. 2004/08/0131). Die Herstellung einer res integra im Wege eines allgemeinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist dem österreichischen Sozialversicherungsrecht unbekannt. Den Sozialversicherungsträgern steht auch nicht die Möglichkeit offen, Fehler der Behörde von Amts wegen im kurzen Weg durch Zuerkennung von an sich nicht bestehenden Ansprüchen zu bereinigen (vgl. in diesem Zusammenhang die der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingeräumte Ermächtigungsbefugnis nach dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 104/2007, RV 298 BlgNR 23. GP, 12, eingefügten § 17 Abs. 3 (jetzt: Abs. 4) AlVG).

Die Einleitung eines Vorverfahrens zum Zweck der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war nicht erforderlich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072).

Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden daher keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2010

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